Ein Umzugslastwagen war schon da, in anderthalb Woche kommt der nächste. Und bis dahin heißt es: packen. In Vegesack muss alles in die Kartons, in Bremerhaven alles aus den Kartons. Baustelle, wenn man so will, sind momentan beide Adressen des Schulschiff-Vereins. In den kommenden Wochen soll der Standortwechsel so gut wie vollzogen sein – und es nur noch eine Anschrift geben: Barkhausenstraße 4, gleich neben dem Lloyd-Platz in der Seestadt. Quasi einen Steinwurf vom Neuen Hafen entfernt, wo der Großsegler vor rund vier Monaten festgemacht hat.
Alle sind am Kistenschleppen, auch Claus Jäger. Der Vereinschef sortiert an diesem Morgen Leitz-Ordner in Umzugskartons. Ein Hefter, der so dick wie eine Faust ist, enthält allein die Einwände, die der Vorstand gegen den Bau des neungeschossigen Wohnhauses am Vegesacker Hafen vorgebracht hat. Der Streit um das Gebäude, das in Sichtweite zum alten Vereinssitz entstehen soll, ist für die Mitglieder inzwischen Geschichte. Jäger will die Akten trotzdem mitnehmen. Dabei gibt es genügend andere Kartons, die er in seinem neuen Büro noch gar nicht ausgepackt hat. Der Vorsitzende sagt, dass sie quasi überall stehen.
Möbelpacker haben sie gebracht. Zu sechst waren die Männer einen Tag lang damit beschäftigt, so viel Inventar wie möglich von der alten zur neuen Geschäftsstelle zu schaffen. Vor allem das Archiv des Vereins, der in 122 Jahren mehr Dokumente, Verzeichnisse und Logbücher angesammelt hat als in einen 50 Quadratmeter großen Raum passen. Die Papiere wurden deshalb in vier Zimmern gelagert. Jetzt sind fast alle geräumt und fast alle Regale leer. Auf einem Tisch stapeln sich noch Kartons mit Fotos, Bildbänden und Zeichnungen, auf denen das Schulschiff in voller Fahrt zu sehen ist. Jäger will sie bei der nächsten Umzugstour einladen.
Anderes soll dagegen nicht nach Bremerhaven. Zum Beispiel die Computertechnik, die geleast ist und deshalb an die Firma zurückgegeben wird. Zum Beispiel die Teeküche, die abgeschrieben werden soll. Zum Beispiel die Büroausstattung, die schon gebraucht war, als der Verein sie bei der Eröffnung der Geschäftsstelle am Alten Speicher vor 21 Jahren einbauen ließ. In den Zimmern ist niemand mehr. Jäger geht vorbei an einem Schreibtisch, an dem Archivar Dieter Keithahn quasi Wand an Wand mit Cornelia Schwinge und Heide Ortmann gesessen hat. Auch die Sekretärin und die Veranstaltungsplanerin werden nicht nach Bremerhaven wechseln.
Genauso wenig wie die Kisten und Wäschekörbe voller Aktenordner, die sich in einem Lagerraum im Erdgeschoss stapeln. Die alte Schulschiff-Mannschaft hat über Wochen aussortiert, was an Unterlagen nicht mehr gebraucht wird, damit das neue Team nicht gleich mit Ballast startet. Jäger sagt, dass alle Dokumente vereinsinterne Dokumente sind und deshalb geschreddert werden müssen, bevor sie ins Altpapier können. Er glaubt, dass das Tage dauern wird. Die Kisten und Körbe reichen ihm fast bis zur Hüfte und reihen sich mehrere Meter lang an der Wand. Der Vereinschef glaubt, dass in ihnen an die 200 Ordner sind.
Und mit denen soll Lisa Lies nichts zu tun bekommen. Sie ist die neue Sekretärin und André Stöter der neue Betriebstechniker des Schiffes. Er soll künftig in Bremerhaven machen, was Ingo Müller-Fellmett über Jahrzehnte in Vegesack gemacht hat: den Zustand des Rahseglers erhalten. Laut Jäger hatte Stöter am Montag seinen ersten Tag und ist das Team, das sich am neuen Liegeplatz ums Schulschiff kümmert, fast genauso groß wie am alten. Die Zahl der Wachgänger ist sogar größer als in Vegesack. An der Lesummündung schauten vier Helfer regelmäßig nach dem Segler, im Neuen Hafen sind es sechs.
Dort ist der Verein jetzt Mieter von Büroräumen, am alten Standort war er so etwas wie ein Miteigentümer: Einen Teil der Baukosten für das Gebäude an der Lesum hat er bezahlt, den anderen die Stadt. Nach Jägers Rechnung belief sich der damalige Betrag, den der Verein beigesteuert hat, auf fast eine Million Mark. Wie viel er von der Summe wiederbekommt, wird gerade von Gutachtern ermittelt, die sich am Verkehrswert orientieren wollen. Die Wirtschaftsförderung hat sie eingeschaltet. Sie ist Vertragspartnerin des Vereins und wird, sobald der ausgezogen ist, zur Alleinverwalterin der Immobilie.
Was aus ihr werden soll, ist noch unklar. Andrea Bischoff sagt, dass jetzt erst einmal die Grundlagen ermittelt werden, um dann das weitere Vorgehen mit den beteiligten Ressorts beraten zu können. Die Sprecherin der Wirtschaftsförderung geht davon aus, dass für eine Nachnutzung ein Vergabeverfahren ausgeschrieben werden muss. Auch der Restaurantbetreiber, der einen Teil des zweigeschossigen Gebäudes gepachtet hat, ist momentan am Packen. Jäger sagt, dass das Haus komplett leer sein muss, um es übergeben zu können. So ist es mit der Stadt vereinbart worden.
Für ihn heißt das: Auch das Büro, das er für seine Anwaltskanzlei genutzt hat, muss geräumt werden. Jäger will demnächst einen Termin mit den Möbelpackern machen. Ende April läuft der Vertrag mit der Stadt aus.