Frau Ünsal, Sie sind neu im Amt. Welchen Blick haben Sie auf den Bremer-Norden?
Özlem Ünsal: Ich mache mich dafür stark, die Bau- und Verkehrspolitik so auszugestalten, dass auch der Bremer Norden nicht zu kurz kommt, im Gegenteil: Die Belange der Bürger, die Attraktivität der Quartiere und insgesamt der Glanz des Bremer Nordens stehen fest in meinem Fokus. Es gibt in Bremen aktuell keinen anderen Stadtbezirk, in dem sich derart viele Städtebau-Fördermittel meines Hauses konzentrieren werden, wie im Bremer Norden. Ich setze dort einen Schwerpunkt. Der Bremer Norden möchte stärker gesehen werden – ich sehe ihn und habe ein starkes Interesse, die Stärken dieses Stadtbezirkes für alle noch sichtbarer herauszuarbeiten. Burglesum, Vegesack und Blumenthal verdienen unsere volle Aufmerksamkeit.
Sie setzen auf ein Bremen der Quartiere. Im Bremer Norden sind viele neue Quartiere geplant. Wie schätzen Sie die Potenziale ein?
In Bremen-Nord gibt es viele Potenziale und Herausforderungen, die auf die großen Strukturumbrüche der 80er- und 90er-Jahre zurückzuführen sind. Diese wollen immer noch gemeistert werden. Gemeinsam mit dem Senat nehme ich mich dieser besonderen Aufgaben an. Hierbei ist es wichtig, keinen der drei Stadtteile ausschließlich getrennt voneinander zu betrachten. Zusammen machen sie die hohe Qualität unseres Bremer Nordens aus. Fragen des würdigen Wohnens, zukunftsweisende Standortfragen und die kluge Gestaltung öffentlicher Räume zeichnen unsere Quartiere aus. Ich verfolge das Ziel, Bremen als zukünftiges „Land der Quartiere“ innovativ hervorzuheben. Deshalb hätte ich es auch gerne gesehen, wenn ein Ankauf der Grohner Düne erfolgreich gewesen wäre. Aber die Preisvorstellungen der Eigentümerin waren leider nicht in dem Rahmen, wie sie für diese Immobilie für die öffentliche Hand vertretbar gewesen wären. Wir müssen mit öffentlichen Geldern schließlich verantwortungsvoll umgehen. Schließlich: Als Mobilitätssenatorin sind mir auch die verkehrlichen Anbindungen wichtig. Erreichen wir die Menschen, holen wir sie daheim ab? Das tun wir.
Das wird im Bremer Norden durchaus anders gesehen. Gerade in Richtung Farge.
Ich bin gemeinsam mit meinem Haus insgesamt dabei, die Bau- und Verkehrsprojekte klug zu ordnen und kräftig voranzutreiben. Hierzu gehören beispielsweise der 15-Minuten-Takt bis Blumenthal, der Haltepunkt Burg-Grambke oder das dritte Gleis zwischen Burg und Rangierbahnhof. Dazu kommen der A281-Wesertunnel/Ringschluss, Sanierungsvorhaben wie die Lesumbrücke oder auch die Premiumroute, der Busbetriebshof, um nur einige Beispiele zu nennen. All diese Vorhaben werden eine deutliche Attraktivitätssteigerung für den Bremer Norden bringen und den öffentlichen Raum und die gewerblichen Standorte zugänglicher machen. Davon werden viele profitieren.
Bei zwei Plätzen in Vegesack gibt es in puncto Attraktivität Nachholbedarf: Was ist für den Sedanplatz und den Bahnhofsplatz geplant?
Der Sedanplatz wird nicht stagnieren, sondern mit unseren Mitteln aufgewertet. Wohn- und Geschäftshäuser werden ihren Beitrag dazu leisten. Damit beleben wir das Quartier mit der Fußverkehrszone und der Mischung unterschiedlicher Nutzungen wie Gewerbe, Wohnen und Gastronomie.
Wie konkret möchten Sie die Pläne der privaten Investoren dort flankieren?
