Es ist noch gar nicht lange her, da sorgten die Schimmelsanierung und die damit verbundenen Einschränkungen im Kinder- und Familienzentrum Beckedorfer Straße für großen Unmut bei den Eltern. Nun gibt es das nächste Problem: Die Stadt hat den sogenannten Kita-Sozialindex turnusgemäß neu berechnet. Und das hat weitreichende Folgen für die Nordbremer Einrichtung.
Nach den Worten von Patricia Brandt basiert der Kita-Sozialindex auf dem Quartiers-Index des Statistischen Landesamtes. "Auf diese Berechnung greifen verschiedene Senatorische Behörden gleichermaßen zurück", sagt die Sprecherin von Kinder- und Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD). Berücksicht werden dabei unter anderem Aspekte wie der Sprachförderbedarf, die Nichtabiturquote sowie die Anzahl der Leistungsbezieher. "Aufgrund der Berechnung des Index auf einer Skala von 0 bis 100 ist der Kita-Sozialindex kein absolutes Maß für soziale Benachteiligung, sondern ordnet die Kitas in einem Verhältnis zueinander nach stärker und weniger stark belasteten Einrichtungen", betont Brandt. Welchen Wert das Kinder- und Familienzentrum Beckedorfer Straße hat beziehungsweise haben wird, sagt sie allerdings nicht. Grund dafür sei, dass man eine öffentliche Stigmatisierung einzelner Einrichtungen vermeiden will.
Dass das Kinder- und Familienzentrum Beckedorfer Straße bei der Neuberechnung besser abgeschnitten hat, liegt weder an der sozialen Lage im Quartier noch am Standort der Kita. Ausschlaggebend sei einzig und allein die soziale Lage an den Wohnadressen der Kinder. Brandt zufolge habe die sich im Durchschnitt verbessert. "Ob sich die soziale Lage absolut verbessert hat, sagt der Indexwert nicht aus", so die Behördensprecherin. "Auf jeden Fall hat sie sich im Vergleich zur sozialen Zusammensetzung in anderen Kitas verbessert."
Eltern beklagen falsches Bild
Der Elternbeirat der Einrichtung geht davon aus, dass das Neubaugebiet Hammersbecker Wiesen ursächlich für die Herabstufung ist. "Dort wohnen gebildete Menschen mit einem guten Einkommen", sagt Beiratsmitglied Jasmin Bruns. "Und damit sorgt das Neubaugebiet für ein falsches Bild." Denn das Gros der Kinder, die dort wohnen, würden nicht in die Einrichtung an der Beckedorfer Straße gehen.
Diesen Zusammenhang sieht die Behörde allerdings nicht. "Wenn zum Beispiel Kinder aus einem benachbarten Neubaugebiet – mit einem besseren Sozialindikator – die Kita gar nicht besuchen, wirkt sich dies auch nicht auf den Sozialindex der Einrichtung aus", erklärt Brandt.
Aus dem gleichen Grund sind Kindergärten in der direkten Nachbarschaft auch nach den Sommerferien noch Index-Häuser. "Die Kita Blumen-Kids und das Kinder- und Familienzentrum Fährer Flur werden stärker von Kindern aus Quartieren mit einem schlechteren Sozialindikator besucht als das Kinder- und Familienzentrum Beckedorfer Straße", sagt die Behördensprecherin.
Von dem Index-Status würden vor allem Eltern profitieren, die wenig oder gar kein Deutsch sprechen. Denn die Einstufung führt dazu, dass zusätzlich zu den pädagogischen Fachkräften eine sogenannte Koordinatorin in der Einrichtung arbeitet. Und die helfe beispielsweise bei der Anmeldung für den Kindergarten oder begleitet Arztbesuche. Auch wenn Bruns all das selbst kann, war auch sie schon auf die Koordinatorin angewiesen. In einer Notlage, wie sie selbst sagt, verhalf ihr die Kita-Mitarbeiterin zu einer Wohnung, in der sie bis heute mit ihrer Familie lebt. "Unsere Koordinatorin ist nicht mehr wegzudenken, weil sie so viel auffängt, was weder die Erzieher noch die Einrichtungsleitung leisten können", sagt die vierfache Mutter.
Koordinatoren-Stelle gestrichen
Und trotzdem wird es so sein, dass die Koordinatorin nur noch bis zu den Sommerferien im Kinder- und Familienzentrum Beckedorfer Straße arbeitet. Gekündigt wurde ihr aber nicht. Brandt zufolge wird sie künftig in einer anderen Einrichtung von Kita Bremen eingesetzt. Gänzlich auf sich allein gestellt seien die Familien aber trotzdem nicht. "Das Team des Kinder- und Familienzentrums Beckedorfer Straße bleibt im Rahmen seiner Möglichkeiten aktiv in der Zusammenarbeit mit den Familien und wird ihnen beratend und unterstützend zur Seite stehen", sagt sie. "Aufgrund des Wegfalls der Koordinatoren-Stelle kann die Beratung aber ab dem 1. August nicht mehr in der bisherigen Intensität angeboten werden."
Dass die Einrichtung demnächst keine Index-Kita mehr ist, hat noch weitere Auswirkungen. Zum Beispiel auf Erzieherinnen und Erzieher, die neueingestellt werden. Sie bekommen Brandt zufolge weniger Geld. Eine höhere Eingruppierung sei laut Tarifvertrag nur bei besonders schwierige Aufgaben zulässig.
Darüber hinaus steht auch dem Haus weniger Geld zur Verfügung. Dadurch gibt es beispielsweise Einschnitte beim Frühstück. Das wird Bruns zufolge im Moment noch jeden Freitag angeboten. "Das ist schon eine Erleichterung – auch finanziell", sagt die Mutter. Zudem steige bei den Kindern die Bereitschaft, gesunde Lebensmittel zu essen. Anders als zu Hause würde es ihnen in der Kita leichter fallen, auf Süßes zu verzichten. Ob es das Frühstück auch nach den Sommerferien noch gibt, ist laut Bruns ungewiss.
Geht es nach den Eltern, muss das Kinder- und Familienzentrum Beckedorfer Straße auch nach den Sommerferien noch Index-Kita sein. Und zwar mit allem, was dazugehört. "Wir kritisieren die Berechnungsgrundlage scharf", sagt sie. "Denn wir sind nun eine Regel-Kita, die wir definitiv nicht sind." Nach den Worten von Behördensprecherin Brandt wird sich an der Einstufung aber so schnell nichts ändern. "Die nächste regelhafte Neuberechnung ist für Oktober 2027 geplant mit Wirkung der Umsteuerung zum Kita-Jahr 2028/2029."