In der Debatte um das Kontor am Alten Speicher (ehemals Haven-Höövt-Gelände) gibt es einen neuen Vorschlag. Architekt Axel Spellenberg aus Worpswede hat einen Entwurf erarbeitet, der ganz ohne Hochhaus auskommt. Dafür aber, nach seinen Angaben, mehr Wohnfläche zur Verfügung stellt: Insgesamt knapp 250 Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen inklusive sozialer und seniorengerechter Wohnungen hat Spellenberg in sein Konzept eingearbeitet.
Auch die geforderten Flächen zum Beispiel für Büros, Praxen und Gastronomie habe der Architekt berücksichtigt. Maximal fünf Geschosse hoch müsste man dafür bauen. Spellenberg setzt auf Breite, anstatt Höhe – Ist sein Entwurf eine Alternative zum Bau des unbeliebten Hochhauses? So wäre es, wenn es nach Claus Schroll und Olaf Brandstaedter ginge.
Die zwei Bremer hatten sich jahrelang unter anderem gegen das City Gate am Bremer Bahnhofsvorplatz eingesetzt – und nun wollen sie gegen das geplante Hochhaus in Vegesack vorgehen. Sie waren es, die Spellenberg um einen Alternativ-Entwurf gebeten haben. Die drei Männer kennen sich durch ihr Engagement im Anschari-Verein, der sich für den Wiederaufbau einiger alter Gebäude in Bremen wie das Essighaus, das Kornhaus und St. Ansgarii einsetzt. „Uns sind die Stadtentwicklung und das Stadtbild wichtig“, sagt Schroll.
„Dazu gehört auch eine ansprechende Gestaltung.“ Schroll kritisiert, dass seiner Meinung nach, Bürger zu wenig einbezogen werden. Daher findet er auch nicht, dass der neue Vorschlag zu spät kommt. Der Architektenwettbewerb, der für die Bebauung des Areals ausgeschrieben wurde, fand bereits 2018 statt. In der Jury saßen unter anderem Vertreter der Architektenkammer und der Baubehörde. Angeleiert wurde der Wettbewerb von der Wesbau GmbH, die das Haven Höövt 2017 gekauft hatte. Der Wettbewerb sollte damals ein Zeichen setzen: Die Wesbau wollte weg vom alten Image des Haven Höövt.
Orientiert am Siegerentwurf
Der neue Entwurf von Architekt Spellenberg ist im Vergleich zum Siegerentwurf der Brüder Jan und Benjamin Wirth des Bremer Architekturbüros Wirth gar nicht mal so anders. Tatsächlich hat sich Spellenberg sogar daran orientiert: Backstein, Steildächer und enge Gassen gibt es auch in seinem Entwurf, nur die Gracht zwischen den Reihen ist neu. Genauso wie das Areal, wo die Wirths ein Hochhaus planen. Spellenberg hat es durch mehrere fünfstöckige Häuser mit Steildächern ersetzt. Er sagt: „Man muss den Leuten Alternativen zeigen“, und meint vor allem: Alternativen zum Hochhaus. Der Siegerentwurf gefällt ihm ansonsten nämlich. Die Architekten hätten gute Arbeit geleistet, sagt er. „Das muss ich anerkennen.“
Man sehe, dass sie sich mit Vegesack auseinandergesetzt hätten. Nur das Hochhaus, das störe. Es passe schlicht nicht nach Vegesack, sagt er. Auch, weil es dem Alten Speicher die Show stehle: ein No-Go für Spellenberg. „das Hochhaus degradiert den Alten Speicher zum Lego-Baustein!“, sagt der Architekt empört. Würde es nicht gegen das Urheberrecht verstoßen, hätte er den Siegerentwurf auch einfach ganz kopiert, sagt Spellenberg. Ihm geht es nur darum zu zeigen, wie man auf das Hochhaus verzichten könnte. Theoretisch könne man seinen Entwurf für das Hochhaus-Areal auch einfach mit dem Entwurf der Wirth-Brüder kombinieren.
Spellenberg, Brandstaedter und Schroll sind nicht die Einzigen, der gegen das Hochhaus sind. Seit Veröffentlichung des Sieger-Entwurfs, steht es in der Kritik. Erst im vergangenen Jahr hat die Baudeputation beschlossen, dass es insgesamt neun Geschossen hoch werden darf – trotz Widerstands durch Denkmalpfleger und Bürger. Zuletzt hatte eine Bürgerinitiative begonnen, in Vegesack Unterschriften gegen das Hochhaus zu sammeln (wir berichteten). Die Petition läuft bis zu diesem Mittwoch.
Eben jene Bürgerinitiative hat seit Kurzem auch Spellenbergs Alternativ-Entwurf vorliegen – und befürwortet ihn. In einer Mitteilung an die NORDDEUTSCHE schreibt die Initiative, dass sie nach wie vor die Neubebauung des Areals gutheißt. „Allerdings ohne ein Hochhaus, das wie eine zweite Grohner Düne das Denkmal Alten Speicher um 17 Meter überragen würde.“
Sie bedaure zudem, dass Spellenberg 2018 nicht an dem Wettbewerb teilgenommen hat. Die Bewerber wurden damals von der Architektenkammer ausgesucht. Schroll hofft, dass das Hochhaus noch umgangen werden kann. Er könne sich jedenfalls gut vorstellen durch die gemütlichen Gassen mit den Kanälen aus Spellenbergs Entwurf zu flanieren. Im Kopf sehe er das gut vor sich.
Hochhaus bedeutet Ersparnis
Spellenberg selbst glaubt nicht daran, dass der Investor seine Pläne noch einmal überdenkt. So ein Hochhaus sei schließlich eine Ersparnis im Vergleich zu seinem Entwurf. „Man nimmt eine Grundfläche und baut die einfach neunmal nach oben“, sagt er. „Das ist viel weniger Arbeit“. Für den Investor sei dieses Projekt schließlich in allererste Linie eine Möglichkeit, um Geld zu verdienen. Dabei gehe es unterm Strich nicht um Vegesack. Er hofft stattdessen, dass ein anderer Aspekt seines Entwurfs vielleicht Beachtung findet: Für Spellenberg ist das Lürssen-Gebäude nämlich untrennbar mit dem ganzen Areal verbunden.
Er sagt: „Aus meiner Sicht nützen die besten Pläne nichts, wenn das prominenteste Areal am Hafenkopf, das Lürssen-Areal, nicht in die Neugestaltung einbezogen wird.“ Auch dafür hat er etwas entworfen: Ein modernes Gebäude mit großen Fensterfronten, die einen schönen Blick auf den Hafen freigeben. Seinen Vorschlag hat er bereits an die Lürssen-Werft geschickt. Der Jachtbauer könne sich ruhig einmal eine neue Residenz gönnen, findet er. Die alte sei ja nicht gerade ein Hingucker. Spellenberg kommt ursprünglich aus Stuttgart. Er sagt: „Als Schwabe dachte ich immer, nur wir wären besonders sparsam.“