Die Autos auf dem Osterdeich jagen sich hinterher. Aus der Ferne sehen sie aus wie Spielzeuge. Auf der anderen Seite der Weser sind die Hektik, der städtische Trubel und die Geschäftigkeit weit weg. Das Weserwasser schluckt den Lärm der Stadt und ersetzt ihn durch beruhigendes Glucksen und leises Wellenklatschen. Die Natur macht den Alltag vergessen.
Das ist einer von vielen Vorteilen des Ruderns: Es baut Stress ab. Mit geübten Handgriffen lassen Lisa Vehrs und Hannes Makert vom Bremer Ruderverein von 1882 das vereinseigene Gigruderboot ins Weserwasser gleiten. Es ist über acht Meter lang, in der Mitte 90 Zentimeter breit und ein Zweier mit Platz für einen Steuermann. Lisa Vehrs und Hannes Makert befestigen an den Metallauslegern vier Ruder, und schon kann es losgehen. Bequem auf Rollsitzen aus Holz, die Füße auf die Stemmbretter geschnallt, ziehen Vehrs und Makert die Ruderblätter kraftvoll durchs Wasser.
"Rudern ist für jeden geeignet", sagt Lisa Vehrs (30). Sie begann als Zwölfjährige mit dem Rudern. 15 Jahre hat sie Leistungssport betrieben und leitet nun das Training der Leistungsabteilung. "Wir haben hier Leute jeden Alters." Rudern mit seinen fließenden Bewegungen sei ein sehr gelenkschonender Sport. "Es gibt fast kein Verletzungsrisiko." Deshalb gebe es auch keine Altersgrenze für den Einstieg in diese Sportart.
Darüber hinaus trainiere Rudern den ganzen Körper: Bauch, Beine, den Oberkörper, die Schultern – vor allem aber den Rücken. Rudern beuge Haltungsschäden vor, weil es sowohl die Bauchmuskeln als auch die Rückseite trainiere, so der stellvertretende Vorsitzende des Bremer Sport-Club (BSC), Andreas Erdmann. Probleme mit dem Rücken, wie andere sie haben, kennt Lisa Vehrs deshalb nicht.
Rudern für den Rücken
Doch auch wer schon "Rücken" hat, wie es im Volksmund heißt, dem kann Rudern helfen: "Viele, die Rücken- oder Atemprobleme haben, werden von den Ärzten zum Rudern geschickt", sagt Erdmann. "Die Leiden verschwinden oft mit der Zeit oder werden zumindest gemildert."
"Einsteiger fangen klassischerweise im Holzboot an", sagt Lisa Vehrs. "Die bauchigen Gigruderboote sind robuster und liegen auf dem Wasser stabiler als die schmalen Rennboote." Bedenken, das Boot könnte kentern oder man selbst im schwankenden Boot stürzen, zerstreut Hannes Makert: "Davor muss man als Anfänger keine Angst haben."
Hilfreich ist das Wissen um die richtigen Techniken, die Einsteiger in Kursen der Vereine lernen; das Gefühl fürs Boot, das sie im Ruderbecken bekommen und die gängigen Anweisungen unter Ruderern. "Achtung! Mannschaft fertig zum Einsteigen", zum Beispiel.
Um die 100 Euro kostet ein Einsteigerkursus für Nichtmitglieder. "Uns ist es aber lieb, wenn die Leute Mitglied werden", wirbt Vehrs für ihren Verein. "Wir machen hier alles ehrenamtlich, und die Boote sind sehr teuer." Ein Rennboot koste circa 23 000 Euro, ein Achter-Gigruderboot je nach Ausstattung rund 40 000 Euro. Knapp 60 Boote verschiedener Kategorien und Größen stehen im Bootshaus des Bremer Rudervereins von 1882: gekauft, dem Verein geschenkt oder vererbt. Die Mitglieder und die Teilnehmer der Einsteigerkurse dürfen sie ausleihen.
Jeder nach seinem Tempo
Eine spezielle Ausrüstung braucht es zum Rudern nicht. "Möglichst eng anliegende Sportsachen, damit man nicht mit den Händen in der Jacke hängen bleibt, Turnschuhe und im Sommer eine Kopfbedeckung wegen der Sonne", beschreibt Lisa Vehrs. Gerudert wird ganzjährig, außer bei Eis und Gewitter. Andreas Erdmann fügt hinzu: "Man sollte schwimmen und auf einem Bein eine leichte Kniebeuge können."
Wie weit jeder fährt, bleibt ihm überlassen. Als Leistungssportlerin ist Lisa Vehrs bis zu 2500 Kilometer im Jahr gerudert. "Es gibt auch ambitionierte Breitensportler, die so viele Kilometer fahren", sagt sie. Während Freizeitsportler mit um die sechs Kilometer pro Stunde unterwegs sind, sind Leistungssportler ungefähr doppelt so schnell. Den Krafteinsatz und das Tempo bestimmt jeder selbst. Wer will, kann auf der Weser bis Bremerhaven fahren, sagt Lisa Vehrs. Eine Runde auf dem Werdersee misst rund neun Kilometer.
Aber auch die nähere Umgebung mit Hamme, Wümme, Lesum und Torfkanal ist nahezu perfekt zum Rudern. Die Vereine bieten dort regelmäßig Touren und Tagesfahrten an, die für Ruderer mit wenig Erfahrung geeignet sind. Unterwegs wird Pause gemacht zum Baden, Picknick oder zur Einkehr in eine Gaststätte.
Versierte Ruderer loben die Vielfalt Bremens: der Blick vom Wasser aus auf die Altstadtkulisse, aber auch auf sehr viel Grün nahe dem Weserstadion. "Wenn man Glück hat, sieht man in der Weser sogar Robben", sagt Ruderer Michael Bohnsack. Ganz anders dagegen die Tour durch die Häfen mit ihren Kränen und Industriebauten. "Diese Vielfalt hat man nicht in jeder Stadt."