Reden ist wichtig in einer Demokratie. Wenn der Ton in der Gesellschaft rauer wird, ist das oftmals kein Zuckerschlecken, aber umso notwendiger. Die Bremer CDU hat Bürgerinnen und Bürgern in Vegesack jetzt ein Gesprächsangebot in einem ihrer thematischen Kernbereiche gemacht: der inneren Sicherheit. Gekommen waren rund ein Dutzend Menschen. Eine Hand voll der Anwesenden zögerten nicht, ihrem Unmut recht drastisch Luft zu verschaffen. Und trafen damit auf erschreckend wenig Widerspruch.
Das Fraktionsspitzenduo aus Frank Imhoff und Wiebke Winter sowie Fraktionskollegin und Kreisverbandsvorsitzende Bettina Hornhues hatten sich auf den Weg ins Geschichtenhaus gemacht, um das Ohr an Volkes Stimme zu legen. Was das Trio an diesem Abend mit dem Titel "Bremen-Nord: unsicher?" zu hören bekam, war starker Tobak – wenn auch nur aus wenigen Kehlen. Nach Einbruch der Dunkelheit könne man sich in Vegesack nicht mehr hinaus trauen. Bei Einbrüchen oder Schlägereien käme die Polizei spät oder nie und Strafverfolgung finde in Bremen praktisch nicht statt. Somit müsse die eigene Sicherheit selbst organisiert werden – beispielsweise mit Hilfe der in Bremen seit vielen Jahren verbotenen Hells Angels. Das Grundübel war zudem schnell ausgemacht: Ausländer. Der geneigte Zuhörer wähnte sich in einem real gewordenen Social Media-Kanal oder bei einem AfD-Stammtisch.
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Während sich Wiebke Winter als Sprecherin der Innendeputation darum bemühte, wenigstens die ärgsten Unmutsbekundungen in einen größeren Kontext zu stellen, Bremen als weltoffene Stadt zu preisen und den Rechtsstaat zu verteidigen, gefiel sich Fraktionschef Frank Imhoff ganz darin, noch Öl ins lodernde Feuer zu gießen: Wenn die Polizei käme, könne sie immerhin Quittungen ausstellen, bemerkte er kernig. Oder: In der Bronx habe man das Sicherheitsproblem in den Griff bekommen. Die Ableitung für Bremen, dieser an sich richtigen Aussage, überließ er den Zuhörern. Effekthascherei oder Kalkül?
Kaum zu glauben, dass der damalige CDU-Chef Carsten Meyer-Heder noch im September in dieser Partei eine interne Empörungswelle ausgelöst hatte, als er eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschloss. Das kostete ihn damals den politischen Kopf. Nun sind offenbar weitere Hemmungen gefallen. Der neue CDU-Landesvorsitzende Heiko Strohmann hatte jüngst im Interview mit dem Weser-Kurier bemängelt, seine Partei sei in der Vergangenheit zu nett gewesen. E schrieb ihr eine härtere Gangart ins Stammbuch. Eine solche lebt der Bundesvorsitzende Friedrich Merz ohnehin schon seit Monaten vor. Wie wichtige Köpfe der Bremer CDU die eigene Rolle nun interpretieren, ist an diesem Abend allzu deutlich geworden.
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Härte gegen den politischen Gegner ist vornehmstes Recht eines Oppositionsführers. Es ist schlicht dessen Aufgabe, Missstände schonungslos aufzuzeigen. Es gibt davon im weiten Themenfeld innere Sicherheit zweifelsohne mehr als genug. Angebliche Untätigkeit der Polizei und Selbstjustiz unwidersprochen im Raum stehen zu lassen, erweist den ohnehin überlasteten Behörden jedoch einen Bärendienst. Dort wird zurecht politische Rückendeckung erwartet. Vom rot-grün-roten Senat käme diesbezüglich wenig, erklärt die CDU allzu gerne. Selbst hat sie sich nun diesbezüglich auch nicht mit Ruhm bekleckert.
Wenn die CDU sich künftig von Rechtspopulisten absetzen möchte, muss sie sich auf die eigenen Positionen besinnen und diese auch gegenüber Unzufriedenen vertreten. Wiebke Winter hat einige Positionen skizziert: konsequentere Abschiebungen, eine Vorschule und attraktiviere Polizei-Jobs. In Blumenthal hat die örtliche Union sogar ein Sicherheitskonzept für den Stadtteil erarbeitet: mehr Polizeipräsenz, eine konsequente Bekämpfung von Clankriminalität, und eine Verbesserung des Sicherheitsgefühls der ürger durch Beleuchtung des öffentlichen Raumes, Ordnung und Stadtsauberkeit. Für diese Gedanken war im Geschichtenhaus kein Platz, klang doch die populistische Klaviatur viel eingängiger.
