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Kämmerei-Quartier "Verfall und Vandalismus sind enorm"

Sein Förderverein ist seit Kurzem endgültig Geschichte, dennoch setzt sich Detlev Gorn weiter fürs Kämmerei-Quartier ein. Was er beklagt – und wie er die Zukunft des Industriegeländes sieht. Ein Interview.
22.05.2022, 08:00 Uhr
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Von Christian Weth

Herr Gorn, eingestellt hatte er seine Arbeit schon länger, jetzt ist der Förderverein fürs Kämmerei-Museum endgültig Geschichte: Er wurde im Vereinsregister gelöscht. Was bedeutet das für Sie als Ex-Chef?

Detlef Gorn: Das bedeutet für mich vor allem eine große Erleichterung. Auch ehrenamtliche Vereinsarbeit ist nun einmal Arbeit. Und jeder Vorstandsfunktionär weiß, wie viel Zeit die in Anspruch nehmen kann.

Also kein Bedauern, nach dem Sie sich mehr als ein Jahrzehnt lang fürs Kämmerei-Museum eingesetzt haben?

Ganz und gar nicht. Ich setze mich ja weiterhin dafür ein, dass die Geschichte des Industriegeländes präsent bleibt. Nur jetzt eben anders. Und nicht mehr als Vereinschef.

Erklärungen, warum das Museumsprojekt am Ende eingestellt wurde, gab es immer wieder. Woran hat es denn aus Ihrer Sicht gehapert?

Vor allem am Gebäude, in dem das Museum anfänglich seinen Platz hatte. Der Zustand war und ist genauso schlecht, wie der von allen anderen historischen Gebäuden im Kämmerei-Quartier, die sich im städtischen Besitz befinden. Der Verfall und der Vandalismus sind enorm. Das Museum fortzuführen, war in Bremen nicht möglich, weil das Land aus betriebswirtschaftlicher Sicht pleite ist. Und das kann man im Kämmerei-Quartier sehr deutlich sehen.

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Andere Vereinsvorhaben, die Geld gekostet haben, sind trotzdem gelungen. Welche Projekte würden Sie zu Ihren Top drei zählen?

Die Nummer eins ist für mich die historische Dampfspeicherlok, die wir wieder zurück nach Blumenthal geholt und auf dem Gelände ausgestellt haben. Top zwei ist die Restauration des Wahrzeichens der Woll-Kämmerei: die Widderstatue Sir Charles. Und an dritter Stelle kommt die Installation des sogenannten Phone-Guides, der es möglich macht, dass Besucher über jeden historischen Bau etwas erfahren können.

Und auf welchem Platz rangieren die Ausstellungen, die es mehrere Jahre in Folge gab?

Die kommen gleich danach. Ich hoffe ja, dass sie auf einer Kulturetage, die wir seit Jahren fordern, mal gebündelt gezeigt werden. Jetzt gibt es sie ausschließlich in digitaler Form.

Sie sind inzwischen Vegesacker und setzen sich trotzdem weiterhin fürs Blumenthaler Industriegelände ein. Warum?

Weil mir die Gebäude am Herzen liegen. Und weil sie für mich so etwas wie eine persönliche Herausforderung sind: Es geht um Industriehistorie, die – anders als in anderen Städten – nicht so gepflegt wird, wie sie meiner Meinung nach gepflegt werden sollte.

Auch die Vulkan-Werft ist geschichtsträchtig. Was hat das Kämmerei-Quartier, was das Vegesacker Schiffsbaugelände nicht hat?

Es hat nicht diese Gebäude mit ihrer einzigartigen Architektur. Die Ingenieurskunst ist so beeindruckend, dass alle 13 Kämmerei-Gebäude unter Schutz gestellt wurden. So viele Baudenkmäler auf so engem Raum sind äußerst selten. Das macht das Quartier zu einem Ort, der besonders ist. Und darum setze ich mich für ihn auch besonders ein.

Aus Vereinschef Gorn ist mittlerweile Initiativensprecher Gorn geworden. Was ist besser daran?

Dass ich keine Rechenschaftsberichte mehr schreiben, keine Versammlungen mehr einzuberufen und keine Behörde mehr um finanzielle Unterstützung bitten muss. Als Initiativensprecher kann ich freier handeln.

Und von wie vielen Mitstreitern sind Sie inzwischen die Stimme?

So gut wie alle 50 Mitglieder des Fördervereins sind jetzt Mitglieder der Initiative.

Manche sagen, dass Ihr Ton mittlerweile ein anderer ist, vor allem ein kritischerer. Was sagen Sie?

Es kann durchaus sein, dass ich jetzt deutlicher werde als zuvor. Je länger der Verfall der Gebäude andauert, desto weniger kann ich verstehen, dass nichts unternommen wird. Trotzdem bleibe ich immer sachlich. Auch beim Brandbrief an den Bürgermeister habe ich mich an reine Fakten gehalten: Die Bäume, die aus dem Dach des ehemaligen Sortiergebäudes 56 wuchsen, konnte man schließlich sehen.

Auch andere bekamen Post von Ihnen. Sie forderten Politiker auf, dem Quartier endlich einen Namen zu geben und Blumenthaler häufiger an Plänen zu beteiligen. Sind Sie jetzt noch mehr zu einem Anwalt des Geländes geworden als vorher?

Das weiß ich nicht. Was ich allerdings weiß, ist: Dass ich, seit es den Förderverein nicht mehr gibt und darum auch keine Debatten mehr über Zuschüsse des Beirats fürs Kämmerei-Museum, ungezwungener agieren kann als zuvor. Und dass ich Fragen stelle, die sich auch andere stellen. Zum Beispiel, wie es mit dem Gelände weitergeht.

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Wie finden Sie denn den Plan, aus dem Industriestandort einen Bildungsstandort zu machen?

Den finde ich klasse. Ich frage mich nur, warum das Wort, das vor Jahren so häufig benutzt wurde, inzwischen kaum noch verwendet wird: Bildungscampus. Auch auf dem Werbebanner für die erste Berufsschule, die ins Kämmerei-Quartier kommen soll, fehlt es. Das macht nicht nur mich nachdenklich.

Und was halten Sie von dem Konzept, aus der sogenannten Fliegerhalle der Woll-Kämmerei eine Schwimmhalle zu machen?

Davon halte ich genauso viel wie von der Campus-Idee. Nur hätte ich mir wie beim Plan für die Schulen gewünscht, dass der Bau der Schwimmhalle längst weiter wäre oder doch zumindest begonnen hätte. Nicht nur weil mehr Schwimmhallen und Schulen in Bremen gebraucht werden, sondern auch, weil jedes der denkmalgeschützten Gebäude auf dem Gelände, das neu genutzt wird, ein gerettetes Gebäude ist.

Das Interview führte Christian Weth.

Zur Person

Detlef Gorn (71)

war mehr als zehn Jahre lang Vorsitzender des Fördervereins  Kämmerei-Museum Blumenthal, der jetzt aus dem Register gestrichen wurde. Der pensionierte Nachrichteningenieur ist verheiratet, hat zwei Töchter und wohnt in Vegesack.

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