Das Foto war in mehreren Medien zu sehen: Ein selbst gebauter Inkubator, in dem ein Teddy liegt – und daneben Frauen und Männer, die Unterschriften übergeben. 9577 Namen. So viele, hieß es später von der Bürgerschaftskanzlei, sind selten. Fast vier Jahre ist es her, dass eine Petition gestartet wurde, damit die Frühchenstation am Nordbremer Klinikum nicht zusammengestrichen wird. Jetzt hat der Ausschuss, der sich mit der Forderung befasst hat, Position bezogen. Genauso wie die Politik.
Jürgen Bachmann weiß seit Donnerstag, was Sache ist. Der Petitionsausschuss hat es ihm geschrieben. Der frühere Kinderarzt und jahrelange Protestler war es, der erst mit anderen eine Initiative gründete, dann Unterschriften sammelte. Bachmann steht auf dem Inkubator-Foto ganz vorn. Er ist es, der die Namensliste aushändigt. Und nun allen Unterzeichnern sagen kann, dass die Petition erfolgreich war. Der Ausschuss unterstützt sie. Und auch die Bürgerschaft macht das. Die Fraktionen haben sich dafür ausgesprochen, dass die Nordbremer Frühchenstation weiterhin alle Kinder behandeln soll, die vor dem errechneten Termin geboren werden – und nicht nur bestimmte.
Die Sorge um die Versorgung hat nicht nur Bachmann und die Initiative beschäftigt. Unterm Strich gab es vier Petitionen zur Frühchenstation des Krankenhauses an der Hammersbecker Straße. Und bei allen kamen die Ausschussmitglieder zum selben Schluss: Dass der Senat jetzt Abhilfe schaffen soll. Was nach Claas Rohmeyers Worten nichts anderes bedeutet, als dafür zu sorgen, dass der städtische Klinikverbund Gesundheit Nord von seinem Plan, einen Teil der Betreuung aus Nord ans Klinikum Mitte abzuziehen, Abstand nimmt. Der Chef des Petitionsausschusses und CDU-Politiker sagt, dass die Landesregierung vier Wochen Zeit hat, auf die Entscheidung des Gremiums zu reagieren.
Der Senat kann Abhilfe schaffen, muss es aber nicht. Dass er es sollte, begründet der Ausschuss fast genauso, wie Bachmann vor Jahren seine Kritik an den Plänen des Krankenhausverbundes begründet hat. Damit, dass die Kapazitäten am Klinikum Mitte nicht ausreichen, um die Versorgung aller sogenannten Level-I- und Level-II-Kinder – Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1500 Gramm – sicherzustellen. Mit der Folge, dass immer wieder Frühchen in Krankenhäusern außerhalb Bremens behandelt werden müssten, wenn an den Kliniken Nord und Links der Weser künftig nur noch Frühchen betreut werden sollen, die mehr als 1500 Gramm wiegen: Level-III-Kinder.
Dass der Petitionsausschuss erst nach Jahren eine Empfehlung abgegeben hat, erklärt Rohmeyer mit der Pandemie und dem Schutz der Menschen, die das Gesundheitsressort organisieren musste. Und damit, dass man ein Gutachten zur Versorgung von Frühgeborenen abwarten wollte. Seit 2021 liegt es vor. Die Autoren schreiben, was häufig zu lesen ist, wenn es ums Bündeln von Leistungen geht: Dass eine Zentralisierung die Behandlungsqualität erhöht und wirtschaftlicher ist. Nach Ansicht der Ausschussmitglieder hat die Expertise jedoch Schwächen. Ihnen zufolge ist nur ein Teil der Frühchen berücksichtigt und eine Analyse der Auslastung von Intensivbetten komplett vergessen worden.
Für den Ausschuss gehört das Nordbremer Krankenhaus mit mehr als 2000 Geburten pro Jahr zu den größten Level-II-Kliniken bundesweit. Die Kapazitäten zurückzufahren, argumentieren die Mitglieder, würde nicht nur eine Lücke reißen, sondern auch das Risiko für Frühchen erhöhen, wenn sie in andere Häuser gebracht werden müssten. Auch darauf hat Bachmanns Initiative immer wieder hingewiesen. Deren Engagement wurde vor Jahren von der Behörde zwar gewürdigt, eine Zusammenlegung der Versorgung aber trotzdem für notwendig erachtet. Anders als heute. Seit 2019, sagt Senatorin Claudia Bernhard (Linke), hat sich die Situation geändert: Die Level-II-Pläne wurden ad acta gelegt.
Ob das so bleibt, ist jedoch fraglich. Die Behördenchefin spricht von der großen Krankenhausreform, die in Deutschland bevorsteht – und mancher Politiker davon, dass der Senat bei seiner Entscheidung, wie er mit der Empfehlung des Petitionsausschusses umgeht, auch das steigende Millionen-Defizit des Klinikverbundes berücksichtigen muss. In den nächsten Monaten werden neue Zahlen erwartet.