Herr Bettray, Corona ist vorbei – und trotzdem gibt es jetzt Einschränkungen im Fährbetrieb wie zu Pandemie-Zeiten. Was ist los bei der Fährgesellschaft?
Andreas Bettray: Die Pandemie ist zwar vorbei, aber sie wirkt noch nach. Es gibt viele Firmen, die ihren Beschäftigten weiterhin Homeoffice-Lösungen anbieten – und genau diese Beschäftigten fehlen uns. Hinzu kommt die Konjunkturflaute. Die Nutzung unserer Fährverbindungen ist eng verbunden mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Firmen in unserem Einzugsbereich. Darüber hinaus stellen wir fest, dass der Anteil der Privatfahrten insbesondere an den Wochenenden rückläufig ist.
Sie sind von den Gesellschaftern aufgefordert worden, nach Möglichkeiten zu suchen, die Kosten zu senken. Warum trifft es erneut die Fährstelle Blumenthal-Motzen?
Bis 2019 zeichnete sich die wirtschaftliche Entwicklung der Fährgesellschaft durch positive Jahresabschlüsse aus. Im Corona-Jahr 2020 brachen dann die Beförderungszahlen bei den Fahrzeugen um 18 Prozent oder rund 390.000 Autos und bei den Personen um 16 Prozent oder rund 810.000 Menschen ein. Es kam dreimal in Folge zu Jahresfehlbeträgen, auch weil sich die Treibstoffkosten verdoppelt haben. Dass der Jahresfehlbetrag zuletzt nur bei 2000 Euro lag, hat mit einem Zuschuss der Stadt Bremen zu tun. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns kontinuierlich damit beschäftigen, wie wir den Betrieb wirtschaftlicher ausrichten können. Im Zuge dieses Prozesses sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass weiteres Einsparpotenzial an der Fährstelle Blumenthal-Motzen besteht.
Wie hoch ist denn das Einsparpotenzial ausgefallen, als vor zwei Jahren der Nachtbetrieb zwischen Blumenthal und Motzen eingestellt wurde?
Es ging um eine sechsstellige Summe.
Und wie viel wird es nach Ihrer Rechnung unterm Strich bringen, dass künftig abends zwei Stunden früher Schluss ist und die letzte Fahrt von Blumenthal nicht mehr um 22.05, sondern 20.05 Uhr ist?
Das Einsparpotenzial liegt im höheren fünfstelligen Bereich.
Wie viele Optionen haben Sie eigentlich geprüft, um Kosten zu senken?
Wir haben mehrere Möglichkeiten geprüft. Zum Beispiel, den Betrieb an der Fährstelle Blumenthal-Motzen am Sonntag einzustellen. Doch davon sind wir abgerückt, weil dieser Einschnitt unverhältnismäßig gewesen wäre.
Es hat Kritik gegeben, als der Nachtbetrieb an der Fährstelle Blumenthal-Motzen eingestellt wurde. Wie viele Anrufe und E-Mails haben Sie jetzt bekommen?
Bisher habe ich noch keine Anrufe und E-Mails bekommen. Auch unsere Verwaltung nicht. Meine Nachfragen an Bord bei den Kassiererinnen und Kassierern haben aber vereinzelte Rückmeldungen von Fährkunden ergeben. Wie schon bei der Einstellung des Nachtverkehrs werde ich mir in den nächsten Wochen selbst ein Stimmungsbild an Bord bei den Pendlern einholen.
Wie haben denn die Crews reagiert, dass es fortan weniger Fahrten und damit eventuell auch weniger Verdienstmöglichkeiten gibt als bisher?
Die Überlegungen zum reduzierten Fahrplan wurden vorab mit dem Betriebsrat und den Beschäftigten ausführlich besprochen. Es gab nahezu einhellige Zustimmung zur Fahrplanreduzierung. Vor allem deshalb, weil das Beförderungsvolumen ab 20.05 Uhr so gering ist, dass die Spätschicht immer wieder die Unverhältnismäßigkeit des Angebotes thematisiert hat. Finanzielle Einbußen für die Mitarbeiter sind mit der Reduzierung des Fahrplanes nicht verbunden.