Wir brauchen den Schulterschluss, weil am Ende durch eine kluge Quartiersgestaltung viele profitieren. Bewohner, Investoren, Zivilgesellschaft und öffentliche Hand. Das befördern wir mit engagierten Akteuren, klugen Strategien, transparenter Kommunikation und unseren Stadterneuerungsmitteln.
Was versprechen Sie sich von einer Umgestaltung des Bahnhofsplatzes – gerade mit Blick auf das entstehende Speicherquartier und die benachbarte Grohner Düne?
Die von mir gemeinsam mit dem Innensenator vollzogene Grundsteinlegung ist ein wichtiger Meilenstein für die weitere Entwicklung des Speicherquartiers in der Vegesacker Ortsmitte und Startschuss für die Bauphase, auf die wir hingearbeitet haben. Mit der Konzeption des gesamten ehemaligen Einkaufszentrums Haven Höövt und dem bereits erfolgten Abriss der alten Gebäudestruktur sehen wir gemeinsam die Chance, diesen zentralen Bereich – auch des historischen Vegesacks – neu zu gestalten. Das Gebäude ist in Zukunft das Gesicht und Eingangstor des neuen Speicherquartiers. Es hat eine ganz besondere Funktion für Vegesack und den gesamten Bremer Norden. Ein weiterer Schritt zur Aufwertung des gesamten Areals ist der Spielplatz an der Grohner Düne. Nach Bauen und Hämmern ist der neue Spielplatz an der Hermann-Wegener-Straße in Bremen-Vegesack fertig. Die Sanierung fand im Rahmen des "Integrierten Entwicklungskonzept Grohn (IEK)" statt und ist nach dem Spielschiff und dem Spielplatz in der Friedrich-Klippert Straße bereits das dritte Projekt, das mit dem aktuellen Vorhaben umgesetzt werden konnte. Er ist ein wichtiger Anker und sozialer Raum für die Menschen, die dort leben, oft mit geringen Ausweichmöglichkeiten und ohne eigenen Garten.
Das Areal wird von vielen eher als unsicher wahrgenommen.
Die Sicherheit der Bremer Bürger hat oberste Priorität für uns. Wir nehmen die Ängste der Menschen wahr und sehr ernst. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass die Polizei als Ankermieter in das Haus einziehen wird. Die neue Polizeistation wird zudem das Sicherheitsgefühl vor Ort weiter positiv verstärken. Der Einzug der Polizei in das neue Kommissariat ist für 2025 geplant. Durch den Standort in Vegesack erhöht die Polizei Bremen die Flexibilität und priorisiert Schutz und Hilfeleistung für die Bevölkerung in Bremen-Nord. Wir hoffen durch diese Maßnahmen, sowohl die Sicherheit im Areal als auch das Gefühl der Sicherheit bei den betroffenen Menschen zu stärken.
Gefühlte Realitäten spielen auch einige hundert Meter weiter – bei den Planungen für das Strandlust-Areal – eine Rolle. Was erwarten Sie bei der Präsentation der Pläne am 19. Dezember?
Bei der Strandlust handelt es sich um einen wichtigen und genauso emotional verbindenden Ort. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass sich viele Menschen diesem besonderen Ort annehmen. Das zeigt die hohe Identifikation und Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Für uns bleibt wichtig, in einem konstruktiven Dialog und durch ein transparentes Verfahren eine tragfähige Entwicklung für das Quartier zu ermöglichen. Die Präsentation am 19. Dezember 2023 wird ebenfalls einen Beitrag dazu leisten. Die Ergebnisse des Wettbewerbs werden nach der Sitzung des Preisgerichts öffentlich vorgestellt. Diese sind für die weiteren Planungen nicht bindend, bilden jedoch eine gute Grundlage für eine mögliche Überarbeitungs- und Anpassungsphase und können in den Bebauungsplan einfließen.
Sie haben es also in ersten Gesprächen geschafft, die aus Emotionen erwachsene Ablehnung einiger Akteure in einen konstruktiven Prozess zu überführen?
