- Warum wird das "Andocken" geschlossen?
- An wen richtet sich das Hilfsangebot?
- Was sind die Ziele der Einrichtung?
- Wie sieht die Hilfe konkret aus?
- Welche Angebote gibt es im "Andocken" außerdem?
Die Beratungsstelle der Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH, das "Andocken" ist an diesem Montagnachmittag trotz Ferienzeit sehr gut besucht. Die Stimmung ist allerdings alles andere als gut. Denn vor Kurzem hat das zwölfköpfige Team aus sozialpädagogischen Fachkräften und Psychologen und ihre Schützlinge im Alter zwischen 18 und 25 Jahren eine Hiobsbotschaft erreicht. Das "Andocken" soll bereits zum Ende des Monats Juli geschlossen werden, Ersatz ist nicht in Sicht.
Warum wird das "Andocken" geschlossen?
Die Begründung des Jobcenters als zuständigem Träger: Im gerade beschlossenen bremischen Haushalt seien keine Mittel zur Weiterführung der Maßnahme mehr vorhanden. Vor sechs Jahren war die Einrichtung ins Leben gerufen worden.
An wen richtet sich das Hilfsangebot?
"'Andocken' ist die einzige, feste Anlaufstelle, die es in ganz Bremen für obdachlose Unter-25-Jährige gibt", sagt Birgit Füllgrabe-Frede, Geschäftsführerin der Wabeq, der Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH, zu der das "Andocken" gehört. Angesichts der bevorstehenden Schließung seufzt sie: "Teurer als Bildung ist keine Bildung". Und Suat Ibisi bekräftigt: "Wenn das hier geschlossen wird, ist das für uns alle eine Katastrophe. Dann werden wir alle wieder auf der Straße landen und niemand kann sich mehr um uns kümmern."
Was sind die Ziele der Einrichtung?
Was sich die Betreuungsstelle auf die Fahnen geschrieben hat? "Wir setzen uns für Integration ein, vermitteln die junge Menschen in Ausbildung und Arbeit und wir vermitteln ihnen Wohnraum", erläutert Füllgrabe-Frede. Zunächst gelte es aber die Grundbedürfnisse zu stillen: Hunger und Hygiene.
Wie sieht die Hilfe konkret aus?
Suat Ibisi wurde wie Sara Hütt von den Betreuerinnen und Betreuern des "Andocken" aufgefangen. Denen ist es in Zusammenarbeit mit der Zentralen Fachstelle Wohnen gelungen, beiden eine Wohnung zu vermitteln. Zuvor seien sie obdachlos gewesen und hätten auf der Straße gelebt, erzählen Suat und Sara. Suat ist schon mit zwölf Jahre auf sich selbst angewiesen gewesen und muss sich seitdem ohne Eltern durchschlagen, wie er erzählt. Er habe dem "Andocken" alles zu verdanken, betont der heute 23-Jährige, für den das Beratungsszentrum schon seit einigen Jahren eine Anlaufstelle ist. "Ich habe schon bei Amazon gearbeitet und Praktika im kaufmännischen Bereich gemacht", erzählt er.
Ähnlich sieht es bei Sara aus. Nach einem Wohnungsbrand habe sie plötzlich ohne Dach über dem Kopf auf der Straße gestanden, erzählt sie. Heute hat die 27-Jährige eine Wohnung in Syke und arbeitet bei einer Spedition, wohlgemerkt nicht als Kauffrau, sondern als Kraftfahrerin, die einen 2,5-Tonner lenkt. Für einen Schnack schaue sie immer noch gern in der Beratungsstelle vorbei, sagt sie. Die Wertschätzung, die ihr hier entgegengebracht wird, sei ihr besonders wichtig: "Hier werden wir menschlich geachtet. Denn wir haben hier Hilfe gesucht, weil wir nicht weiter wussten! Das Andocken war immer ein geschützter Raum, eine Zuflucht für uns." Ein anderer, junger Kunde von "Andocken" erzählt stolz, dass ihm hier geholfen worden sei, seinen Traumjob zu ergattern, eine Lehrstelle bei der Deutschen Bahn. Nur drei Beispiele von vielen.
Welche Angebote gibt es im "Andocken" außerdem?
Der Name "Andocken" ist Programm. Ganz wichtig ist es dem zwölfköpfigen Betreuungsteam, dass die Jugendlichen, die in ihrem Leben schon viel durchgemacht haben, in der Beratungsstelle erst einmal zur Ruhe kommen, also im wahrsten Wortsinn "andocken" können. Das Café ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Außerdem wird ein Mittagessen für günstiges Geld angeboten. Für junge Obdachlose gibt es hier Duschen, eine Kleiderkammer und während der Öffnungszeiten auch ein paar Schlafplätze. Und kleine Lichtblicke im bis dahin trostlosen Alltag: einen gemeinsamen Besuch im Museum oder im Theater etwa.
Das "Andocken"-Team steht darüber hinaus in enger Verbindung mit dem Jobcenter, dessen Berater bisher auch ins Haus gekommen sind. Als Verbindungsglied zu Entzugskliniken agiert die "Andocken"-Crew ebenfalls, ähnlich niedrigschwellig wie beim Jobcenter. "In beiden Fällen verstehen wir uns als Brücke", sagt Mario Silberborth, Teamleiter, systemischer Berater und Therapeut. Außerdem arbeite das Team von "Andocken" mit dem Zentrum für Schule und Beruf zusammen, wie er erläutert. Neben dem Betreuungsteam, das am Wegesende 11 vor Ort ist und zwölf Einzelfallplätze für intensive Beratung bereit hält, tourt ein Bus bis nach Bremen-Nord durch die Stadt, um die Jugendlichen an den einschlägig bekannten öffentlichen Plätzen aufzufangen und zu betreuen. Die Bilanz nach sechs Jahren: Insgesamt wurden im "Andocken" 32.000 Beratungen durchgeführt, rund 5.000 pro Jahr.