Ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik 2023 zeigt, dass die Zahl der Straftaten gestiegen ist. Das gilt sowohl für die Stadt als auch für den Bremer Norden. Klassische Hotspots kann die Polizei in Vegesack aber trotzdem nicht ausmachen.
Nach den Worten von Jan Müller gab es im vergangenen Jahr 7914 Straftaten im Bremer Norden. "Vegesack sticht dabei hervor und trägt die meisten Fälle aus diesem Bereich", sagte der Abteilungsleiter Nord-West der Bremer Polizei während der Sitzung des Vegesacker Beirates in dieser Woche. Grund dafür dürfe sein, dass der Stadtteil als Mittelzentrum einen besonderen Charakter habe. Lediglich bei den Straftaten zum Nachteil von Polizeibeamten ist Vegesack nicht an der Spitze. "Hier steht Burglesum auf Platz eins", so Müller. "Das schreiben wir im Wesentlichen dem Umstand zu, dass sich in Lesum unsere Zellen befinden." Das hohe Konfliktpotenzial sei vor allem mit dem direkten Umgang zu erklären, den die Beamten hier mit den Festgenommenen hätten.
Wichtig bei der Betrachtung der Kriminalstatistik sei die Entwicklung der Bevölkerung. "Dabei zeigt sich, dass der Bremer Norden wächst", sagte der Beamte. "Innerhalb eines Jahres sind knapp 2000 Einwohner dazugekommen – der Großteil davon in Vegesack." Dort würden im Vergleich zu 2022 nun 1500 Menschen mehr leben. Dieser Umstand sei zwar nicht ursächlich für bestimmte Entwicklungen, aber die Basis. "Da, wo Menschen leben, passiert auch etwas", schilderte er. Und das wirke sich dann eben auch auf die polizeiliche Kriminalstatistik aus.
Einsatze während der Fußball-EM
Mehr Straftaten bedeuten auch mehr Einsätze. Und die dürften Müller zufolge im Sommer noch einmal steigen. Grund dafür ist unter anderem die Fußball-Europameisterschaft, die in diesem Jahr in Deutschland stattfindet. Zwar wird keines der Spiele in Bremen ausgetragen. Dennoch rechnet der Abteilungsleiter damit, dass Kräfte aus der Hansestadt in anderen Bundesländern unterstützen müssen. "Die fehlen dann für den Einsatz in Bremen", so Müller. "Für die Kollegen in Nord bedeutet das, dass sie Lücken schließen müssen, die durch den Einsatz während der EM entstehen."
Mit Blick auf die vorgestellte Erhebung stellte sich für Eyfer Tunc (CDU) die Frage, welche Bedeutung Clan-Kriminalität in Vegesack hat. Eine Antwort konnte Müller hierauf aber nicht geben. "Dieses Thema findet sich in der polizeilichen Kriminalstatistik nicht wieder", sagte er.
Darüber hinaus wollte die Christdemokratin wissen, wie häufig es rund um den Vegesacker Bahnhof zu Diebstählen kommt. "Dass am Vegesacker Bahnhof, ähnlich wie am Hauptbahnhof, wo sich tagtäglich viele Menschen treffen, eine andere Dynamik in der Kriminalität ist, das ist an der Stelle klar", erläuterte Müller. "Seitdem ich hier bin, konnten wir aber an keinem Deliktsfeld feststellen, dass wir am Bahnhof einen absoluten Hotspot haben."
Antänzer in der Lindenstraße
Die Situation rund um die Sparkasse an der Gerhard-Rohlfs-Straße beschäftigte Andreas Kruse (CDU). "Von mehreren Bürgern habe ich gehört, dass einige Senioren, die dort ihre Rente abgehoben haben, anschließend ausgeraubt wurden", schilderte er. Dass es solche Fälle gibt, bestätigte Müller. "Die Polizei ist da bereits dran", sagte er.
Allerdings wird den Beamten nicht jeder Vorfall gemeldet. "In der Lindenstraße ist eine Seniorin Opfer von Antänzern geworden, die ihr letztlich das Portemonnaie gestohlen haben", berichtete Natalie Lorke (CDU). "Das Problem hierbei ist aber, dass die Betroffene aus Scham keine Anzeige erstattet hat." Müller betonte noch einmal, dass die Polizei nur dann tätig werden kann, wenn eine Straftat auch zur Anzeige gebracht wird.
Norbert Arnold (SPD) erinnerte sich an die Beiratssitzung im März. Damals bestätigte Jan Müller, dass der Notruf der Bremer Polizei in Stoßzeiten mitunter schwer zu erreichen ist. Nun wollte Arnold wissen, wie die Situation heute ist. "Mittlerweile steuert die Leitstelle ihr Personal so, dass auch zu den Einsatzspitzen genügend Mitarbeiter da sind, um Notrufe entgegenzunehmen", erklärte Müller. "Dadurch konnte die Situation deutlich verbessert werden."
"Viele Bürgerinnen und Bürger haben kaum die Gelegenheit, mit der Polizei ins Gespräch zu kommen", stellte Thomas Pörschke (Grüne) fest. Um das zu ändern, schlug er vor, dass die Sprechstunde der Beiratssprecher einmal im Quartal um einen weiteren Ansprechpartner ergänzt werden sollte: einen Vertreter der Polizei beziehungsweise des Ordnungsamtes. Über diese Idee könne man nachdenken, erklärte Thomas Kötteritzsch. "Ich möchte aber darauf hinweisen, dass Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, über den Zentralruf der Polizei eine Rückrufbitte bei einem Kop zu hinterlegen", sagte der Leiter des Vegesacker Polizeireviers. Diese Gelegenheit biete sich bei jedem Problem und werde häufig genutzt. Das Gremium hat sich aber trotzdem darauf verständigt, eine kombinierte Sprechstunde von Beirat und Ordnungsbehörden zu fordern.