Als neue Senatorin setze ich auf transparenten Dialoge auf Augenhöhe und stehe bereits im konstruktiven Dialog mit den Beteiligten. Zuletzt durfte ich vor wenigen Tagen auch den Verein Vegesack Maritim in meinem Haus empfangen. Das war ein sehr guter Austausch, für den ich mich ausdrücklich bedanke.
Wie geht es nach der Präsentation weiter? Inwiefern werden künftig die Bürger abseits einer Planauslegung beteiligt?
Wir bleiben konstruktiv und lösungsorientiert im Dialog und stehen im weiteren Prozess moderierend zur Seite. Ein geordnetes wie transparentes Verfahren ist Voraussetzung für die nächsten gemeinsamen Schritte. Hierbei müssen die Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen Gehör finden. Dafür werden wir einstehen.
Themenwechsel: Ein großes Vorhaben ist auch die Aufwertung des Blumenthaler Zentrums. Was dürfen die Bürger erwarten?
Eine ganze Menge. Über mein Haus fließen über 40 Millionen Euro in das Gesamtgebiet. Das ist eine beachtliche Summe und zeigt unsere Schwerpunktsetzung in den Quartieren des Bremer Nordens. Ich sehe das im Zusammenspiel mit dem Berufsbildungscampus auf dem ehemaligen Kämmerei-Gelände. Dadurch wird der Bremer Norden auch als Bildungsstandort gestärkt. Unterschiedliche Maßnahmen werden für eine enorme Belebung des Blumenthaler Zentrums sorgen. Deshalb ist es für mich wichtig, den öffentlichen Raum vorausschauend und aktiv zu gestalten – von der verkehrlichen Anbindung bis hin zu den öffentlichen Plätzen. Beim Leerstandsmanagement haben wir ebenfalls noch eine wichtige Aufgabe zu stemmen. Das Alte Rathaus wird in diesem Zusammenhang auch seinen Platz finden. Schwerpunkte liegen zudem auf der George-Albrecht-Straße und dem Marktplatz. Wir haben noch viel vor.
Erneuter Ortswechsel: Das Steingut-Areal in Grohn dürfte Bremens größte Baustelle werden. Wie ist dort der Stand?
Baustellen sind ja nicht per se schlecht, sondern stehen auch für Dynamik und Entwicklung. Sie zeigen, dass Veränderungen angepackt werden. Mit dem Gewerbegebiet im Westen und dem Konzept der produktiven Stadt im Osten kommen enorme Potenziale zusammen. Das Wohnen und Arbeiten an diesem attraktiven Standort wird den Bremer Norden zusätzlich aufwerten und zur Attraktivitätssteigerung beitragen.
Können Sie sich im Bildungsressort noch blicken lassen? Schulen und Kitas in Wohnquartieren zu bauen ist eine Sache, die nötigen Lehrer und Erzieher zu finden, eine andere.
Selbstverständlich kann ich. Es ist unser erklärtes Ziel im Senat und unstrittig. Gemeinsam mit meinen Senatskolleginnen und Kollegen stellen wir uns den Herausforderungen. Es ist Gemeinschaftsaufgabe und Verantwortung aller beteiligten Ressorts. Wir kümmern uns, setzen auf kluge und tragfähige Lösungen. Ich bin ganzheitlich unterwegs, diesen Blickwinkel kennen und schätzen meine Senatskolleginnen und Kollegen. Wir ziehen da an einem Strang.
Wo sehen Sie den Bremer Norden am Ende der Wahlperiode?
Ganz weit vorne. Hier wird Tradition mit Moderne vereint. Der Bremer Norden steht für seine hohe Lebensqualität. Das soll nicht nur so bleiben, sondern mit den von mir skizzierten Vorhaben weiter befördert werden. Für die Menschen in den Quartieren arbeite ich konzentriert daran, dass wir unsere Vorhaben erfolgreich umsetzen. Laufende Prozesse weiter zu beschleunigen und neue Impulse zu setzen, wird uns dabei helfen. Der Bremer Norden mit seiner einmaligen Dichte an Wasser- und Parklandschaften soll im „Land der Quartiere“ Vorbild für gutes Wohnen und Arbeiten, Innovationen und sozialen Zusammenhalt werden.
Das Interview führte Björn Josten.

Özlem Ünsal