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Bürgerbeteiligung Japanischer Professor auf Quartiersbesuch

Professor Yoshihiko Nawata aus Tokio forscht zu Bürgerbeteiligungssystemen in Deutschland. Worüber er sich in Marßel informierte.
15.03.2023, 17:58 Uhr
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Japanischer Professor auf Quartiersbesuch
Von Julia Assmann

Seit mittlerweile 30 Jahren beschäftigt sich Professor Yoshihiko Nawata von der Hosei Universität in Tokio mit Bürgerbeteiligungssystemen in Deutschland. Im Zuge seiner Forschungen im Bereich Community Policy (Gemeinde- oder Stadtteilpolitik) besucht er regelmäßig verschiedene Städte in Deutschland. Auch in Bremen war er schon etliche Male. Jetzt war er in Marßel zu Gast, um sich über Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort und über das Programm Wohnen in Nachbarschaften (Win) zu informieren. Gastgeberin Katharina Fischer, die als Quartierskoordinatorin in Marßel arbeitet, stellte zunächst im Quartierstreff und dann bei einem Spaziergang durch den Ortsteil Projekte vor, an deren Planung und Umsetzung Bürgerinnen Bürger beteiligt waren und sind, darunter die Gestaltung des Helsingborger Platzes.

Fischer hatte auch ihre Kollegin Maren Voß, Quartierskoordinatorin in Grambke, Ortsamtsleiter Florian Boehlke und Spielraumkoordinatorin Jana Wetzel vom Amt für Soziale Dienste eingeladen. Wetzel ist für die Planung neuer und die Umgestaltung bestehender Spielplätze verantwortlich und organisiert in dem Zuge auch sogenannte Planungspartys, bei denen Kinder und Jugendliche sagen können, wie sie sich den Platz künftig vorstellen und welche Wünsche sie haben. Für die Umsetzung bemüht sie sich darum, finanzielle Mittel aus verschiedenen Töpfen einzuwerben, zum Beispiel Geld aus den Programmen Soziale Stadt und Wohnen in Nachbarschaften (Win) oder Globalmittel aus dem Beirat.

Mit dem System der Beiräte und Ortsämter in Bremen kennt sich Yoshihiko Nawata gut aus. Als er 1993 erstmals im Zuge eines Forschungsstipendiums der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Bremen war, befasste er sich schwerpunktmäßig mit den Stadtteilgremien und forschte zur Gründung der Beiräte. "Zu dieser Zeit ging es mit der Bürgerbeteiligung in Tenever los. Damals haben wir uns kennengelernt", erzählte Joachim Barloschky, ehemaliger Quartiersmanager in Tenever, der Nawata bei seinem Besuch in Marßel begleitete. "In Tenever waren wir bestimmt 100 Mal zusammen, aber die Quartiere in Bremen-Nord haben wir noch nicht so häufig besucht", sagte er.

Die Form der Bürgerbeteiligung in Japan läuft anders als in Deutschland, berichtete der Professor. "Bei uns gibt es die Chonaikai, das sind Vereine, die die Stadtteilbewohner gegenüber der Verwaltung vertreten", erläuterte Nawata. "Obwohl der Vorstand nicht offiziell gewählt wird, hält die Verwaltung ihn für repräsentativ. Er soll zwar die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger, auch von Kindern und Jugendlichen sammeln, aber oft ist es so, dass der Vorstand nur nach seiner eigenen Meinung handelt." Der politische Fokus in Japan liege auf der Selbstorganisation der Bürger. "Die Verwaltung erwartet, dass die Bürger Projekte selbst organisieren und durchführen." An Schulen gebe es zwar auch Klassensprecher und einen Schülerrat. Darüber hinaus existiere in Japan jedoch kaum Jugendbeteiligung, so der 69-Jährige.

Das sieht in Bremen ganz anders aus, erläuterte Katharina Fischer. Florian Boehlke berichtete vom Kinder- und Jugendbeirat, der in Burglesum bereits seit zehn Jahren existiert und vom Stadtteilbeirat alljährlich ein eigenes Budget in Höhe von 10.000 Euro bekommt. "Seit etwa zwei Jahren bekommt der Kinder- und Jugendbeirat zusätzlich Geld von der Senatskanzlei, etwa 5000 Euro. Über ihr Budget können die Kinder und Jugendlichen selbst entscheiden", erfuhr der Professor. Ein Problem bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sei die häufig lange Zeitspanne von einer Idee bis zur Umsetzung, so Katharina Fischer. "Wenn es um ein Projekt an ihrer Schule geht, bekommen sie es womöglich gar nicht mehr mit, wenn es irgendwann realisiert wird. Es ist schwierig, aber wichtig, ihnen das zu vermitteln, damit sie nicht enttäuscht sind und das Gefühl bekommen, ihre Beteiligung bringt nichts."

Ein Projekt, bei dem es ausnahmsweise mal ganz anders, nämlich viel schneller ging, lernte Nawata an der Grundschule Landskronastraße kennen. Dort wurde im vergangenen Jahr ein Baumhaus eingeweiht. Von der Idee bis zur Fertigstellung dauerte es nur ein halbes Jahr, berichtete Schulleiterin Andrea Addicks-Friedrich. "Wir haben seit einem Jahr einen Schülerrat, in dem alle Klassensprecherinnen und Klassensprecher vertreten sind", erzählte sie. Die Kinder sammelten Ideen für die Gestaltung des Schulhofs. Unter den Vorschlägen der Mädchen und Jungen war auch ein Baumhaus. "Drei Viertel der Kinder waren dafür." Nachdem sie Zeichnungen gemacht hatten, bemühte sich die Schulleitung darum, eine Firma zu finden, die entsprechende Baumhäuser baut. "Auch die Finanzierung klappte erstaunlich schnell. Die Behörde beteiligte sich und wir haben Win-Gelder bekommen." Schließlich trugen auch die Kinder und Eltern bei, indem sie Geld bei einem Spendenlauf sammelten. Ein gelungenes Projekt, wie auch Professor Yoshihiko Nawata bescheinigte.

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