Herr Müller, als Sie vor Kurzem als neuer Leiter der Abteilung Nord-West vorgestellt wurden, sagten Sie, die nächste Zeit vor allem zum Netzwerken zu nutzen. Wen haben Sie als Nordbremer denn kennengelernt, den Sie vorher noch nicht kannten?
Jan Müller: Ich habe einige Leute getroffen, die ich erst jetzt zum ersten Mal gesprochen habe. Zum Beispiel die Nordbremer Ortsamtsleiter. Natürlich wusste ich, wie sie heißen, aber zu einem Austausch kam es erst jetzt.
Und wie viel Neues haben die Ortsamtschefs dem gebürtigen Lüssum-Bockhorner, der fast immer im Bremer Norden gewohnt hat, über sein Revier erzählen können?
Neu waren für mich manche Details. Die Themen, die angesprochen wurden, haben mich dagegen nicht überrascht. Das ist, wenn man so will, der Heimvorteil, wenn man als Nordbremer einen Posten im Bremer Norden übernimmt.
Und haben Sie auch schon einen Heimnachteil ausgemacht?
Ja, den gibt es, zumindest theoretisch. Wer immer im Revier unterwegs ist, auch in seiner Freizeit, ist quasi in einer Art Dauereinsatz. Ich kann damit aber umgehen.
Und wie machen Sie das?
Indem ich versuche, nicht ständig und alles aus Sicht eines Leiters der Polizei zu sehen.
Ihr Vorgänger hat kürzlich gesagt, dass die Zahl vieler Delikte in Blumenthal, Burglesum und Vegesack vergleichsweise niedriger ist als in anderen Teilen der Stadt. Für welche Delikte gilt das denn?
Das gilt besonders für die sogenannten Rohheitsdelikte wie Raub und Körperverletzung. Aber auch die Zahl der Betrugsfälle und Fahrraddiebstähle ist niedriger als andernorts.
Und für welche Delikte gilt das nicht?
In der aktuellen Kriminalitätsstatistik der Polizei gibt es eigentlich keine Deliktsgruppe, in der die Zahl der Nordbremer Fälle größer ist als in anderen Gebieten der Stadt.
Das war mal anders. Wie erklären Sie sich die Kehrtwende?
Nehmen wir zum Beispiel die Delikte mit Körperverletzung. In der Innenstadt ist die Zahl der Veranstaltungen nach den Corona-Lockerungen deutlich schneller und höher gestiegen als im Bremer Norden – und damit auch die Zahl der Fälle, in denen Menschen aneinandergeraten sind.
Ihre Statistik ist das eine, die Wahrnehmung vieler Menschen eine andere: Wie erklären Sie es sich, dass die Forderung nach mehr Sicherheit bei der Sanierung des Blumenthaler Zentrums ganz oben steht?
Es hat Untersuchungen gegeben, die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der Zustand des Wohnumfelds die Bewertung der Sicherheitslage beeinflusst. Mit anderen Worten: Gibt es viele Leerstände in Wohn- und Geschäftshäusern wie in Blumenthal, ist das Sicherheitsempfinden weniger ausgeprägt als in Quartieren mit Geschäftsstraßen, die florieren.
Wie steht es eigentlich um die sogenannte Sicherheitspartnerschaft, die immer wieder für den Blumenthaler Ortskern diskutiert wurde?
Eine Sicherheitspartnerschaft gibt es bisher für den Bereich des Hauptbahnhofs und für Gröpelingen. Ob es das gleiche Projekt unter demselben Namen auch für Blumenthal geben wird, ist jedoch fraglich.
Warum?
Weil im Bereich des Hauptbahnhofs und in Gröpelingen die Probleme größer sind als in Blumenthal. Und auch die Bereiche, die im Fokus stehen. In Blumenthal geht es allein um die George-Albrecht-Straße, vor allem um den Müll, der dort herumliegt.
Das sehen Blumenthaler anders: Sie machen auch Probleme in der Mühlenstraße, am Marktplatz und der Fresenbergstraße aus. Und nicht nur mit Müll...
