Es gibt ein Sprichwort, das lautet: „Das Leben in vollen Zügen genießen“. Wer während der Sommerferien allerdings zwischen Farge und dem Bremer Hauptbahnhof hin und her pendeln möchte oder muss, wird wohl mit einer Abwandlung des bekannten Sprichworts vorliebnehmen müssen. Während die Bauarbeiten am Streckenabschnitt zwischen Lesum und Schönebeck stattfinden, Arbeiten an der Eisenbahnbrücke über der Hermann-Fortmann-Straße vorgenommen und drei Bahnhöfe auf der Strecke modernisiert werden, müssen die Pendler und Pendlerinnen den Sommer in vollen Bussen genießen. Seit gut einer Woche ist die Strecke für den regulären Bahnverkehr der Regio-S-Bahn-Linie 1 nun mittlerweile gesperrt. Und die Meinungen und Erfahrungsberichte der Passagiere gehen weit auseinander.
Gemeinsamkeiten gibt es besonders auf einer Ebene, denn es herrscht rege Verwirrung an den jeweiligen Stationen des Schienenersatzverkehrs (SEV). So ist zum Beispiel in Vegesack und am Bremer Hauptbahnhof kaum ersichtlich, ab welchem Steig die Busse genau abfahren. Besonders am Hauptbahnhof ist viel Aufmerksamkeit nötig, um die richtige Verbindung zu finden. Die Steige wechseln mit jedem anfahrenden Bus und insgesamt fahren an den vier Haltestellen sieben Schienenersatzverkehrslinien ab. Ein Großteil der Busse verfügt zudem nicht über digitale Anzeigen, welche die Endstation und Zwischenhalte der Fahrten deutlich sichtbar machen. Diese Busse haben lediglich Papierschilder im Fenster, die vom Fahrer gewechselt werden. Da innerhalb der Fahrzeuge keine Anzeigen mitlaufen, während die Strecken abgefahren werden, besteht schnell Verwechslungsgefahr bei den Linien – vor allem für Passagiere, die nach Oslebshausen oder Walle wollen und aus Versehen in den Bus einsteigen, der diese beiden Haltestellen nicht anfährt.
Weiter mit dem Linienbus
Genau dieser Fehler ist einer Pendlerin bei ihrer ersten Fahrt mit dem Schienenersatzverkehr unterlaufen. „Der Hinweg war super, aber der Rückweg klappte gar nicht“, erklärt sie. Beruflich pendle sie zwischen Oslebshausen und Bremen-Mitte hin und her. Eine Fahrt mit dem SEV führte sie prompt auf die Autobahn Richtung Hannover, da sich der Busfahrer vertan hatte. Die wilde Fahrt endete für sie irgendwann in Burg, von wo sie mit dem regulären Linienbus zurück nach Oslebshausen fuhr. Ihr Kollege fühlt sich von der Nordwestbahn nicht ausreichend informiert und abgeholt: „Man wird hier alleine gelassen.“ Es mangele ihm an Auskunft.
Amelie Schwanitz aus Aumund hat bisher positive Erfahrungen mit dem Ersatzverkehr gemacht. Sie versuche aber auch ihre Stimmung selbst zu lenken, um entspannt zu bleiben: „Das ist alles eine Einstellungssache. Ich arrangiere mich damit.“ Bisher habe alles gut geklappt und bis auf wenige Minuten Verspätung sei sie auch pünktlich von A nach B gekommen. Sie sehe aber ein eindeutiges Problem, was den Platz in den Bussen angehe. „Spätestens ab Vegesack ist es morgens Richtung Bremen voll“, berichtet Schwanitz. Gerade für ältere Menschen, Kinderwagen und Personen im Rollstuhl sehe sie das als problematisch an. „Die Busse um 7.19 und 8.19 Uhr Richtung Bremen sind beide proppe voll“, weiß sie aus Erfahrung.
Pünktliche Busse
Beim SEV scheint der ‚frühe Vogel‘ die angenehmste Fahrt zu erwischen, wie einer Aumunder bestätigt. Morgens pendle er um kurz nach 6 Uhr in Richtung Bremen. „Die Hinfahrt ist super. Und über den Rückweg kann ich mich auch nicht beschweren. Pünktlichkeit ist da.“ An die Fahrtzeiten scheint sich der Ersatzverkehr gut halten zu können, mehr Zeit muss für die Dauer der Ersatzfahrten dennoch eingeplant werden. Die Fahrtzeit von Blumenthal nach Bremen-Mitte hat sich nun verdoppelt. Bei manchen sorge das für Frust, da man nun nicht mehr den Begebenheiten des Straßenverkehrs entgehen könne. „Ich habe das Gefühl, ich stecke ständig in Walle fest“, berichtet Pendlerin Zoe Ward. Zwischen Bremen Hauptbahnhof, Walle und Oslebshausen fließt der Verkehr besonders zäh. Zudem hat nicht jeder Bus eine Klimaanlage, was vor allem während der heißen Tage eine Tortur für Ward war. „Es ist schrecklich“, fasst sie die gesamte Situation kurz und knapp zusammen.
Zum Glück haben sich die hitzigen Temperaturen bis auf Weiteres beruhigt. Nun müssen Passagiere nur noch damit rechnen, dass sie ein weiterer Regenschauer beim Haltestellen-Roulette des Schienenersatzverkehrs erwischt. Einig scheinen sich die Pendler und Pendlerinnen zumindest bei einer Sache zu sein: das Ende der Baumaßnahmen können sie kaum erwarten.