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Extremsportler Savas Coban Tausend Kilometer durch die Mongolei – Todesangst inklusive

In Peru ist der Bremer Savas Coban mehr als 5000 Kilometer gerannt. In der Mongolei waren es sozusagen nur 1000 Kilometer. Und doch wurde es ein großes Abenteuer – mit herausfordernden Situationen.
14.10.2024, 05:00 Uhr
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Tausend Kilometer durch die Mongolei – Todesangst inklusive
Von Olaf Dorow

Er liebt es, die Grenzen auszutesten. Was kann ein Mensch aushalten, was kann er schaffen? Also macht er Sachen, die Menschen normalerweise nicht machen. Die die meisten Leute für unmöglich oder halt bekloppt halten. Wenn er unterwegs ist auf seinen spektakulären Touren, muss er sich ja bisweilen selbst fragen, ob er nicht ganz schön bekloppt sei. Der Extremsportler Savas Coban, aufgewachsen in Bremen-Blockdiek, quält Körper und Geist auf seinen Ultralauf-Expeditionen, er bekommt Schmerzen, Blasen, Zweifel und Ängste. Aber das Glücksgefühl, sie besiegt zu haben, sei unbeschreiblich, sagt er. Für nächstes Jahr hat er schon wieder ambitionierte Pläne. Das Projekt sei so gewaltig, dass er noch gar nicht wisse, ob es umsetzbar ist. Das jüngste Abenteuer war aber auch schon groß genug, um es groß zu erzählen. Vielleicht wird sogar wieder ein Kinofilm draus. Das Coban-Abenteuer 2024:

Die Vorgeschichte

Der Kinofilm "Trail der Träume", der mittlerweile auch auf Netflix läuft, hat Savas Coban für ein breiteres Publikum bekannt gemacht. Der Streifen zeigt, wie ein Bremer Junge, Anfang 30, ganz allein durch ganz Peru rennt, durch sämtliche Klimazonen. Mehr als 5000 Kilometer, 87 Tage lang, im Schnitt 60 Kilometer am Tag. Mal filmte er sich selbst auf diesem Weltrekordversuch, mal filmte ihn ein Kamerateam. Produziert von "ravir film", kam ein Stück über einen Mann heraus, der sich quasi selbst besiegt. Der einen Menschen in existenziellen Situationen zeigt – oder auch in Begegnungen, von denen Rucksack-Touristen nur träumen können. Nach dem Erfolg auf den Wegen durch südamerikanische Höhen und Tiefen sowie dem auf der Leinwand sollte es in diesem Spätsommer erneut eine Herausforderung sein, vor der der Respekt nicht größer sein kann. Und außerdem sollte es ein ganz anderes Ding werden als das Ding in Peru.

Die Idee

Savas Cobans Finger auf der Weltkarte zeigte diesmal nicht weit nach Westen, sondern weit nach Osten. Er wollte versuchen, durch die Mongolei zu laufen, eines der am dünnsten besiedelten Länder der Erde. Nicht auf den vorhandenen Wegen und Pfaden, sondern in schnurgerader Linie von Norden nach Süden. Tausend Kilometer in drei Wochen, von der russischen zur chinesischen Grenze. Im Nordwesten wäre das nicht gegangen, da steht ein zu hohes Gebirge im Weg. So viel ließ sich über Google Earth herausfinden. Viel mehr aber nicht. "Ich konnte das nicht wirklich einschätzen, ob und was da geht", sagt Savas Coban zu der Linie, die er schließlich in sein Navi-System eingab. Ist ein Fluss unüberwindbar? Steht vielleicht doch eine Felswand im Weg? Wieder sollte ein Kamerateam ihn begleiten, diesmal praktisch ein eigenes. Coban will selbst vermarkten und verbreiten, wie es ihm ergangen ist. Das Kamerateam, so der Plan, würde er jeweils abends treffen. Es würde ihn oft suchen müssen. So viel war auch klar, so kam es dann auch. Auf Cobans Linie wäre es für ein Auto oft nicht weitergegangen.