Es soll ja ein Projekt in Blumenthal geben, aber eines, das kleiner ist als beim Hauptbahnhof und in Gröpelingen. Und das deshalb wahrscheinlich auch anders heißen soll.
Und wie?
Darüber ist noch nicht entschieden worden. Aber daran wird es auch nicht scheitern, wir werden das richtige Netzwerk schaffen und in diesem Netzwerk unsere Kompetenz anbieten.
Neue Chefs machen meistens etwas anders als alte. Wie lang ist denn Ihre Liste an Ideen?
Ideen würde ich es weniger nennen, sondern eher Aufgaben. Und bei denen steht ganz oben, dafür zu sorgen, dass die Polizeibeamten im Bremer Norden so schnell vor Ort sind, wie sie es sein sollen.
Sind sie das denn nicht?
Doch. Aber wir müssen uns organisatorisch sehr viel Mühe geben, um dieses Ziel zu erreichen.
In Blumenthal gab es jetzt eine Veranstaltung, auf der mehrere Anwohner gesagt haben, dass die Polizei gar nicht kommt, wenn man sie ruft...
Das höre ich auch aus anderen Stadtteilen immer wieder. Und meistens stellt sich am Ende heraus, dass die Beamten vor Ort waren. Werden wir gerufen – und der Einsatz ist erforderlich –, dann kommen wir auch.
Welche Aufgaben gibt es für Sie denn speziell in Blumenthal abzuarbeiten?
In Blumenthal geht es unter anderem darum, eine endgültige Antwort auf die Frage zu finden, wo denn nun das neue Polizeirevier hinsoll. Das Alte Rathaus gilt dabei momentan als favorisierter Standort. Wir glauben, dass die Nähe zum Zentrum dazu beitragen kann, dass Sicherheitsempfinden deutlich zu erhöhen.
Und wie wollen Sie Vegesack und Burglesum sicherer machen?
In Vegesack haben wir den Drogenhandel am Aumunder Heerweg verstärkt in den Fokus genommen. Und in Burglesum ist es der Bereich des Burger Bahnhofs, um den wir uns gezielter kümmern.
Was haben Sie denn bisher gegen den Crackkonsum in Vegesack getan?
Wir haben uns zunächst mit allen Einrichtungen und Organisationen ausgetauscht, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Crack ist keine Droge wie jede andere. Die etablierten Hilfssysteme funktionieren bei ihr nicht.
Warum nicht?
Weil der Konsumdruck bei Crack zum Beispiel höher ist als bei Heroin. Und weil es wie bei Heroin keine Ersatzdroge gibt, um gegen die Abhängigkeit vorzugehen. Darum haben wir uns mit unseren Partnern neu aufstellen müssen. Momentan sind Beamte häufiger vor Ort, um den Handel zu unterbinden.
Bisher hieß es, dass die Problemlagen im Norden und Westen der Stadt anders gelagert sind, vor allem wegen des öffentlicheren Drogenhandels in Gröpelingen. Hat sich das mit den Vegesacker Crackfällen geändert?
Aus unserer Warte nicht. Der Handel mit Drogen hat in Gröpelingen größere Dimensionen als in Vegesack. Darum unterscheiden sich auch die Problemlagen.
Wann, glauben Sie, dass Crackproblem in Vegesack im Griff zu haben?
Es wäre vermessen, eine Jahreszahl zu nennen. Wir stellen uns darauf ein, dass es uns länger beschäftigen wird.
Und wie sieht es mit einem Datum für den Umzug der Polizei ins neue Kommissariat am Vegesacker Hafen aus?
Das gibt es noch nicht. Ich gehe aber fest davon aus, dass der Neubau 2024 fertig wird, sodass die Einsatzkräfte spätestens 2025 umziehen können. Und zwar nach einem erprobten Plan.
Inwiefern erprobt?
Im nächsten Jahr ist der Umzug ins neue Kommissariat in Gröpelingen. Den nehmen wir quasi als Testlauf für Vegesack.