Nesim Arslan (Die Linke) aus Tenever und Yunas Kaya (CDU) aus Arbergen sind neu in die Ortsbeiräte Osterholz und Hemelingen gewählt worden. Beide engagieren sich in ihren Beiräten für Sozial- und Bildungsthemen, Bereiche also, in der Integration eine besondere Rolle spielt. Die Familien der beiden Politiker blicken auf eigene Fluchterfahrung zurück, haben also einen biografischen Blick auf das Thema Integration.
Bis November 2023 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach eigenen Angaben 304.581 (2015: annähernd 890.000) Asyl-Erstanträge entgegengenommen. Nach dem Königsteiner Schlüssel werden asylsuchende Menschen auf Bundesländer und Kommunen verteilt. Viele dieser Menschen finden in Stadtteilen eine erste Unterkunft, häufig in Quartieren, die als sozial benachteiligt gelten. Wie die Integration klappen kann und wo Ortspolitiker Handlungsbedarf sehen.

Nesim Arslan aus Tenever ist Beiratspolitiker für Die Linke in Osterholz.
Für Arslan ist Integration keine Einbahnstraße. „Geflüchtete müssen sofort Zugang zu Sozialberatung und Unterstützung bei der Bürokratie bekommen.“ Gleichzeitig müsse es auch um die Stärkung der Eigenverantwortung gehen. „Wer hierher flüchtet, für den muss es selbstverständlich sein, die Sprache zu lernen, die Regeln zu verinnerlichen und alles dafür tun, um Fuß zu fassen.“
Sprache ist auch für Yunas Kaya die Grundlage für Integration. „Ein zentraler Baustein ist die Sprachförderung durch intensive Kurse für Neuankömmlinge und die Förderung von Sprachtandems zwischen Einheimischen und Migranten.“ Es gehe aber darüber hinaus. Weitere Punkte, die im Zusammenspiel zu einer gelungenen Integration beitragen, sind für ihn die Bildung – auch über zusätzliche Förderprogramme – in den Schulen, die Integration in den Arbeitsmarkt und Förderungen im Sozialen, zum Beispiel durch die Schaffung von Begegnungsstätten.
Auch Tenever hat Belastungsgrenze
Bis November 2023 hat es in Bremen 2753 laufende Asylverfahren gegeben. Zum Vergleich: 2015 zum Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise waren es 8947 Asylsuchende. Vieler dieser Menschen fanden und finden in Übergangswohnheimen eine erste Unterkunft. Später ziehen sie in eigenen Wohnraum, häufig in Quartiere mit niedrigen Mieten, wie beispielsweise Tenever. Ein Ortsteil, der in den vergangenen Jahrzehnten aufwendig saniert wurde.
Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WBS) zeigt, dass ohnehin schon wirtschaftlich arme Stadtteile und Quartiere in einigen Städten durch Zuzug ärmer werden. Drohen da die Erfolge in Hemelingen und Tenever zunichte zu gehen, weil sich Armut konzentriert? Kaya und Arslan haben darauf eindeutige Antworten.
„Tenever darf nicht als ‚Lampedusa‘ oder ‚Melilla‘ Bremens genutzt werden, nur weil hier gerade die Container stehen, die Infrastruktur und die Anbindung zu Kitas und Schulen gut ist oder die Arbeit vor Ort in Sachen Integration funktioniert“, stellt Nesim Arslan klar. „Auch dieser Stadtteil hat eine Belastungsgrenze.“ Es sei nicht zielführend, die Integration auf einzelne sozial benachteiligte Stadtteile zu konzentrieren.
„Es gilt, gemischte Wohnviertel zu schaffen, um Abgrenzung zu vermeiden“, sagt Kaya. Die Beteiligung der Bewohner an städtebaulichen Entscheidungen fördere Akzeptanz und Zusammenhalt.
Damit es vor Ort mit der Integration klappt, müsse die Gemeinschaft vor Ort aktiv mit einbezogen werden, so Arslan. „Zum Beispiel durch interkulturelle Aktivitäten oder Veranstaltungen, um eine Bindung herzustellen.“ Er bringt sogenannte Integrationswerkstätten ins Gespräch. „Ein Raum, in dem Deutsch-, Handwerkskurse oder auch Rechte- und Pflichtenkurse stattfinden.“ Arslan verbindet diese Idee mit einer anderen Herausforderung. „Millionen Menschen sind von Einsamkeit betroffen“, sagt er. Seine Idee: Von Einsamkeit betroffene Seniorinnen und Senioren könnten in diesen Werkstätten mitarbeiten.
