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Beratung für Erwerbslose Finanzierungslücke: Was das Aus der Bremer Agab bedeuten würde

Die Agab in Bremen steht vor Schwierigkeiten. Die bisherige Finanzierung ist nahezu aufgebraucht. Was der Wegfall der Anlaufstelle für erwerbslose und finanziell benachteiligte Bürger bedeuten würde.
28.04.2025, 05:00 Uhr
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Von Christa Neckermann
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Christine Bretschneider leitet im Bürger- und Sozialzentrum Huchting die Beratungsstelle Süd des Vereins Arbeitsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger (Agab). Jeden Tag sitzt sie hier Menschen gegenüber, die entweder bereits erwerbslos sind, von Erwerbslosigkeit bedroht sind oder deren Einkommen nicht ausreicht, den Lebensunterhalt zu decken. „Zu uns kommen Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen und aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen“, sagt sie.

Welche Aufgaben hat die Agab?

Der Verein besteht seit 1976 und leistet seit fast 50 Jahren eine Arbeit, die laut Bretschneider von hoher fachlicher Qualität und langjähriger Erfahrung profitiert. In Huchting bietet die Agab seit 2003 eine offene Sozialrechtsberatung an, die allen Bürgerinnen und Bürgern offensteht.

„Wir beraten zu Ämterzuständigkeiten, Leistungen der Agentur für Arbeit und des Jobcenters und zu finanziellen Absicherungen in Umbruchsituationen“, zählt Bretschneider auf. Zusätzlich dazu erhalten die Ratsuchenden Hilfestellungen bei Fragen zu Wohngeld, Elterngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag sowie Sozialhilfe und Grundsicherung.

„Zunächst einmal informieren wir die Ratsuchenden über ihre Rechte und Pflichten, geben aber auch Entscheidungshilfen und entwickeln gemeinsam Handlungsstrategien“, so Bretschneider. Viele Hilfesuchende benötigten darüber hinaus Unterstützung bei Konflikten mit Ämtern, der Durchsetzung von Rechtsansprüchen oder haben mit bürokratischen Hindernissen, nicht zuletzt dem berüchtigten „Beamtendeutsch“, zu kämpfen.

Warum ist die Arbeit der Agab jetzt gefährdet?

Die Agab leidet unter akuter Finanznot. Bisher wurde der Verein durch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert, doch der ist knapp drei Jahre vor Ende der Periode 2027 weitgehend aufgebraucht. Der Grund für die Mittelknappheit reicht in die Corona-Zeit zurück: Als Gewerbebetriebe wegen der Pandemie ihr Lehrstellenangebot stark einschränkten, rief der Senat außerbetriebliche Ausbildungsverbünde ins Leben. So wurde Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt eine Berufsausbildung möglich. Das Geld dafür stammte aus dem ESF-Topf, der sich so schneller leerte als geplant.

Wie will Bremen die Finanzierungslücke bei Sozialprojekten vorübergehend schließen?

Viele Sozialprojekte in Bremen und Bremerhaven waren nur bis Ende Juni finanziell abgesichert, können aber zunächst bis Jahresende weitergeführt werden. Möglich wird das durch die Pläne des Bremer Senats, die Lücke der fehlenden rund 19 Millionen Euro für dieses Jahr zu schließen. Demnach sollen 12,5 Millionen Euro EU-Gelder, die sogenannten Efre-Mittel (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), im laufenden Jahr umgeschichtet und der Restbetrag aus anderen Haushaltsbudgets generiert werden. Allerdings wurde mit der jetzt gefundenen Lösung nur Zeit bis zum Jahresende gewonnen. Denn ab dem kommenden Jahr müssen neue Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden.

Wer berät Ratsuchende in Bremen?

„In Bremen gibt es nicht wie in anderen Bundesländern eine Beratungshilfe, die für Menschen mit geringem Einkommen eine kostenfreie Beratung bei Juristen ermöglicht“, erläutert Christine Bretschneider. „Die öffentliche Rechtsberatung muss in Bremen durch die Stadt zur Verfügung gestellt werden.“

Neben der Agab gibt es weitere Beratungsstellen. So bieten etwa der Verein Solidarische Hilfe, die Arbeitnehmerkammer, der Anwaltsverein und der Verein Arbeits- und Lernzentrum (ALZ) Bremerhaven Ratsuchenden kostenlos Hilfe an.

Welche Folgen hätte der Wegfall des Agab-Angebotes?

„Durch den Wegfall des Angebotes der Agab hätten viele Menschen keinen Zugang mehr zu sozialrechtlicher Beratung durch Juristen und Juristinnen und würden in existenziellen Notlagen allein dastehen“, befürchtet Bretschneider. An den drei Beratungsstellen der Agab in Bremen – der Beratungsstelle West in der Grenzstraßen, der Beratungsstelle Süd in der Amersfoorter Straße und der Beratungsstelle Ost in der Sankt-Gotthard-Straße – würden jährlich etwa 4500 Beratungen stattfinden, so Bretschneider weiter. „Für viele sind wir der letzte Ansprechpartner, bevor der Strom abgestellt wird oder die Leistungen des Jobcenters, der Arbeitsagentur oder der Krankenkasse nicht gezahlt werden.“ Es seien die kostenintensiven Notlagen mit den hohen Folgekosten für die Stadt, wie etwa Wohnungslosigkeit oder fehlende Krankenversicherung, die mithilfe der Agab verhindert würden, so Bretschneider weiter.

Doch die Arbeit des Vereins entlaste nicht nur die Ratsuchenden. Durch die Aufbereitung und Klärung der Sachverhalte würden auch die Behörden entlastet. Zudem übernehme die Agab eine vermittelnde Funktion zwischen Mitbürgern und den zuständigen Stellen. „Zu guter Letzt sind wir bei komplexen sozialrechtlichen Fragen auch Anlaufstelle für andere Träger, denen wir darüber hinaus kostenlose Fortbildungen für Träger und Teilnehmende anbieten“, hebt Bretschneider hervor.

Ein kompletter Wegfall der Förderung hätte zur Folge, dass der Trägerverein nach fast 50 Jahren nicht mehr existieren und eine Säule in der Bremer Beratungslandschaft wegbrechen würde. „Dieser Kahlschlag in der sozialen Beratungslandschaft wäre ein irreparabler Fehler mit unabsehbaren Folgen für das soziale Gefüge im Land Bremen“, gibt Bretschneider zu bedenken.

Info

Mehr Informationen zum Verein Agab gibt es unter www.agab.de im Internet. Der Beirat Huchting berät über die Zukunft der Agab bei seiner Sitzung am Montag, 28. April, ab 19 Uhr im Saal des Bürger- und Sozialzentrums, Amersfoorter Straße 8.

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