Und, wie läuft’s?“, ruft ihm ein Passant beim Durchqueren der Gasse zu. Stefan Schröders Antwort könnte ungetrübter nicht sein: „Gaga.“ Ein Wort, das alles auf den Punkt bringt: Corona gleich Krise. Eine Unzeit, die auch und gerade für touristisch ausgerichtete Restaurants wie den Kleinen Ratskeller mit einer Odyssee verbunden ist, an die man an diesem Nachmittag angesichts dieser malerischen Kulisse, bestem Sonnenschein und eiskaltem Kräusen nicht so recht glauben mag.
Es bringt zugleich aber auch gut auf den Punkt, wie mein Gegenüber auf mich wirkt. Schröder, der ebenfalls Betreiber des am Marktplatz gelegenen Restaurants Feines 1783, der Allegria in Schwachhausen sowie der in Kürze in Findorff eröffneten L’Orangerie ist, spricht kantig, direkt und bestimmt. Ob die an den Küchenchef durchgegebene Erinnerung, dass die Gerichte nicht weniger als „high end“ rausgeschickt werden dürfen oder das vehemente Ausschlagen meiner Bereitschaft, den statt der Roulade fälschlicherweise servierten Labskaus anzunehmen: alles muss richtig laufen. Und wie das geht, weiß Schröder am besten.
Beispiel Vorspeise, zu der Matjes und Hackepeter – hier auch als „Bremer Kutter und Küste“ (19,50) bekannt – serviert werden. Nonchalant doziert der Wirt, dass guter Matjes „eine leicht bittere Salznote haben, aber süßlich und mild im Abgang“ sein muss. Solche Ausführungen mögen zuweilen besserwisserisch klingen, beim ehemaligen Foodscout für diverse Lebensmittelmärkte sind sie allemal fundiert. Und treffen beim tadellosen Hering auf meine Empfindung.
Im Falle des Hackepeters klaffen theoretische Expertise und die servierte Praxis freilich auseinander. Denn so schön auch frappiert, dass die grobe Schweineschulter frisch durch den Wolf gedreht wurde, so sehr fehlt mir beim Fleisch dann doch die Würze. Schröder, der prinzipiell nicht so sehr auf Salz steht, mag mit etwas mehr frisch gehobeltem Pfeffer zufrieden sein. Ich vermisse weiterhin den Pepp. Das ändert sich zum Glück beim nächsten Gang.
Ein geschickter Kunstgriff
Probiert und empfohlen: „Hausgemachte Bratkartoffeln, Bremer Knipp, frisch gekochter Apfelkompott und ein bisschen Salat für’s Gewissen“, präsentiert der studierte Betriebswirt den Hausklassiker (13,90), dessen Auswahl vor allem eines ist: ein geschickter Kunstgriff. Denn als der WESER-KURIER 2015 zum Lokaltermin vorbeikam, tischte die Küche schon mal dieses Gericht auf – und erntete eine hervorragende Kritik. Hier und heute, wo Test und Tafel bekannt sind, dünkt das Urteil natürlich wie einkalkulierbares Lob. Und wen wundert’s, es wäre erneut verdient. Aber wieso eine weitere Eloge des Gastes lesen, wenn diesmal die Worte des Gastgebers präsentiert werden können?
So denn: „In vielen Restaurants bekommst du Knipp nicht kross, sondern matschig. Richtig guter Knipp muss aber von außen kross und innen schön cremig sein. Und genauso ist es hier. Und ’ne vernünftige Bratkartoffel zu machen, das ist wirklich schwierig. Sie muss Farbe haben, sie muss kross sein, du musst Zwiebeln haben und der Speck muss übers Fett in die Kartoffeln gegangen sein. Ich gebe ihr hier eine 8 von 10. Nach oben hin geht immer was.“ Für mich nicht.
Die Schilderung der als Folgespeise servierten Rinderroulade mit Schwenkkartoffeln, Zwiebelringen und klassischer Jus (18,90) kann indes nicht kommentarlos gespiegelt werden, denn so „wunderbar geschmort“, wie der Chef sie juriert, finde ich sie nicht. Wobei ich mich mit dem Prädikat “gut“ für die grundsolide, mit Speck, Gewürzgurke, eingepinseltem Senf und Zwiebeln zubereitete Roulade in ähnlichen Wahrnehmungsgewässern bewege.
Vielleicht liegt der unterschiedliche Eindruck aber auch nicht in der Sache begründet, sondern in der Methode. So offenbart mir der Chef, dass er eigentlich immer Zwiebeln mit Roulade und nicht Roulade mit Zwiebel esse. „Weil erst diese Süße kommt und dann nachher dieser leichte Bacon-Geschmack. Wenn du das nachher runterschluckst, dann hast du alles.“ Ein Twist, der es wirklich bringt.
Kleiner Ratskeller, Hinter dem Schütting 11, 28195 Bremen, Telefon: 0421 68492112, Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag von 12 bis 22 Uhr, barrierefrei. www.kleiner-ratskeller.com
Temi Tesfay hat Hunger auf Bremen. Auf seinen wöchentlichen Streifzügen durch die heimische Gastroszene hat er schon viele Küchen, Köche und kulinarische Schätze der Stadt kennengelernt. Unter dem Titel „Ein Bisschen Bremen“ schreibt er außerdem einen Foodblog.