Jung, ledig, arbeitslos. Diese Attribute eint die drei Angeklagten – und der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, in nicht geringem Umfang gegen das Betäubungsmittel-Gesetz (BTM-Gesetz) verstoßen zu haben. Ihr Fall wurde vor wenigen Tagen vor dem Schöffengericht des Amtsgericht Blumenthals verhandelt. Jahre nach der Tat. Warum BTM-Verfahren in Bremen so lang dauern und welche Auswirkungen das im Zweifel hat.
Als die Polizei am 21. März 2014 beobachtet, wie der Angeklagte A. eine Wohnung in Vegesack verlässt und später zwei Päckchen Kokaingemisch durch das geöffnete Seitenfenster seines Wagens in Schwanewede verkaufen will, hat das Folgen: Die Beamten greifen zu und machen weitreichende Entdeckungen.
Worum geht es bei dem Fall in Blumenthal?
Die Polizei stellt bei A. mehrere Beutel mit Kokaingemisch und 4335 Euro Bargeld sicher. Vor Gericht räumt der Anwalt des Angeklagten ein, dass sein Mandant mit Rauschgift gehandelt hat. Wie viel Geld A. erwirtschaftet hat, ist bis heute offen. "Es gab keine Aufzeichnungen oder andere gesicherte Erkenntnisse darüber", so Jens Florstedt, Richter am Amtsgericht Blumenthal.
Unklar bleibt auch, was A. mit seinen Mitangeklagten, den Brüdern C. und P., zu tun hat. Er hatte einen Haustürschlüssel von C. Das ist insofern von Bedeutung, als dass den Brüdern vorgeworfen wird, in C.'s Wohnung in Vegesack eine Indoor-Plantage mit Platz für etwa 60 Cannabispflanzen betrieben und die Ernte gewinnbringend veräußert zu haben. Die Rede ist auch von einer zweiten Plantage mit 42 Pflanzen. Bei einer Durchsuchung 2015 stellen Beamte jedenfalls 78 Pflanzen sowie Cannabiskraut und Blüten sicher.
Nach Darstellung seines Anwalts hat C. die Hanfgewächse wegen einer rheumatischen Erkrankung für den Eigenbedarf angepflanzt: „Es war eine große Menge, aber es sollte auch ein Vorrat sein, denn seine Schmerzen sind umfangreich.“ Der Bruder soll nichts mit dem Hanfanbau zu tun gehabt haben. Es gab für ihn andere Gründe, "im Zehn-Minuten-Takt" in C.'s Wohnung zu sein: Laut seiner Anwältin hat P. dort die Wäsche gewaschen.
Welche Strafe erhalten die Angeklagten?
Der Angeklagte A. erhält eine Geldstrafe. Er muss angesichts seiner Lebensverhältnisse 90 Tagessätze zu je zehn Euro zahlen. Strafmildernd sei zu werten, dass auf die Rückgabe der sichergestellten Gegenstände und Geldbeträge verzichtet wird.
Die Brüder werden nicht bestraft. Das Verfahren wird eingestellt, die Kosten trägt die Staatskasse.
Warum wird Hanfanbau in dem Fall nicht bestraft?
Richter Jens Florstedt hat ein Problem damit, die Brüder zu verurteilen: „Aufgrund der überschaubaren Menge der sichergestellten Betäubungsmittel wäre bei zeitnaher Verurteilung keine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monate zu erwarten gewesen.“ Nach sechs Jahren rechtsstaatswidriger Verzögerung bliebe keine Strafe mehr übrig. Denn für jedes Jahr rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung müsse nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Monat Strafe als vollstreckt gelten, so Jens Florstedt weiter.
Was ist der Grund für die überlange Verfahrensdauer?
Vor Verfahren gegen das BTM-Gesetz muss sichergestellt werden, um welche Substanzen es sich handelt. "Doch die zuständige Stelle bei der Kriminaltechnischen Untersuchung (KTU) hat, so wie es sich mir darstellt, die Betäubungsmittel nicht zügig auf ihren Wirkstoffgehalt untersucht. Und ohne Bestimmung des Wirkstoffgehalts kann es in einem solchen Fall kein Urteil geben.“ Es handelt sich nicht um einen Einzelfall: Jens Florstedt hat nach eigenen Worten schon mehrere Verfahren auf den Tisch bekommen, die Jahre zurücklagen.
Wie bewertet die Staatsanwaltschaft die Dauer von BTM-Verfahren?
„Wir wissen nicht, wie die Personalsituation bei der Polizei aussieht. Die KTU war aus unserer Sicht immer besetzt. Dass es zu Verzögerungen kam, ist aufgefallen, weil es bedeutete, dass weniger bedeutende und leichte Fälle zurückgestellt wurden“, berichtet Staatsanwalt Frank Schmitt. Es seien sehr viele BTM-Delikte in Bremen anhängig.
Was sagt die Polizei zum Verfahrensrückstau?
Durch eine große Zahl von Einstellungen im kriminaltechnischen Labor und bei den Sachverständigen sei es der Polizei Bremen in den vergangenen Jahren gelungen, die Rückstände aufzuarbeiten und Bearbeitungszeiten deutlich zu verkürzen, berichtet Franka Haedke, Sprecherin der Polizei. Tendenziell sei die Bearbeitungsdauer bereits erkennbar rückläufig. Das bedeutet, dass wichtige Vorgänge auf eine maximale Bearbeitungszeit von zwei Monaten begrenzt seien. Franka Haedke: "In Abhängigkeit zur Priorisierung erfolgt eine gestaffelte Bearbeitung, die aber in keinem Fall zu einer Verjährung führen würde." Unterschiede zwischen den Amtsgerichtsbezirken würden nicht gemacht. Auch im Zuge einer Technisierung sollen hier die Prozesse im Zuge der Sachbearbeitung weiter beschleunigt und zeitgewinnend zur Reduzierung von Bearbeitungsrückständen beitragen.