Mit zahlreichen Vorwürfen ihres Arbeitgebers sieht sich der Gesamtbetriebsrat der Senioren Wohnpark-Weser GmbH konfrontiert. Das Unternehmen aus Weyhe betreibt unter dem Namen Residenz-Gruppe in ganz Nordwestdeutschland 40 Pflegeheime, unter anderem an sechs Standorten in Bremen mit insgesamt über 400 Pflegeplätzen. Der Gesamtbetriebsrat vertritt rund 2500 Mitarbeiter.
Gegenüber allen vier Gesamtbetriebsratsangehörigen wird derzeit die Kündigung betrieben. Das Unternehmen hat dazu eine sogenannte Zustimmungsersetzung beim Arbeitsgericht beantragt, weil der Betriebsrat seine Zustimmung zu den Kündigungen verweigert. Ein erster Gütetermin für eine Einigung ohne Gerichtsverfahren in der vorigen Woche am Bremer Arbeitsgericht endete mit der Festsetzung eines Prozesstermins am 27. April für die Betriebsratsvorsitzende. Weitere Verfahren für die übrigen Betriebsräte werden im März vor dem Arbeitsgericht Osnabrück eröffnet.
Am Tag nach dem gescheiterten Gütetermin hat die Senioren Wohnpark-Weser GmbH den betroffenen Mitarbeiterinnen Hausverbot erteilt und angekündigt, ab April keine Gehälter mehr zu bezahlen. Auch die Teilnahme an Betriebsratssitzungen wurde untersagt. Das Unternehmen rechtfertigt diesen Schritt mit dem Verdacht auf „herabsetzende Äußerungen und unwahre Tatsachenbehauptungen über uns gegenüber Dritten“, wie es auf Anfrage des WESER-KURIER mitteilt.
Vorwurf der Zermürbungstaktik
„Ein solches Verhalten auf Arbeitgeberseite habe ich in 45 Jahren als Arbeitsrechtler nicht erlebt“, sagt der Bremer Rechtsanwalt Michael Nacken, der die Betriebsratsvorsitzende vertritt und dem Unternehmen Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz vorwirft. Wie auch Kerstin Bringmann von der Gewerkschaft Verdi sieht er eine Zermürbungstaktik, um die Betriebsräte loszuwerden. „Es geht dem Arbeitgeber offenbar darum, ein Zeichen zu setzen, um alle, die sich engagieren und für ihre Interessen eintreten, zum Schweigen zu bringen“, sagt Bringmann. Genau dies wertet die Senioren Wohnpark-Weser GmbH allerdings als die „herabsetzende Äußerung“, mit der sie nun die geplanten Kündigungen rechtfertigt.
Aus Gewerkschaftssicht berührt der Vorgang die Grundsatzfrage der Mitbestimmung, sodass zahlreiche Solidaritätsbekundungen für die betroffenen Betriebsräte veröffentlicht wurden, unter anderem von der IG Metall und der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft. In der vergangenen Woche hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) mit den betroffenen Betriebsräten gesprochen und kommentiert, er sei entsetzt über das Vorgehen des Arbeitgebers.
Verdacht auf Falschaussage
Juristisch beurteilt Nacken die Chancen der Senioren Wohnpark-Weser GmbH als aussichtslos, den Betriebsrat und die Betriebsräte zu kündigen. Entzündet hat sich der Konflikt unter anderem am Plan des Unternehmens, die Software Citrix einzuführen. Weil diese grundsätzlich geeignet ist, die Arbeitnehmer zu überwachen, hielt der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung für notwendig. Das Unternehmen war der Ansicht, dass der Gebrauch von Citrix bereits in einer vorhandenen Vereinbarung geregelt ist und verweigerte Verhandlungen.
Darum haben die Arbeitnehmervertreter beim Arbeitsgericht Bremen eine Einigungsstelle beantragt. Mit einem neutralen Vorsitzenden – zumeist ein Arbeitsrichter – spielt sie die Rolle eines innerbetrieblichen Schlichters. Die Geschäftsführung der Senioren Wohnpark-Weser GmbH hat gegen eine solche Einigungsstelle geklagt, hat aber durch alle Instanzen bis zum Landesarbeitsgericht Bremen verloren.
Aussagen der Betriebsräte in diesem Verfahren sind nun der Anlass für das Kündigungsvorhaben. Sebastian Hollatz, Geschäftsführer der Senioren Wohnpark-Weser GmbH spricht in einer Stellungnahme von „möglicherweise unwahren Behauptungen über Betriebsratskollegen“ die vor Gericht mit Urkunden belegt worden seien, „deren Herkunft und Tatsachengehalt wir für mehr als zweifelhaft halten". Dies sei ein „massiver Vertrauensbruch“.
Zugleich betreibt das Unternehmen die Auflösung des Betriebsrates-Nord, der die Belegschaft von 22 der insgesamt 40 Pflegeheime vertritt. Hollatz begründet diesen Schritt mit „groben Pflichtverletzungen“ des Gremiums, unter anderem weil der Betriebsrat „es unterlässt, eine Erklärung abzugeben, aus einer Gerichtsentscheidung keine Rechte mehr herzuleiten zu wollen.“ Diese Erklärung wird vom Arbeitgeber gefordert, weil die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts pro Einigungsstelle auf „möglicherweise wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Gericht“ beruht.