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Integration in Bremen-Nord Herr Hamlehbar hilft wieder

Erst hat Kourosh Hamlehbar ein Mädchen beim Schulschwimmen betreut, demnächst soll sich der Flüchtling aus dem Iran um zwei Drittklässler kümmern. Inzwischen ist es nicht nur die Behörde, die auf ihn setzt.
06.10.2022, 18:00 Uhr
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Herr Hamlehbar hilft wieder
Von Christian Weth

Kourosh Hamlehbar war mal Sportlehrer im Iran, jetzt ist er ein Glücksfall in Bremen-Nord. Viele nennen ihn so. Zum Beispiel Isabelle Biskup und Katibe Acar. Die beiden Mütter haben Kinder, die nicht beim Schulschwimmen mitmachen sollten, weil sie Krampfanfälle bekommen – und die Behörde niemanden hatte, der Mia Sophie und Selma im Wasser betreuen konnte. Bis sich Hamlehbar meldete. Das eine Mädchen hat er schon beim Unterricht begleitet, das andere wird er ab nächster Woche begleiten. Sie sind inzwischen nicht die Einzigen, um die er sich kümmert.

Hamlehbar hat immer gesagt, dass sich die Behörde bei ihm melden kann, wenn sie ihn braucht. In dieser Woche hat sie das mehrmals getan. Erst fragte sie ihn, ob er nach Mia Sophie auch für Selma da sein könnte – dann, ob er noch die Ausdauer für einen weiteren Drittklässler hätte, der am selben Tag im Becken betreut werden müsste. Hamlehbar, 1,90 Meter, breite Schultern, große Hände, hat sie. Er macht Gymnastik mit Senioren im Altenheim, schult Kinder bei den Schwimmern der Sportgemeinschaft Aumund-Vegesack und trainiert jetzt auch eine Frauenmannschaft. In welcher Sportart und für welchen Verein, kann man auf seinem T-Shirt lesen: Basketball Lesum-Vegesack.

Was dort nicht steht, ist: Er macht quasi alles ehrenamtlich. Hamlehbar sagt, eine Theorie zu haben. Man könnte sie auch sein Lebensmotto nennen: Wenn du dich für jemanden einsetzt, dann wird man sich auch für dich einsetzen. Er hat 45 Jahre im Iran gelebt, jetzt versucht er, aus dem Bremer Norden eine neue Heimat zu machen – mithilfe anderer. Hamlehbar spricht von immer mehr Leuten, die ihm anbieten, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene beim Sport zu betreuen. Von Trainerseminaren, Lizenzen und Aufwandsentschädigungen, die sie für ihn bezahlen. Und von Monika Hoffmann, mit der er alles bespricht, was er nicht gleich versteht.

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Auch an diesem Morgen. Der Sportler und seine Mentorin schauen in ein Buch, das viele Flüchtlinge bekommen, wenn sie nach Deutschland kommen. Erste Schritte, heißt es. Es geht um Jobsuche, Gespräche mit Personalchefs, Unterlagen für die Bewerbung. Hamlehbar sagt, sich zu freuen, dass die Bildungsbehörde ihn als Rettungsschwimmer braucht. Und dass die Zahl der Vereinsfunktionäre zunimmt, die ihn beim Training einsetzen. Er möchte aber auch für sich allein aufkommen können. Er möchte, weil sein Studium als Sportlehrer nicht anerkannt wird, Physiotherapeut werden. Die Arbeitserlaubnis hat er inzwischen, jetzt hofft er, ausgebildet zu werden, um arbeiten zu können.

Seit drei Jahren ist er in Deutschland. Und fast so lange kennt er Hoffmann. Mit ihr bespricht er nicht nur, was werden soll, sondern auch, was mal war. Er hat ihr gesagt, dass er den Iran verlassen musste, weil er mit den religiösen Ansichten der Regierung nicht einverstanden war. Und dass man ihn eingesperrt hätte, wenn er geblieben wäre. Noch vor Monaten brauchten sie manchmal einen Dolmetscher, um genau zu verstehen, was der andere meint – inzwischen genügt der Übersetzer auf dem Smartphone. Und auch der geht immer seltener an. Hamlehbar hat sich, wenn man so will, einem speziellen Sprachtraining unterzogen. Und das hat nichts mit Schulbankdrücken zu tun.

Weil die Kurse für Flüchtlinge wegen Corona immer wieder ausfielen, ging er immer öfter zum Training der Vereine: Fußball, Basketball, Volleyball – Hamlehbar sagt, dass er überall mitgemacht und überall Deutsch gelernt hat. Auch beim Unterricht mit Mia Sophie. Er half ihr, sicherer im Wasser zu werden, sie ihm, Wörter richtig auszusprechen. Hamlehbar zeigt eine SMS, die er vor einiger Zeit von ihrer Mutter bekommen hat. Isabelle Biskup schickte ein Foto, auf dem ihre Tochter eine Schwimmurkunde in den Händen hält. Sie schrieb, dass ohne ihn das nicht möglich geworden wäre.

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