Die Straße liegt in einem unwirtlichen Gelände. Bis vor rund zwei Jahren war ihr Name nur unmittelbaren Anrainern bekannt. Inzwischen aber sorgt die Reitbrake in Oslebshausen bundesweit für Schlagzeilen und ganzseitige Berichte auch in überregionalen Zeitungen. Grund: Dort, auf dem sogenannten Russenfriedhof, wo massenhaft Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter verscharrt wurden, soll eine Bahnwerkstatt entstehen. Während des jüngsten Bürgerschnacks im Begegnungszentrum an der Grönlandstraße in Grambke begründete der Sprecher des Bremer Friedensforums, Ekkehard Lentz, weshalb dieser Plan auf massive Proteste stößt.
An der Reitbrake will die französische Firma Astom mitten zwischen Gleisanlagen eine Werkstatt für Bahnfahrzeuge errichten. Dort, wo die Nazis zwischen 1941 und 1945 vor allem sowjetische Zwangsarbeiter ohne Sarg beerdigten. Das ergaben erste Exhumierungen im Jahre 1948. Danach wurden insgesamt 446 Leichen geborgen und auf dem Osterholzer Friedhof erneut bestattet. Er soll denn auch weiterhin als zentrale Kriegsgräberstätte fungieren. Die Pflege der Gräber dort lässt nach den Worten von Ekkehard Lentz indes zu wünschen übrig.
Viele Leichen blieben allerdings in dem mit Kriegsschutt bedeckten Erdreich an der Reitbrake liegen und gerieten weitgehend in Vergessenheit. Vor gut 16 Monaten startete die Landesarchäologin Uta Halle mit ihrem Team eine erneute Suchaktion. Dabei wurden 65 vollständige Skelette und 203 Erkennungsmarken gefunden, darunter auch von Soldaten aus der Ukraine und Weißrussland, die zur Roten Armee der damaligen Sowjetunion gehörten. Nun aber soll die Suche beendet und alle gefundenen Skelette und Knochen ebenfalls auf dem Osterholzer Friedhof erneut bestattet werden.
Suche nach Vermissten fortsetzen
Gleichwohl lehnen das Bremer Friedensforum und die Bürgerinitiative Oslebshausen und Umzu die Errichtung einer Bahnwerkstatt auf dem „Russenfriedhof“ weiterhin ab. Nach ihrer Ansicht muss die Suche nach mehr als 300 weiteren vermissten Leichnamen auf der insgesamt 20.000 Quadratmeter großen Fläche fortgesetzt werden, wie Lenz beim Bürgerschnack forderte. Friedensforum und Bürgerinitiative verlangen zudem die Errichtung einer Mahn- und Gedenkstätte mit Informationszentrum auf dem „Russenfriedhof“ an der Reitbrake. Und eine „Freihaltung“ der Nachbarschaft von allen Anlagen und Gebäuden, die mit der Würde der Stätte nicht vereinbar seien.
Auch der Historiker und wissenschaftliche Berater des Bremer Friedensforums, Gerhard Schäfer, sprach sich bei dem von Beiratsmitglieder Rainer Tegtmeier (Linke) moderierten Bürgerschnack dafür aus, die Kriegsgräberstätte in Oslebshausen als Gedenkstätte zu erhalten, was auch dem Völkerrecht entsprechen würde.
Zu demselben Ergebnis kommt eine vom Bremer Friedensforum beim Franz von Liszt Institut der Justus Liebig Universität Giessen in Auftrag gegebene Studie. Danach verliert eine Kriegsgräberstätte auch dann nicht ihren Status, wenn keine sterblichen Überreste mehr aufzufinden sind. Darüber hinaus stellt das Institut fest: „Aus vielerlei Gründen ist die Einrichtung einer Bahnwerkstatt neben beziehungsweise auf dem Areal einer Kriegsgräberstätte nicht mit der in den Genfer Abkommen und den Zusatzprotokollen vorgesehenen Schutzbestimmungen vereinbar.“
Die Bürgerinitiative Oslebshausen hat nach den Worten von Ekkehard Lenz 450 Unterschriften für eine Petition an die Bremische Bürgerschaft gesammelt, damit sie sich ebenfalls gegen den Bau einer Bahnwerkstatt an der Reitbrake ausspricht. Als Alternative zu diesem umstrittenen Standort schlug Rainer Tegtmeier während der Diskussion die Verwirklichung des Astom-Projekts in der sogenannten Oldenburger Kurve der Gleisanlagen vor. Dort in Findorff, sei genügend Platz für ein solches Vorhaben.