Über die Stärke der Quartiere sagt Yunas Kaya: „Meiner Meinung nach liegt die Stärke dieser Quartiere oft in der Solidarität und dem Zusammenhalt der Bewohner. Die Identifikation mit dem eigenen Viertel und der Wille, positive Veränderungen herbeizuführen, sind entscheidend.“ Gemeinschaftsprojekte könnten den sozialen Zusammenhalt und die Widerstandskraft dieser Quartiere festigen.
Integration in Schulen und Freizis

Yunas Kaya sitzt für die CDU im Hemelinger Beirat.
Schulen spielen eine wichtige Rolle bei der Integration, doch die neue Pisa-Studie hat gezeigt, dass die Leistungen erneut schlechter geworden sind. Als Grund werden nicht eine Unterfinanzierung oder eine nicht mehr zeitgemäße Lehrerausbildung genannt, sondern häufig nicht ausreichende Deutschkenntnisse zugezogener Menschen. Yunas Kaya arbeitet an einer Schule in Hemelingen. Wie nimmt er die Situation wahr?
„Ich habe dieses Thema mit den Schülerinnen und Schülern aus der Oberstufe in dieser Woche diskutiert und eine Unterrichtseinheit im Rahmen meines Referendariats erstellt.“ Die Schüler hätten erkannt, dass es mehrere Faktoren gebe, die zu dem Pisa-Ergebnis führten. Deswegen sei es nicht fair, die Ursache auf eine Gruppe oder einen Faktor zu schieben. Ansatzpunkte sieht er in der Integrationsarbeit in den Schulen mit Sprachförderprogrammen und Unterstützungsdiensten, bei der Lehrerqualifikation und einer ausreichenden Finanzierung. „Eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulen, Eltern, und lokalen Gemeinschaften ist entscheidend, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln“, sagt er.
„Es ist wichtig, behutsam mit der Zukunft Bremens umzugehen, um das Potenzial dieser Menschen voll auszuschöpfen“, sagt Arslan über Tenever. Das Quartier gilt als einer der kinderreichsten Ortsteile Bremens. „Der Lernfortschritt darf nicht durch Überlastung und fehlendes Personal auf der Strecke bleiben.“ Leider habe sich genau dieser Zustand in der Vergangenheit gezeigt. „Es gibt in den Kitas durch Ausfälle keine Ausgleichsmöglichkeiten und dadurch fällt der Kitabesuch meines Sohnes oftmals aus.“ Seine Forderungen: mehr Lehrerfortbildungen, moderne Lehrmethoden, mehr Kita-Personal, mehrsprachige Infoblätter für Eltern und mehr digitale Sprachlernprogramme für Kinder.
Warum Freizis wichtig sind
„Eine entscheidende Rolle spielen die Jugendfreizeitheime“, sagt Kaya zu dem Stellenwert bei der Integration. „Ich selbst bin Hinter den Ellern aufgewachsen. Währenddessen war ich Besucher des Freizis Stackkamp.“ In dieser Zeit habe man bemerkt, dass Jugendfreizeitheime entscheidend für die Integration sind, indem sie sichere Räume böten, in denen junge Menschen unterschiedlicher Hintergründe interagieren könnten. „Diese Einrichtungen fördern soziale Integration, bieten Bildungschancen und stärken das Gemeinschaftsgefühl“, sagt Kaya. „Hier können Jugendliche nicht nur ihre Talente entdecken, sondern auch lebenswichtige soziale Kompetenzen entwickeln.“ Kürzungen in diesem Bereich hätten fatalen Einfluss auf die Möglichkeiten zur Förderung von Bildung, sozialer Integration und persönlicher Entwicklung.
Ähnlich sieht es Arslan: „Ich habe den größten Teil meiner Jugend in der evangelischen Trinitatisgemeinde Tenever verbracht.“ Kochen, Spiele, Basteln und Breakdance sowie sportliche Aktivitäten hätten auf dem Programm gestanden. Es habe außerdem ein festes Regelwerk mit Konsequenzen gegeben. „Freizis und Jugendeinrichtungen sind ein Schlüssel zur gelungenen Integration“, unterstreicht Arslan. „Diese finanziell zu stärken, ist ein Muss!“