"Que picante", ruft André Scheulenburg plötzlich in Richtung der Köche, die bei ihm zu Hause hinter seiner offenen Küche postiert stehen. Zuvor hat ihr Chef ein Stück vom Lava Flow probiert und ist von der Schärfe der Sushi Roll nun wohl so überrascht, dass er die Hände in die Luft schlägt und einen großen Schluck trinken muss.
Eine bemerkenswerte Szene. Erstens, weil die Wucht der aus geflammtem Lachs, scharfem Thunfisch-Tatar, Avocado, Sriracha, gelber Chili und Rocoto Chili Sauce zubereiteten Sushi Roll eigentlich angekündigt war. Zweitens, weil das Schärfespiel von Sushi und Chili auf eindrückliche Weise zeigt, wie diese neue Nikkei-Küche zu greifen ist: als kulinarische Verschmelzung der technisch wie geschmacklich feinen Küche Japans mit der bunten und intensiven Perus.
Unsere drei Sushi-Platten, die der Pizarro-Freund als Hommage für dessen Hilfe vor der Eröffnung nach seinem peruanischen Rufnamen „Bombardero des los Andes No. 14“ (32,00) benannte, bilden die Fusion Kitchen auf wunderbare Weise ab. „Auf der einen Seite die Leichtigkeit des Nigiris, auf der anderen die beiden Rolls, die sich in ihrer Intensität steigern“, übersetzt der 46-Jährige seinen Koch Juan. Deshalb bezeichnet er den Starter auch als „marca de la casa“.
Wohl wahr. Mit dem Lava Flow, dem zuvor probierten flambierten Lachs sowie den Tuna Nigiri haben Juan und Sushi-Chef Greg, der seine Ausbildung bei Steffen Hensslers Lehrmeister Toshi Sugiura in Kalifornien absolviert hat, ein Markenzeichen gesetzt.
„Grandios, unheimlich frisch und leicht im Geschmack“
Probiert und empfohlen: Es geht mit dem wohl bekanntesten Klassiker Perus weiter: Ceviche – kubisch geschnittener Frischfisch, der, zuvor mariniert, in einer „Leche de Tigre“ genannten Sauce serviert wird. Jene beschreibt Koch Juan als Nebenprodukt der aus Limettensaft, Zwiebeln und Kräutern bestehenden Fischmarinade – und fügt hinzu: „Immer begleitet von Chili.“ So auch bei unserem Ceviche Fujimori (18,50). Hier bildet eine aus gelben Chili kreierte „Leche di Tigre“-Sauce das Meer, in dem die zuvor über 24 Stunden marinierten Filetstücke vom Rotbarsch verteilt liegen. Darüber gerösteter und gegarter Mais, rote Zwiebeln, panierte Fischfiletstücke sowie Yuca genannte Maniok-Pommes.
„Grandios, unheimlich frisch und leicht im Geschmack“, ist der Chef selbst höchst zufrieden. Eine Sache stört ihn jedoch. „Normalerweise wird es schön präsentiert, to go verliert es aber an Glanz und ist des Takeaways zu würdig“. Das stimmt leider. Doch der sublime Geschmack des säuerlich-frischen Leche di Tigres trumpft überall auf.
„Gängige Produkte, die in ihrer Kombination etwas Neues darstellen“, beschreibt der gebürtige Venezolaner unser letztes Gericht, das als Rinderfiletstreifen vom Wok (16,50) angeboten wird, eigentlich aber Lomo Saltado heißt und die Nationalspeise Perus ist. Auf einem New-York-Trip bin ich hierfür einst durch die halbe Stadt gefahren – und bin nun glücklich, dass es Lomo Saltado endlich auch in Bremen gibt. Ja, es ist ein Gericht, dessen Zutaten gängig sind. Deshalb muss es unglaubwürdig klingen, hier Genialität erkennen zu wollen.
Aber genau das tue ich angesichts dieser dreifach perfekten Vorführung von dem, was von einer Küche generell zu erwarten ist: Kartoffeln, Tomaten und rote Zwiebeln formvollendet zu servieren. Über dem, was stets gehofft wird: Fleisch wie dieses saftige Rinderfilet im besten Garpunkt zu erwischen. Bis hin zu dem, was in der Regel nicht zu hoffen gewagt wird: ins Staunen versetzt zu werden.
Als ich die Essenz aus selbstgekochter Rinderbrühe, Austern- und Sojasauce probiere, muss ich aber staunen. Und anschließend wissen, wer der Koch war. Es ist Roberto, der, wie ich wenig überrascht erfahre, zuvor gemeinsam mit Juan in einem Sternelokal gearbeitet hat. Für ein „Delicioso“ ist mein Spanisch gerade noch gut genug. Die Formulierung, die ich mir im Nachhinein von Aristoteles klaue, muss ihm nun aber sein Chef übersetzen: Ich wünschte, mein Hals würde länger werden als die eines Kranichs, nur um das Vergnügen der Berührung länger genießen zu können.
Info
Tampopo Sushi & Nikkei Kitchen, Metzer Straße 2b, 28211 Bremen, Telefon: (0421) 43180457, aktuell nur mit Take-Away-Angebot: Dienstag bis Freitag jeweils von 12 bis 14.30 sowie von 18 bis 22 Uhr, Samstag und Sonntag von 17 bis 22 Uhr, Verwendung klimaneutraler Verpackungen, barrierefrei, Internet: www.tampopo-bremen.de.
Temi Tesfay hat Hunger auf Bremen. Auf seinen wöchentlichen Streifzügen durch die heimische Gastroszene hat er schon viele Küchen, Köche und kulinarische Schätze der Stadt kennengelernt. Unter dem Titel „Ein Bisschen Bremen“ schreibt er außerdem einen Foodblog.