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24-Stunden-Demo und Bürgerschaftsdebatte Protest gegen Bremer Flüchtlingspolitik

Die CDU und AfD sind mit ihren Anträgen für medizinische Alterstests für Flüchtling ein Bremen gescheitert. Parallel fand eine 24-Stunden-Demo auf dem Marktplatz statt, die sich gegen die Bremer Flüchtlingspolitik richtete.
30.05.2018, 20:13 Uhr
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Von Jan Thiniuis-Heemann Kristin Hermann

Reicht es aus, sein Alter zu nennen, oder bedarf es einer Inaugenscheinnahme oder gar einer medizinischen Untersuchung? Wenn es nach dem Aktionsbündnis "Shut down Gottlieb-Daimler-Straße" geht, sollten Behörden den Geflüchteten grundsätzlich glauben, wenn diese ihr Geburtsdatum bei der Registrierung angeben.

Die derzeit praktizierte Altersfeststellung habe keinerlei wissenschaftliche Grundlage, so das Bündnis, sei aber juristisch entscheidend. 24 Stunden lang demonstrieren Flüchtlinge und Unterstützer für ihre Überzeugung vor der Bürgerschaft. Dafür campieren sie am Mittwoch in einem Zelt auf dem Marktplatz.

Verhältnisse in Flüchtlingslager nicht mehr tragbar

Neben lautstarkem Protest bieten die Demonstranten den Besuchern eine freiwillige Altersfeststellung an, bei der sie die Verfahren nachahmen. Zeitgleich diskutieren die Abgeordneten in der Bürgerschaft Anträge der CDU-Fraktion und der AfD, die sich für die Ausweitung medizinischer Untersuchungen zur Altersfeststellung einsetzen.

Neben der Altersanerkennung macht sich das Bündnis für die sofortige Schließung des Flüchtlingslagers an der Gottlieb-Daimler-Straße stark. Die Verhältnisse in den Leichtbauhallen seien vor allem wegen des sommerlichen Wetters nicht mehr tragbar, kritisierten die Veranstalter. "In den Zelten herrschen teilweise Temperaturen bis zu 50 Grad", sagte Mitorganisatorin Gundula Oerter.

Erst vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass die Sozialbehörde das Flüchtlingslager in Oslebshausen diesen Winter, also früher als bisher geplant, schließen möchte. "Wir wollen, dass das Camp sofort dicht macht", so Oerter. In der Gottlieb-Daimler-Straße leben nach Angaben der Sozialbehörde fast ausschließlich junge Männer, die angeben, minderjährig zu sein, aber keine anerkannten Personaldokumente vorlegen können.

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Nach einer Alterseinschätzung werden sie als volljährig angesehen und haben daher vom Jugendamt einen Bescheid bekommen, dass sie nicht in der Jugendhilfe aufgenommen werden. Viele von ihnen haben dagegen Widerspruch eingelegt oder klagen bereits, nachdem ihrem Widerspruch nicht stattgegeben wurde.

Kritik am Timing

Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) zeigte am Mittwoch Verständnis für die Geflüchteten, hält aber am bisherigen Verfahren fest: "Wir können nicht aus Mitleid jeden, der nach Bremen kommt, unbesehen als minderjährig in der Jugendhilfe aufnehmen. Die Jugendhilfe dient dem Schutz von Kindern und Jugendlichen, sie kann kein Korrektiv sein für eine als zu restriktiv empfundene Einwanderungspolitik", so Stahmann.

Von einer generellen medizinischen Altersbestimmung bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hält die Sozialsenatorin indes nichts. Bei den übrigen Abgeordneten kam die Protestaktion unterschiedlich an. Während allen voran die Linken die Demonstration unterstützten, meldete Jens Eckhoff von der CDU Kritik am Timing der Veranstaltung an.

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Aktuell findet in der Stadt die Schwergut-Messe Breakbulk statt, die Tausende Besucher in die Stadt bringt. "Dass zur gleichen Zeit eine solche Demonstration für 24 Stunden auf dem Marktplatz zugelassen wird, finde ich schon äußerst fragwürdig", so Eckhoff.

In Bremen läuft die Alterseinschätzung bisher so: Gibt es keine Papiere oder sonstige Erkenntnisse, schätzen zwei Vertreter des Jugendamtes, zusammen mit einem Dolmetscher, das Geburtsjahr des Antragstellers. Dieses Verfahren nennt sich „qualifizierte Inaugenscheinnahme“. Darauf hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter verständigt.

Emotionale Debatte in der Bürgerschaft

Die Mitarbeiter des Jugendamtes sollen die Gesamtpersönlichkeit des Antragstellers, also körperliche Merkmale wie Stimmlage, Bartwuchs und Gesichtszüge, aber auch das Verhalten während des Gesprächs und die erzählte Biografie beurteilen. Dabei soll auch geprüft werden, ob Zeitläufe und weitere Begleitumstände mit dem angegebenen Alter zusammenpassen.

Im Streitfall können ergänzend medizinische Verfahren der Altersbestimmung herangezogen werden – in Bremen handelt es sich dabei um zahnmedizinische Untersuchungen. Der Antrag auf Inobhutnahme wird laut Sozialbehörde nur abgelehnt, wenn der Antragsteller eindeutig als erwachsen eingeschätzt ist. CDU und AfD geht das bisherige Verfahren nicht weit genug. In zwei einzelnen Anträgen forderten die Fraktionen, auch medizinische Verfahren zur Altersfeststellung einzusetzen. Beide Anträge wurden nach einer emotionalen Debatte abgelehnt.

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