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Direktorin geht Schifffahrtsmuseum in Not

Die Direktorin hat zur Jahresmitte gekündigt, ein interner Bericht legt Defizite in der Verwaltung offen - das Deutsche Schifffahrtsmuseum kommt nicht zur Ruhe. An diesem Donnerstag tagt der Stiftungsrat.
05.01.2022, 19:00 Uhr
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Schifffahrtsmuseum in Not
Von Marc Hagedorn

Die Tagesordnung ist kurz, wenn sich der Stiftungsrat des Deutschen Schifffahrtsmuseums an diesem Donnerstagvormittag außerplanmäßig zur ersten Sitzung des Jahres trifft. Im Grunde wird es um nur zwei Punkte gehen. Die aber haben es in sich, denn das Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven, seit Jahren ein Sorgenkind, gerät in immer größere Turbulenzen.

Kurz vor Weihnachten hatte ein interner Bericht für Aufsehen gesorgt, in dem die neue kaufmännische Geschäftsführerin Katharina Horn gravierende Mängel und Versäumnisse in der Verwaltung auflistet. Kurz vor dem Jahreswechsel folgte dann die nächste Überraschung: Die umstrittene Direktorin Sunhild Kleingärtner hat gekündigt und wird spätestens zur Jahresmitte das Haus verlassen.

Leiterin geht nach Los Angeles

Vor Ort wird Kleingärtner schon in Kürze nicht mehr sein. Die Historikerin und Archäologin bricht in diesen Tagen zu einem sechsmonatigen Forschungsaufenthalt nach Los Angeles auf. Sie wird aber dazugeschaltet sein, wenn der Stiftungsrat nun zusammenkommt. Zu dem zwölfköpfigen Aufsichtsgremium gehören unter anderem Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) als Vorsitzende, Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) sowie Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft, der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung und ein Vertreter des Bundesforschungsministeriums.

„In schwerer See“ hatte der WESER-KURIER erst Anfang Dezember getitelt. Teile des Museums sind seit Jahren eine Baustelle. Die Besucherzahlen sind seit Umbaubeginn eingebrochen. Dem Haus fehlen schätzungsweise 40 bis 50 Millionen Euro, um alle notwendigen Sanierungsmaßnahmen in den nächsten Jahren zu Ende zu führen.

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Probleme gibt es auch bei der Instandhaltung der alten Schiffe im Museumshafen, einige von ihnen sehen arg mitgenommen aus. Vor zwei Jahren sank etwa die inzwischen abgewrackte „Seute Deern“ direkt vor dem Eingang des Deutschen Schifffahrtsmuseums. „Wir haben hier so schöne Schiffe liegen, und man lässt sie einfach verrotten“, sagt der Bremerhavener CDU-Politiker Thorsten Raschen, der die Arbeit der Museumsspitze seit Jahren kritisch verfolgt.

Liste mit Defiziten

Die aktuelle Bestandsaufnahme sorgt für eine neue Qualität in der Diskussion um die Museumsleitung. Detailliert listet die neue kaufmännische Geschäftsführung Defizite in der Verwaltung auf. Der Bericht, der dem WESER-KURIER vorliegt, ist den Stiftungsratsmitgliedern seit ein paar Wochen bekannt.

Unter anderem heißt es in der zehnseitigen Analyse, dass „Vertragsdokumente unvollständig“ oder nur als „Entwürfe (fehlende Unterschrift)“ vorhanden seien. Verträge seien teilweise auch „unauffindbar“. Zur Digitalisierung: Daten, heißt es, würden „lokal auf Rechnern, auf USB-Sticks oder privaten Festplatten“ gespeichert. Es könne zu Datenverlusten beim „Weggang von Mitarbeitenden“ kommen.

"Abläufe unklar"

Schwächen entdeckt der Bericht auch bei der Personalabteilung. Hier seien „Aufgabenzuschnitte der Mitarbeiterinnen“ und „Abläufe unklar“, Personalakten „unvollständig“. Auch für die Bereiche Buchführung, Beschaffungs- und Vergabemanagement sowie das Controlling, die Technische Abteilung und die Baukoordination zählt der Bericht Mängel auf. Beim Budget für das Jahr 2022 geht die Analyse von einem Minus von 700.000 Euro aus.

Das Deutsche Schifffahrtsmuseum erklärt auf Anfrage, sich im Vorfeld der Stiftungsratssitzung weder zum internen Bericht noch zum angekündigten Rückzug von Direktorin Kleingärtner äußern zu wollen. Eher allgemein äußert sich das Bremer Wissenschafts- und Hafenressort. Wenn sich die aufgeführten Mängel bestätigten, heißt es, befände sich das Museum in einer tiefgreifenden Krise.

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Der Oberbürgermeister wird deutlicher. Melf Grantz lässt sich wie folgt zitieren. Er sei erschrocken. „Mit dem Bericht, so er denn zutrifft, kommt erstmals ans Licht, wie schlecht das DSM geführt wurde.“ Was Bremerhavens ersten Bürger besonders ärgert: „Bisher hat die geschäftsführende Direktorin den Eindruck erweckt, als sei intern alles geregelt.“ Grantz spricht von einem „geschönten Bild“.

Eine intensive Sitzung an diesem Donnerstag erwartet Jörg Schulz. Bremerhavens ehemaliger Oberbürgermeister sitzt als Vorstand des Fördervereins im Stiftungsrat. „Es gibt jetzt eine Aufgabe schlechthin“, sagt Schulz, „es muss in enger Abstimmung mit der Leibniz-Gemeinschaft und dem Bundesforschungsministerium so schnell wie möglich eine Nachfolge für Frau Kleingärtner gefunden werden.“ Denn die Zeit drängt. Nur noch bis 2024 ist der Status des Schifffahrtsmuseums als Teil der Leibniz-Gemeinschaft gesichert und damit der Großteil der Finanzierung. Denn für 85 Prozent des Jahresetats kommt der Bund auf.

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Klare Erwartungen an die „Aufarbeitung der Zustände“, wie Fraktionschef Raschen es formuliert, hat auch die Bremerhavener CDU. Das „Kapitel Prof. Dr. Kleingärtner“ sei „mit der Kündigung zum Juni nicht abgeschlossen“. Raschen fordert mehr Einfluss für die örtliche Politik und die lokalen Organe, etwa das städtische Rechnungsprüfungsamt. „Die Stadt Bremerhaven beteiligt sich mit mehr als einer Million Euro an den Kosten des Deutschen Schifffahrtsmuseums, ohne eine wirkliche Kontrolle über den Einsatz der Steuergelder zu haben.“ Den Rückzug der Direktorin nennt Raschen „überfällig“ und sagt: „Sollten die gravierenden Mängel auch nur ansatzweise zutreffen, müssen auch weitere juristische Schritte wie Haftungsfragen gestellt werden.“

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