Die Schiffseigner im Vegesacker Hafen sind vorbereitet. „Gegen die Angst hilft das hier“, sagt Clemens Rittel, IT-Manager und Hobbysegler, und nimmt einen meterlangen Wanderstab von der Wand des ehemaligen Kirchenschiffs St. Nikolaus. Seitdem Einbrecher nicht nur Geschäfte und Weihnachtsbuden in Vegesack aufbrechen, sondern auch Schiffe im Museumshafen, ist offenbar Hilfe zur Selbsthilfe angesagt. Von einer Whatsapp-Gruppe für Nachbarschaftsschutz bis hin zur Videoüberwachung: Die Kapitäne in Vegesack schützen ihr Eigentum.
Der malerische Museumshafen, einbettet zwischen Speicherkontor und Hafenwald, ist gerade 400 Jahre alt geworden und gilt als einer der ältesten künstlichen Häfen Deutschlands. Ein Dutzend Schiffe liegt hier zurzeit. Wer oben auf den Steintreppen steht, hat einen guten Blick auf die Sportboote, Segler und Museumsschiffe. „Man sitzt hier wie auf einem Präsentierteller“, sagt Schiffseigner Clemens Rittel. Es kommt vor, dass er sich von Passanten beobachtet fühlt. Und nach den Einbrüchen der vergangenen Wochen ist er überzeugt, dass es sich so verhält, denn einige Schiffe seien genau zu der Zeit aufgebrochen worden, in denen die Besitzer kurz mal nicht an Bord waren.
Wie viele Schiffseinbrüche gab es?
„Drei“, sagt die Bremer Polizei in der Zeit zwischen Ende November und Mitte Dezember. Aufgebrochen wurden zwei Sportboote sowie ein Museumsschiff. Mögliche Zusammenhänge mit anderen Einbrüchen in örtlicher und zeitlicher Nähe würden von der Polizei geprüft, heißt es (wir berichteten). Carsten Rendigs, Vorsitzender des Kuttervereins, nennt eine andere Zahl: Nach seinem Wissen wurden inzwischen vier Schiffe aufgebrochen, inklusive seines eigenen Hausboots De Vrouw Christina, einem Binnenfrachtschiff von 1909. „Was schlimm war, dass sie alles durchgewühlt haben.“ Seit dem Sommer habe es sogar sieben Einbrüche gegeben, meint Clemens Rittel von der St. Nikolaus. Auf jeden Fall sei die Stimmung im Hafen entsprechend gebremst, stellt Rendigs fest: „Alle haben Angst, dass sie auch einmal dran sind.“
Was wurde gestohlen?
Unbekannte erbeuteten laut Polizeisprecher Nils Matthiesen Bargeld und Elektroartikel. Das glaubt auch Rendigs: „Wir glauben, der hat Geld gesucht“, sagt er. „Die Blende vom Waschbecken wurde abgerissen, sogar die Klappe für die Wassertechnik hinter dem Klo wurde aufgemacht“, berichtet der Vereinschef. „Das sah hier aus wie auf einem Schlachtfeld.“
Clemens Rittel weiß, dass auf einem Schiff auch der Schlüssel eines in der Nähe abgestellten Fahrzeugs und später auch das Fahrzeug gestohlen wurde. Das Fahrzeug sei später wieder aufgetaucht. Rittel selbst blieb zwar dieses Jahr verschont, sein Kirchenschiff war aber im vergangenen Jahr bereits geknackt worden. Besonders ärgerlich: Das Türschloss der St. Nikolaus, in der früher bis zu 50 Gläubige beteten, stammte aus den Sechzigern: „So etwas findet man heute überhaupt nicht mehr.“
Wie schützen sich die Eigner?
Die Sicherheitsmaßnahmen am Museumshafen seien unzureichend, kritisiert Clemens Rittel. So würden die Codes zu selten geändert. Außerdem sei ein Zutritt über die Rettungsleiter gegeben. Und es dauere sehr lange, wenn Betroffene die Polizei riefen. Schließlich sei die Wasserschutzpolizei in Bremerhaven zuständig. „Ich hoffe, dass in einem echten Notfall die örtliche Polizei aktiv wird“, so der Schiffsführer. Sicherheitshalber haben die Mariner eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet, um sich gegenseitig schnell zur Hilfe eilen zu können. Auch nachts.
Der Mann aus Berne betreibt sein Kirchenschiff ohnehin als Wohnschiff. Nun verlagert er, so oft es geht, auch sein Homeoffice an Bord. „Es wird nicht gern gesehen, wenn wir hier übernachten, aber ich will mein Eigentum schützen“, sagt Clemens Rittel. Außerdem habe er durch seine Anwesenheit bereits einen Einbruch verhindern können. „Ich habe abends noch eine Pizza gegessen und durchs Fenster einen Täter gegenüber auf der Pax gesehen. Den konnte ich vertreiben.“ Wie andere Kapitäne auch habe er sein Schiff inzwischen gesichert: „Die Sirene geht mit dreimal 130 Dezibel los.“
Wie schätzt der Hafenbetreiber die Lage ein?
„Es gab leider auch in den vergangenen Jahren Einbrüche, aber nicht in der aktuellen Häufigkeit. Im Durchschnitt war es etwa ein Einbruch pro Jahr“, berichtet Juliane Scholz, Sprecherin der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Inzwischen habe die WFB Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit getroffen. Juliane Scholz: „So ist der Zugang zu den Stegen durch Türen mit einem Zugangscode gesichert. Der Code wird regelmäßig geändert. Aber man kann leider nicht ganz verhindern, dass sich Personen dennoch Zutritt zu den Stegen durch Übersteigen der Absperrungen verschaffen. Allerdings haben wir dies, soweit möglich, erschwert.“ Die WFB habe zudem das Gespräch mit der Polizei gesucht und darum gebeten, öfter am Hafen Streife zu gehen. „Die Polizei empfiehlt den Eigentümerinnen und Eigentümern der Schiffe das Installieren von Alarmsystemen auf den Schiffen.“