Die Behörde hat es ganz genau ausgerechnet: 272 Kinder im Bremer Norden standen Anfang des Jahres auf einer Warteliste für einen Kita-Platz. Damit zumindest die Mädchen und Jungen, die nach den Sommerferien in die Schule kommen, frühkindliche Bildung erfahren, gibt es verschiedene Angebote für sie. An einem ist auch die Jacobs University im Rahmen ihres Community Impact Projects (CIP) beteiligt, mit dem sich die private Universität im Stadtteil engagiert.
Das CIP ist ein fester Bestandteil für alle Studierenden im Bachelor, erzählt Universitätsdozentin Freia Hardt. "Dabei müssen sie mit externen Partnern zusammenarbeiten." Einer dieser externen Partner ist Kita Bremen. Der Träger hat im Kinder- und Familienzentrum Haus Windeck ein Angebot für Kinder initiiert, die nach den Sommerferien in die Schule kommen, aber bisher noch keinen Kita-Platz bekommen haben. Betreut werden die Mädchen und Jungen von zwei Erziehern der Einrichtung sowie von Zhengrui Ma, der im dritten Jahr Psychologie an der Jacobs University studiert.
"Wir spielen mit den Kindern Gesellschaftsspiele, singen und tanzen", erzählt Ma. "Wenn das Wetter gut ist, geht es nach draußen." Zu jedem Treffen gehört aber auch eine Teepause, bei der gemeinsam gegessen und getrunken wird. "Hierbei lernen die Kinder zum Beispiel zu Teilen, und das ist eine tolle Erfahrung für sie", erzählt er. Grundsätzlich steht bei den Aktivitäten im Vordergrund, dass die Mädchen und Jungen lernen, Teil einer Gruppe zu sein. Würden sie diese Erfahrung erst in der Schule machen, wären sie den Kindern gegenüber benachteiligt, die zuvor in einer Kita waren.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Sprachförderung. "Die Kinder, die zu uns kommen, sprechen vielfach kein Deutsch", sagt der Student, der bis zu acht Kinder betreut. "Deshalb bringen wir ihnen die Sprache bei, bevor sie in die Schule kommen."
Wie er mit den Kindern kommunizieren kann, hat er im Vorfeld gelernt. "Die Verständigung ist nicht ganz einfach, da ich die Muttersprache der Kinder nicht spreche. Deshalb spielt die Körpersprache eine entscheidende Rolle", berichtet der 22-Jährige. Daneben musste er auch lernen, wie man Vertrauen zu Kindern aufbaut und kindgerecht mit ihnen spricht. "All das habe ich von meinen Kollegen im Haus Windeck gelernt", erzählt er. "Daneben habe ich aber auch von einer Studentin Unterstützung bekommen, die sich im vergangenen Semester um Kinder gekümmert hat, die keinen Kita-Platz bekommen haben."
Senatorin: Gutes Angebot
Gänzlich neu ist die Arbeit mit Kindern für ihn allerdings nicht. "Als ich ungefähr 15 Jahre alt war, habe ich in meiner chinesischen Heimat Grundschüler im Rahmen eines Schulprojektes betreut", erzählt er. Doch diese Kinder sprachen genauso wie er chinesisch. Insofern ist die Aufgabe in Bremen nun deutlich anspruchsvoller für ihn. "So gesehen ist das eine gänzlich neue Erfahrung für mich", schildert Ma.
Erst vor Kurzem hat Sascha Karolin Aulepp (SPD) den Schulvorbereitungskurs im Haus Windeck besucht. Das Projekt sei ein gutes Angebot für die Kinder, die keinen Kita-Platz bekommen haben, sagt die Senatorin für Kinder und Bildung. "Zweimal in der Woche spielen und lernen diese Vorschulkinder zusammen in einer Gruppe miteinander und sammeln so wichtige Erfahrungen, bevor sie zur Schule kommen", so die Senatorin. "Solche Angebote des sozialen Lernens brauchen wir nicht nur in Grohn, sondern auch in weiteren Quartieren, insbesondere da, wo die Kita-Plätze knapp sind und die Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen, schwerer."
Zwar seien in den vergangenen Jahren sehr viele Kita-Plätze geschaffen worden, dennoch reiche das Angebot noch immer nicht aus. "Deshalb setze ich mich dafür ein, Angebote des sozialen Lernens in den Quartieren zu schaffen", erklärt Aulepp. Solche Projekte ersetzten ausdrücklich nicht den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. "Aber sie helfen den Kindern in der Zeit, bis die ehrgeizigen Ausbauziele in allen Stadtteilen realisiert sind und Angebote der Kindertagesbetreuung und -pflege für alle Kinder zur Verfügung stehen, betont Sascha Karolin Aulepp.
Im Juni wird Zhengrui Ma sein Studium an der Jacobs University abschließen und damit auch sein Engagement im Haus Windeck beenden. "Es ist aber ohnehin so, dass das Community Impact Project nach einem Semester für die Studierenden endet", erläutert Freia Hardt. Sollte das Projekt in der Einrichtung fortgesetzt werden, müsse demnächst ein Student gefunden werden, der die Aufgabe von Ma übernimmt.
Damit die Kinder von dem Projekt auch profitieren können, hat die Jacobs University verschiedene Anforderungen formuliert, die Studentinnen und Studenten hierfür mitbringen müssen. "Zum einen sollten sie Interesse daran haben, mit Kindern zu arbeiten", erläutert Freia Hardt. "Zum anderen ist es natürlich wichtig, dass sie gut genug Deutsch sprechen und verstehen."