Wann wollen Sie es eigentlich offiziell machen und auf der Internetplattform der Fährgesellschaft mitteilen, dass der Betrieb an der einen Fährstelle künftig früher endet als bisher?
Die Homepage wird kurzfristig aktualisiert.
Wie erklären Sie es sich eigentlich, dass die Pendlerzahlen zwischen Blumenthal und Motzen schlechter sind als an den beiden anderen Fährstellen?
Eine Erklärung könnte sein, dass die äußeren Fährstellen in den Hauptverkehrszeiten mit zwei Fährschiffen im Zehn-Minuten-Takt bedient werden beziehungsweise in den Nebenverkehrszeiten an der Fährstelle Farge-Berne im 15-Minuten-Takt und an der Fährstelle Vegesack-Lemwerder im Zehn-Minuten-Takt. Anders verhält es sich an der Fährstelle Blumenthal-Motzen, an der nur ein Fährschiff im Einsatz ist und es in der Hauptverkehrszeit einen 15-Minuten-Takt und in der Nebenverkehrszeit einen 20-Minuten-Takt gibt.
Und was bedeutet das in Pendlerzahlen?
2022 kam die Fährstelle Blumenthal-Motzen auf 409.000 Fahrzeuge, die zwischen Farge und Berne auf 646.000 und die zwischen Vegesack und Lemwerder auf 786.000.
Erst wird der Nachtbetrieb eingestellt, dann die letzte Fahrt am Abend vorgezogen – was kommt als Nächstes?
Es gibt aktuell keine Überlegungen zu weiteren Fahrplanreduzierungen.
Ist wirklich noch nie ausgerechnet worden, wie hoch das Einsparpotenzial wäre, wenn es die Fährstelle nicht mehr gäbe?
Tatsächlich sind solche Berechnungen und auch solche Überlegungen nicht ansatzweise vorgenommen worden. Ich halte sie auch nicht für realistisch.
Und was ist, wenn in einigen Jahren der Wesertunnel in Bremen kommt und sich die Verkehrsströme ändern werden – sehr wahrscheinlich zuungunsten der Fähren?
Nach derzeitigem Stand wird der Wesertunnel im Jahr 2029 in Betrieb gehen. Es ist davon auszugehen, dass es zu Verkehrsverlagerungen zum kostenfreien Wesertunnel kommt und davon auch die Fährstelle Blumenthal-Motzen betroffen sein wird. Vorstellbar könnte dann der Einsatz einer klimaneutralen reinen Personen- und Fahrradfähre sein. Der Fahrzeugverkehr würde sich dann auf die beiden anderen Fährstellen verteilen, die von dieser Verkehrsverlagerung profitieren würden.
Die wievielte Fahrplanänderung ist die frühere Einstellung des täglichen Fährbetriebs zwischen Blumenthal und Motzen überhaupt seit Corona?
Es handelt sich um die dritte wesentliche Fahrplanänderung an der Fährstelle Blumenthal-Motzen nach der Einstellung des Nachtverkehrs und der Reduzierung des Fahrplanangebotes sonnabends und sonntags.
Die Änderung tritt in Kraft, wenn Sie nicht mehr Fährchef sind: Anfang nächsten Jahres. Wissen Sie schon, wer Ihren Posten übernimmt?
Im Dezember 2022 hat der Aufsichtsrat eine Findungskommission einberufen, um eine Nachfolge zum 1. Januar 2024 sicherzustellen. Die Stellenausschreibung hatte bemerkenswerte 67 Bewerbungen zur Folge. Somit konnte die Kommission aus dem Vollen schöpfen. Im Juni hat sie sich einstimmig für einen Bewerber entschieden, der aus seinen bisherigen Beschäftigungen insbesondere in der Schifffahrtsbranche als Geschäftsführer über ein einschlägiges Managementprofil verfügt und darüber hinaus aus der Region kommt. Um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, ist eine Einarbeitung bereits ab dem Anfang November vorgesehen.
Und wann soll der Neue vorgestellt werden?
Ich gehe davon aus, dass die Vorstellung des neuen Geschäftsführers demnächst erfolgt.
Das Interview führte Christian Weth.

Andreas Bettray