Wenn ein Gipfel dafür da ist, Kompromisse zu schließen und Lösungen zu finden, ist das in diesem Fall in zwei wesentlichen Punkten nicht gelungen: Weder zum geplanten Rückbau der Martinistraße noch zur Umgestaltung der Domsheide gab es beim zweiten Bremer Innenstadt-Gipfel am Freitagabend eine Annäherung. Auf der einen Seite stand Bau- und Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) mit ihren Vorstellungen, auf der anderen fast der gesamte Rest der Gipfel-Teilnehmer.
Einigkeit herrschte dagegen bei dem Ziel, die City zu einem Wissenschaftsstandort zu machen. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sprach von 5000, 6000 oder 8000 Studierenden. Er hält den Plan für eine „historischen Chance“ und warb dafür, nicht zu klein zu denken. Mit der Zahl der Studierenden müsse eine kritische Masse erreicht werden, es gehe um eine Frage von strategischer Bedeutung. Als Ort für den Ableger der Universität wird das ehemalige Sparkassengelände gehandelt. Die neuen Pläne für das Areal am Brill sehen ausdrücklich einen Campus vor.
Beim ersten Innenstadt-Gipfel im Juli war ein Aktionsprogramm zur Belebung der City verabredet worden. Der Senat hatte 13,2 Millionen Euro bereitgestellt. Viele Projekte wurden aber ausgebremst, weil wegen der Corona-Pandemie der Lockdown kam. So richtig Bilanz ziehen konnten die Senatsvertreter, Fraktionen, Investoren, Kammern und Kulturschaffenden deshalb nicht.
Ein Beispiel wurde aber doch genannt, etwas, was keinen Erfolg hatte: "Das mit den Piktogrammen ist nicht gut gelaufen", gab Schaefer zu, "man soll ja auch Fehler eingestehen." Die aufs Pflaster gesprühten Hinweise für Wege in die Innenstadt hatten in vielen Fällen nicht lange gehalten. Ein echter und teurer Flop: Die Aktion hatte knapp 50.000 Euro gekostet.
Anderes im Aktionsprogramm wurde angeschoben. Darunter der Rückbau der Martinistraße, allerdings auf eine Weise, wie sie vielen nicht gefällt. „Wir brauchen keine einjährige Testphase, sondern sollten sofort mit dem eigentlichen Rückbau auf nur noch zwei Fahrspuren beginnen“, forderte Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. Die Wirtschaft habe sich in dieser Frage stark bewegt und sei auch für Tempo 30, bessere Querungen und das Verbot für Lkw-Verkehr. Die vorgeschalteten Verkehrsversuche lehne sie aber ab. Ähnlich hatten sich bereits vor dem Gipfel die Spitzen von SPD und Linken geäußert. Das Aktionsbündnis Innenstadt, in dem die Investoren, Kammern und Gewerkschaften sitzen, ist ebenfalls dagegen.
Schaefer lässt sich davon offenbar nicht beeindrucken: „Wir halten an der Testphase fest“, betonte sie. Es handele sich bei dem Projekt um mehr als nur die Verkehrsversuche; die eingeplanten 1,3 Millionen Euro würden vor allem dafür ausgegeben, die Straße mit Kultur und Events zu bespielen. Beginnen soll die einjährige Phase im August, geplant sind Bühnen, Aussichtstürme, eine Art Stadtgarten, Skaterparks, Außengastronomie und Lichtkunst, außerdem verschiedene Märkte und eine groß angelegte Surfwelle. Für den Wasserspaß wird die Martinistraße auf Höhe der Pieperstraße zehn Tage lang komplett gesperrt. Vorgesehen ist auch, die Verbindung auf einem Teilstück und für begrenzte Zeit zur Einbahnstraße zu machen.
So umstritten dieses Vorhaben ist, so kontrovers wird auch der Schaefer-Plan für die Domsheide diskutiert. Die Senatorin will die Straßenbahnen gebündelt vor dem Konzerthaus Glocke halten lassen. Ihre Koalitionspartner sprechen sich für andere Lösungen aus, verbunden mit der Verlegung der Straßenbahn von der Obern- in die Martinistraße. Nun soll Schaefer den gesamten Komplex nach zwei Jahren Planung ein weiteres Mal prüfen. Darauf hatten sich vor dem Gipfel alle Beteiligten geeinigt. Neu war während der virtuellen Zusammenkunft, dass auch das Aktionsbündnis Innenstadt die Experten befragen und ein Gutachten erstellen lassen will - nicht gerade ein Vertrauensbeweis für die Senatorin.
Die Teilnehmer des Gipfels verständigten sich zum Schluss auf ein Papier mit Eckpunkten zur Innenstadtentwicklung. Vorher war mehrfach betont worden, dass sie sich zu 80 Prozent einig seien. Worüber gestritten wird, findet Erwähnung, aber neutral. Ein Projekt, der geplante Wissenschaftsstandort auf dem Sparkassengelände, wurde in dem Papier vom Spiegelstrich kurzerhand zu einem eigenen Kapitel emporgehoben.
„Das waren richtig gute Diskussionen„, sagte Bürgermeister Bovenschulte am Sonnabend. In Zukunft wolle er die Innenstadtdebatte aber auf eine breitere Basis stellen und beim nächsten Gipfel auch Studierende, Bildungseinrichtungen und noch mehr Kulturschaffende beteiligen. “Mein Eindruck ist, dass das von den bisherigen Gipfel-Teilnehmern breit mitgetragen wird.“