Der Anfang

Der wurde deutlich schwerer als gedacht, sagt der Läufer. "Ich wollte laufen, aber das ging anfangs gar nicht", sagt er. Stachlige Büsche, kopfhoch, Flüsse, endlose Brennnessel-Felder. "Ich musste mich da regelrecht durchkämpfen, für ein paar Kilometer habe ich mehrere Stunden gebraucht." Wenn es in dem Schneckentempo weitergegangen wäre, dann wäre das Visum deutlich eher abgelaufen, als seine Linie vollendet. Nach vier Tagen Gezerre und Gefluche durchs Gestrüpp sei die Entscheidung gefallen: Um voranzukommen, muss die Linie kurzzeitig verlassen werden. Erst vier Tage später kehrte Savas Coban auf die angedachte Strecke zurück. Und rannte von da ab täglich einen Ultramarathon – also eine Strecke, die länger ist als die 42,195 Kilometer eines klassischen Marathons.

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Die Bedrohung

"Ich habe noch nie solche Todesangst gehabt", gibt Savas Coban zu. Es waren nicht die unzähligen Brennnesseln oder die oft erdrückende Weite, in der er quasi mit sich allein war und mit wunden Füßen durch ein endloses Nichts lief. Es waren auch nicht die heftigen schwankenden Temperaturen, die ihm so sehr zusetzten. Tagsüber oft über 30, nachts oft unter null Grad. Es war ein plötzlich aufkommendes Gewitter. Weit und breit kein Baum, kein Strauch. Weit und breit war da nur er und die Steppe, als die Blitze losgingen. Ulzi, der fröhliche mongolische Fahrer des Kamerateams, hatte ihm ein paar Tage zuvor erzählt, dass mal ein Freund vom ihm vom Blitz getroffen worden sei. "Ich habe zum Horizont geguckt und bin wirklich um mein Leben gerannt, es war schrecklich", erzählt Coban. Er musste auf sein Navi achten und aufpassen, dass er seine Linie hält, statt im Kreis zu laufen. Savas, wo läufst du hin, was machst du hier? Solche Gedanken seien groß und größer geworden. Er habe schließlich gebetet. Der Himmel möge ihm eine Jurte schenken, statt Blitze zu schicken. Die Wahrscheinlichkeit, dass jetzt wie gewünscht eine menschliche Behausung auftaucht, war dabei relativ gering. Auf seinen weiten Wegen durchs weite Land habe er nur sehr selten etwas anderes als Natur gesehen.

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Und doch ging Cobans Wunsch in Erfüllung. Im Moment der dunkelsten Gedanken und größten Ängste sei am Horizont tatsächlich eine Jurte zu erkennen gewesen. Es war keine Fata Morgana, es war wirklich eine weiße Jurte. Die Leute seien sehr freundlich gewesen, er war gerettet.

Der Beschluss

Man solle ja niemals nie sagen, sagt Savas Coban. Aber das werde er wohl nie wieder machen: eine Langstrecke auf einer geraden Linie. So stolz und glücklich und erfüllt er am Ende gewesen sei, auch das geschafft zu haben, wolle er sich so etwas nicht noch einmal antun. Mal kurz nicht aufs Navi geschaut, schon sei er wieder orientierungslos und abseits der Linie gewesen. "Manchmal habe ich gedacht, ich bin auf einem anderen Planeten", gesteht er. Zu oft habe er geflucht. Er sei doch Sportler, Extremsportler, er will rennen, rennen, rennen. Aber mit Sport habe das in der Mongolei zumindest phasenweise nix zu tun gehabt, wenn er für Stunden im Gestrüpp festhing und alles juckte und brannte. Einmal, als er besonders malträtiert von den Brennnesseln ins abendliche Lager gekommen sei, habe Ulzi, der fröhliche Fahrer, mit seinem gebrochenen Englisch gesagt: "Sorry for mongolei!" Savas Coban muss lächeln, wenn er die Anekdote erzählt. Und es ist ihm wichtig, zu betonen, dass trotz aller Strapazen "ich glücklich bin, das gemacht zu haben". Die Sehnsucht nach dem Ungewissen, nach unübersichtlichen Herausforderungen, die ist offenbar nicht kleiner, sondern größer geworden. Das muss man jedenfalls denken, wenn er über sein Mongolei-Abenteuer berichtet. Er sagt: "Es gibt noch so viele Herausforderungen." Das "so" zieht er dabei sehr in die Länge.

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