Die Grundschule Düsseldorfer Straße liegt friedlich da. Der Schulhof ist leer, die Gebäude offenbar ausgestorben. Nicht ganz: Niklas Zickerow und Jörg Witte nutzen die Ferien, um sich die Schule genauer anzusehen, Raum für Raum, Flur für Flur. Sie betrachten die Böden, die Decken, Fenster, Fassaden und Dächer. Zickerow ist mit Klemmbrett, Zollstock und Kamera ausgerüstet.
Was er, Architekt bei Immobilien Bremen (IB), und Jörg Witte, Teamleiter für den Bereich besondere Dienste, ins Auge fällt, was der Reparatur oder Nachbesserung bedarf, wird protokolliert. Zudem wird die Beschaffenheit in Noten festgehalten: 1 wie tadellos bis 5 wie komplette Erneuerung fällig. Derartige Begehungen finden im Turnus von drei Jahren statt.
Auf den ersten Blick gibt es in den Klassenräumen nicht viel zu bemängeln. Die Schule ist nicht erst gestern erbaut worden, das sieht man schon, sondern im Jahr 1967. Aber beim Rundgang der Fachleute geht es weniger um Schönheit als um Funktionsfähigkeit beziehungsweise um Sicherheit. In einer Ecke zeigen sich Risse, „das ist absolut undramatisch“, sagen die Fachleute. Setzungen seien angesichts des Alters der Gebäude normal. „Bei Gelegenheit können wir das mal zuspachteln lassen.“
Auf der Hand liege, dass bei den Rundgängen, wie sie vielfach in den Schulferien unternommen werden, „allein eine grobe visuelle Einschätzung“ möglich ist, sagt Jörg Witte. Um den Zustand des Grundgerüsts der Schule exakt beurteilen zu können, müssten die Wände aufgebohrt werden.
Einen Gesamtüberblick über den Zustand der Immobilien in bremischem Besitz gibt es nicht. Das liegt zum einen an unterschiedlichen Zuständigkeiten, zum anderen an der Interpretation des Begriffs Sanierungsstau. In den Übersichten über dringende Arbeiten geht es meistens nicht nur um Reparaturen, sondern auch um Anpassungen an neue gesetzliche Vorschriften. Dazu zählen Brandschutzauflagen oder Bestimmungen zu Rettungswegen oder Barrierefreiheit, die umgesetzt werden müssen, wenn das Gebäude saniert wird. Auch die Grenzen zwischen Sanierungs- und Investitionsstau sind fließend, das gilt bei Schulen und Krankenhäusern beispielsweise für Digitalisierungsprojekte, bei der Universität für eine zeitgemäße Ausstattung.
Rund 100 Millionen Euro für Kitas
Bei 64 Prozent der städtischen Gebäude, um die sich Immobilien Bremen kümmert, handelt es sich um Schulen, sagt Geschäftsführerin Susanne Kirchmann. Allein für hier wird der Sanierungs- und Modernisierungsstau auf 657 Millionen Euro beziffert. Betrachte man allein erforderliche Sanierungen, so Susanne Kirchmann weiter, könne man den finanziellen Aufwand in etwa halbieren.
Für Kitas müssen insgesamt rund 100 Millionen Euro aufgebracht werden. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt sich insbesondere über den traurigen Zustand der Kaserne in Huckelriede. In anderen Revieren sind laut Kirchmann Umbauten nötig, um Bürgernähe zu ermöglichen. Auch die Sporthallen Bremens erforderten in den nächsten Jahren finanzielles Engagement. „Viele der Hallen aus den 1970er-Jahren werden wir ersetzen müssen, die lassen sich nicht wirtschaftlich sanieren.“ Derzeit arbeite IB an 72 Sanierungsprojekten, davon sind 34 in der Ausführung, sieben in der Planung und 31 weitere werden für die sogenannte Bedarfsplanung vorbereitet. Dafür stehen aus dem Gebäudesanierungsprogramm 25 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, elf Millionen Euro umfasst der Posten Bauunterhalt, zudem fließt aus dem kommunalen Investitionsprogramm Geld vom Bund.
Schönheitsreparaturen auszuführen, zählt nicht zu den Aufgaben von Immobilien Bremen. Dafür sind die Schulen selbst zuständig, zulasten des schuleigenen Budgets. An einigen Schulen in Bremen und im Umland nehmen Mütter und Väter Arbeiten selbst in die Hand. Sie streichen Räume und nähen Vorhänge. Sofern das fachgerecht ausgeführt werde, sei dagegen nichts einzuwenden, sagt Susanne Kirchmann. Kritisch werde die Selbsthilfe, wenn neue Schäden entstünden, beispielsweise, weil aus Versehen Akustikdecken mitgestrichen werden.
Von dauerhaften dramatischen Zuständen in bremischen Schulen ist dem Zentralelternbeirat (ZEB) nichts bekannt. Der Sanierungsstau sei unbestritten, „wir haben gelernt, damit zu leben“, so Vorstandssprecher Pierre Hansen. Dem ZEB liege daran, dass das Geld, das zusätzlich für Bildung versprochen ist, „nicht nur in Beton gegossen wird“. In Grund-, Oberschulen und Gymnasium tue sich meist etwas, wenn sich Eltern dahinterklemmten und an die Öffentlichkeit wendeten. „Ganz anders sieht es bei den Berufsschulen aus“, sie seien häufiger in einem traurigen Zustand.
Der Ruf nach einer klaren Übersicht über den Zustand des bremischen Vermögens in Form von Gebäuden ist in jüngster Zeit lauter geworden. IB hat deshalb Anfang des Jahres begonnen, Bau für Bau zu erfassen. Die detaillierte Bestandsaufnahme soll 2019 vorliegen. Zickerow und Witte sind in der Turnhalle angekommen. Man entwickle ein Auge für die Probleme von Bauten bestimmter Jahrgänge, sagt Zickerow. Ein paar Kleinigkeiten werden notiert. Komfortabel und modern sind die Umkleiden und Waschräume wahrlich nicht, aber sie sind sicher und funktionstüchtig. Das muss erst mal reichen.
