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Nach Kürzungen beim Jobcenter Aus für Bremens Saubermacher

Die Gröpelinger Recyclinginitiative muss ihren Quartier-Service, der für Sauberkeit in den Stadtteilen sorgt, auflösen. Das sind die Gründe.
19.01.2025, 05:48 Uhr
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Aus für Bremens Saubermacher
Von Christian Hasemann

In vielen Stadtteilen sind sie ein gewohntes Bild: Männer und Frauen in orangefarbener Arbeitskleidung, ausgerüstet mit Besen und Kehrblech, die Straßen, Spielplätze und Wege fegen und aufräumen. Auf ihren Rücken prangt unübersehbar die Aufschrift "Quartier-Service Bremen". Nun ist Schluss mit diesem zusätzlichen Service für mehr Sauberkeit in den Stadtteilen.

Bedrückendes Schweigen herrschte in der jüngsten Sitzung des Hemelinger Beirats, nachdem Träger sozialer Einrichtungen und Projekte über die derzeitige Situation berichtet hatten. Denn nach den Schilderungen war klar: Das gewohnte soziale Netz in Hemelingen und darüber hinaus wird Löcher bekommen.

Kürzungen beim Jobcenter

Grund dafür sind die Kürzungen beim Jobcenter und bei europäischen Fördertöpfen zur Eingliederung von Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen. Einige inzwischen etablierte Projekte in Hemelingen sind nur durch den Einsatz von sogenannten AGH-Kräften (Arbeitsgelegenheiten, früher: Ein-Euro-Job) und Menschen, die über andere Förderungen eine Beschäftigung finden, möglich.

Das trifft zum einen auf die Aufsuchende Altenarbeit in Hemelingen zu, die ihr Angebot wegen der Kürzungen beim Jobcenter einschränken muss, wie Leiterin Gaby Dönselmann im Beirat emotional mitteilen musste. Es trifft aber auch das Familienzentrum Mobile in Hemelingen mit seiner Kinderbetreuung für Menschen, die sich für den Arbeitsmarkt qualifizieren sollen, das Sozialkaufhaus Hemelingen in der Bahnhofstraße sowie die Begegnungsstätten für Senioren und eben auch den Quartier-Service.

"Uns wurde die Zusätzlichkeit aberkannt und wir konnten damit keine Gelder mehr für den Quartier-Service beantragen", sagte Michael Vespermann, Geschäftsführer beim Träger Gröpelinger Recyclinginitiative. "Der Quartier-Service ist aufgelöst", wandte er sich an die konsternierten Beiratsmitglieder. Jetzt gehe es darum, die Recycling-Werkstatt und das Sozialkaufhaus zu erhalten.

Um Gelder vom Jobcenter zu bekommen, müssen AGH-Stellen bestimmte Bedingungen erfüllen: Sie dürfen unter anderem nicht in Konkurrenz zur regulären Wirtschaft stehen und sie müssen einen zusätzlichen Dienst erbringen, den es sonst nicht geben würde. Das sieht das Jobcenter Bremen nun beim Quartier-Service offenbar nicht mehr als gegeben. Ob dahinter strengere Bedingungen zur Vergabe der knapperen Mittel stehen, blieb an diesem Abend offen.

Weitere Angebote betroffen

Die Jobcenter finanzieren sich aus Bundesmitteln. Die Mittel für die Jobcenter wurden allerdings auf Betreiben von Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) im vergangenen Jahr gekürzt. Insgesamt kam und kommt es dadurch zu einem einschneidenden Rückgang bei den Arbeitsgelegenheiten in Bremen. Von ehemals über 600 Stellen verbleiben nach Vespermanns Angaben künftig noch 500.

Andreas Kaireit, Sprecher der Vadib (Vereinigung der arbeitsmarktpolitischen Dienstleister) machte deutlich: "Es werden Angebote in den Stadtteilen wegfallen und eingeschränkt." Die Auswirkungen werden in den Quartieren nach seinen Worten langfristige Folgen haben. "Wenn diese Strukturen erst einmal weg sind, sind sie nicht mehr herstellbar. Weg ist weg." Es brauche nun rasch Lösungen, denn weitere Maßnahmen liefen im Sommer aus.

Die Reaktionen auf die Nachricht reichten von "Ich bin erschüttert", Kerstin Biegemann (Grüne), bis zu "Einfach nur erschreckend", Christian Kornek (CDU). Sebastian Springer (Linke) sagte: "Ich bin schockiert, was für soziale Folgen auf Hemelingen zukommen."

Retten, was zu retten ist

Auch im Sozialressort geht es offenbar nur noch um Schadensbegrenzung, denn die gekürzten Mittel der bundesfinanzierten Jobcenter kann Bremen mit seinen Haushaltsmitteln nicht ersetzen. "Es geht jetzt darum, wie man Grundstrukturen retten kann", beschrieb Steffen Nadrowski, Referatsleiter im Sozialressort, den aktuellen Krisenmodus in der Verwaltung und bei den Trägern. "Wenn soziale Infrastrukturen verloren gehen, die die Träger über Jahre aufgebaut haben, dann geht etwas Essenzielles verloren."

Die Aufgabe sei, nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten auf Bundes- und europäischer Ebene zu schauen. Projekte könnten demnach über Integrationsmittel oder Mittel für die Inklusion behinderter Menschen finanziert werden – wenn sie so umstrukturiert werden, dass sie den Bedingungen der Förderung entsprechen.

Gleichzeitig gehe es darum, Projekte und Träger krisenfester aufzustellen. Das Problem: Die Kürzungen beim Jobcenter trafen mit dem Auslaufen eines Förderprogramms der EU zusammen. Viele Träger und Projekte haben sich allerdings genau auf diese beiden Töpfe verlassen. "Ich denke, jetzt ist die Zeit aus der Krise heraus, sich neu aufzustellen", sagte Nadrowski. Sprich: Es geht darum, die Scherben aufzufegen. In den Quartieren müssen das künftig wohl vermehrt die Anwohner machen, denn die Saubermänner vom Quartier-Service machen es nicht mehr.

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