"Hermine Overbeck-Rothe is 1869 in Walsraa op de Welt kamen" – Dutzende von Augenpaaren sind auf die zehnjährige Marlene gerichtet. Marlene und ihre Klassenkameradin Anna erzählen Lebensläufe – auf Plattdeutsch. Marlene "dat Leven vun Hermine Overbeck-Rothe", Anna von ihrem Mann Fritz Overbeck. Marlene hat den längsten Text. Jeder Vortrag wird mit Applaus belohnt. Und während Schulleiterin Britta Riethmöller den 50 Schülerinnen und Schülern zu Beginn im Overbeck-Museum noch ein "ich bin so unglaublich stolz auf euch" mit auf den Weg gibt, geht für Museumsleiterin Katja Pourshirazi ein weiterer Herzenswunsch in Erfüllung: Ein Audioguide mit Texten zu Gemälden und den Lebensläufen von Fritz und Hermine Overbeck "op platt".
Es sind die Schülerinnen und Schüler, die an diesem Vormittag im Fokus stehen. Denn Audioguides mit Sprachübersetzungen zu dem Künstlerehepaar beziehungsweise ihren Werken gibt es schon länger. "Vor vielen Jahren hatten wir die Idee dazu", erzählt Katja Pourshirazi dem Publikum. Ihr sei damals aufgefallen, dass es in Bremen-Nord "so viele verschiedene Sprachen" gibt. Ein Schauspieler oder eine Schauspielerin sollten es allerdings nicht werden, sondern die Nordbremer Kinder aus den jeweiligen Ländern, die laut der Museumsleiterin die Übersetzungen beispielsweise in Farsi übernahmen. "Dabei ist mir gar nicht aufgefallen, dass wir einen blinden Fleck haben", gesteht Pourshirazi den Gästen, unter anderem Frank Imhoff, Präsident der Bremischen Bürgerschaft, sowie Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt.
Niederdeutsch als Fremdsprache
Dann sei allerdings die Schule Schönebeck auf den Plan getreten. Die Schule ist langjähriger Kooperationspartner des Overbeck-Museums und unterrichtet seit 2014 Niederdeutsch als erste Fremdsprache. So entstand das Projekt „Audioguide op platt“, das die Klassen 4a und 4b durch das letzte Schuljahr begleitete. Ein Projekt, das durch die Corona-Pandemie ins Stocken geriet, maßgeblich durch Insa Melzer, Volontariat Museumspädagogik im Overbeck-Museum, begleitet wurde, "und bei uns im Deutsch- und Kunstunterricht einen breiten Raum eingenommen hat", erzählt Riethmöller. Die Schulleiterin dankt zudem den beteiligten Lehrern und Lehrerinnen, unter anderem Myriam Kolbe, die für das Plattdeutsche zuständig ist. Insgesamt zwölf Texte zu Gemälden und den Lebensläufen von Fritz und Hermine Overbeck wurden von den Kindern verfasst. "Erst einmal auf Hochdeutsch", wobei die Schülerinnen und Schüler das Overbeck-Museum und die Werke gründlich kennenlernten, anschließend half Insa Menzel in der Schule. Reinhard Goltz vom Institut für niederdeutsche Sprache übersetzte diese Texte dann ins Niederdeutsche, die Schülerinnen und Schülern sprachen sie auf Plattdeutsch ein. "Ganz toll, ich hätte das nicht machen können", lobt die Museumsleiterin und ergänzt: "Eine Sprache, die dem Malerehepaar Fritz und Hermine Overbeck vor 120 Jahren nicht fremd gewesen sein dürfte."

Der zehnjährige Theo hat in plattdeutscher Sprache die Erklärungen zum Hermine Overbeck-Rothe-Bild "Tulpenbett in‘n Goorn" eingelesen.
Es geht von Bild zu Bild, die beteiligten Schülerinnen und Schüler stellen sich vor dem Werk auf, geben – für alle hörbar – die plattdeutschen Erklärungen zu den einzelnen Gemälden ab. Neben den so besprochenen Werken hängen zudem neue Schilder, QR-Codes, "denn im digitalen Zeitalter hat fast jeder ein Smartphone, kann so den plattdeutschen Text abrufen", erläutert Melzer. Immer eine Schülerin oder ein Schüler haben diesen Text pro Gruppe eingelesen. So auch der zehnjährige Theo für das Werk von Hermine Overbeck-Rothe "Tulpenbeet im Garten" oder besser "Tulpenbett in‘n Goorn". Theo ist im Übrigen einer der wenigen, der auch außerhalb der Schule Kontakt mit der plattdeutschen Sprache hat. "Opa Borchi" aus Rastede sei es, der ab und zu mit seinem Enkel plattdeutsch spreche. Doch das flüssig vorgetragene Plattdeutsch zeigt, alle Schülerinnen und Schüler haben im Unterricht aufgepasst, sind dieser Sprache mächtig, wenn auch Marlene gesteht, "so manche Wörter musste ich besonders üben".

Mit den neuen Schildern, QR-Code im Overbeck-Museum, sind auch über das Smartphone die entsprechenden Erläuterungen zu den Werken auf plattdeutsch abrufbar.