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Versorgungslage in Bremen-Nord Ärzte beklagen Personalmangel

Schwierig ist die Situation für Nordbremer Kinderärzte schon lange. Doch ihnen zufolge droht sie jetzt dramatisch zu werden: Drei Berufskollegen hören auf. Und für keinen von ihnen gibt es einen Nachfolger.
21.02.2024, 18:00 Uhr
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Ärzte beklagen Personalmangel
Von Christian Weth

Christian Wagner hat schon häufiger gesagt, dass die Situation der Nordbremer Kinderärzte schwierig ist – aber jetzt droht etwas, was sie ihm zufolge dramatisch macht: Drei Berufskollegen gehen, mal in den Ruhestand, mal weg aus Bremen. Und für keinen von ihnen gibt es einen Nachfolger. Mit der Folge, dass ihre Zahl ab Ostern erst auf 13, ab Sommer auf zwölf sinken wird. Das war vor Jahren schon einmal so. Nur gibt es im Vergleich zu damals einen Unterschied. Außer Ärzte fehlen nun auch immer mehr medizinische Fachangestellte.

Vor einiger Zeit gab es noch Kinderarztpraxen in Vegesack, Blumenthal und Burglesum, die konnten neue Patienten aufnehmen. Inzwischen weiß Wagner von keiner einzigen mehr, die das uneingeschränkt machen kann. Auch bei ihm gibt es wieder einen Aufnahmestopp. Einen generellen. Andere haben einen regionalen. Zum Beispiel Joachim Schlage und Andreas Mühlig-Hofmann. Die beiden Blumenthaler Ärzte nehmen notgedrungen nur noch Kinder aus dem Stadtteil auf, weil für mehr einfach die Kapazitäten nicht reichen. Wie bei Wagner kommt es auch bei ihnen seit Langem immer wieder zu Überstunden. Und wie bei ihm hat sich auch bei ihnen der Behandlungstakt erhöht, um das tägliche Pensum an Patienten bewältigen zu können.

Wagner weiß das alles, weil er für alle Kinderärzte im Norden spricht. Der Vegesacker ist ihr Obmann. Darum hat er sich auch in ihrem Namen sowohl an die Kassenärztliche Vereinigung gewandt als auch an Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Beide sollen helfen, am besten sofort. Den Zusammenschluss bat er um die Teilnahme Nordbremer Mediziner an einem geplanten Krisengespräch. Die Behördenchefin um eine Auskunft zu ihrer Strategie. Das Treffen mit Entscheidern des Zusammenschlusses aller Vertragsärzte steht noch aus, genauso wie eine Antwort der Ressortspitze. Das Schreiben, sagt Wagner, ist Ende vergangenen Monats an sie rausgegangen. Ihm zufolge gab es bisher noch nicht mal eine Eingangsbestätigung ihre Büros.

Der Vegesacker Kinderarzt hat beiden geschildert, wie er und seine Kollegen die Sache sehen. Wagner vergleicht den Norden der Stadt inzwischen mit Bremerhaven. Auch dort haben mehrere Kinderärzte aufgehört und werden weitere aufhören. Auch für sie konnten trotz jahrelanger Suche keine Nachfolger gefunden werden. Was am Ende dazu führte, dass immer mehr Eltern ohne einen Arzt für ihr Kind dastehen. So viele, dass eine Mutter eine Petition gestartet hat, die von Januar bis heute von knapp 1500 Menschen unterschrieben wurde. Sie fordern den Magistrat der Stadt auf, Geld bereitzustellen, um neue Mediziner anzuwerben und den Standort für sie attraktiver zu machen. Und die Kassenärztliche Vereinigung soll das flankieren.

Wagner weiß, dass es ähnliche Forderungen auch für den Bremer Norden gab. Dass es immer wieder hieß, die Behörde müsse Reklame für ihn in der Ärzteschaft machen. Und das Ressort hätte mit dem Bündnis der Kassenärzte über Anreize zu sprechen, nicht bloß für neue Kinderärzte. Nur jetzt, meinen er und seine Kollegen, darf es nicht mehr bei diesen Forderungen bleiben. Nun müssen Konzepte her, damit es für Lösungen des Problems nicht irgendwann zu spät ist. Potenziert hat es sich nach ihren Worten schon: Früher wollten keine Mediziner in den Norden der Stadt, jetzt finden sich auch für den Rest der Stadt immer weniger. Und früher ging es um einen Mangel an Medizinern, nun geht es auch um einen an Helfern und Personal für den Empfangstresen.

Diana Schlee erklärt, dass der Behörde die Schwierigkeiten bewusst sind. Nach Angaben der Sprecherin von Gesundheitssenatorin Bernhard ist das Schreiben der Nordbremer Mediziner noch nicht beantwortet worden, weil die Behörde gerade dabei ist, einen neuen Aufschlag für einen Runden Tisch zur kinderärztlichen Versorgung zu prüfen. Ihr zufolge hat es Ende vergangenen Jahres einen Austausch zwischen Ressort, Gesundheitsämtern, Berufsverbänden, Kassenärztlicher Vereinigung und Kliniken gegeben, um Lösungsansätze zu erarbeiten. Dazu zählt sie die Verzahnung telemedizinischer und niedrigschwelliger Angebote. Den Einsatz von Ärzten, die in den Ruhestand gegangen sind. Und den Bau medizinischer Versorgungszentren.

Für die Kassenärztliche Vereinigung ist die Situation der Kinderärzte in machen Gebieten so kritisch, dass sie jede Initiative unterstützt, die auf das Problem hinweist. So sagt das Christoph Fox. Und auch, dass die Politik mehr machen muss als sie bisher gemacht hat. Nach den Worten des Sprechers des Zusammenschlusses hat sie sich bislang vor allem auf den sogenannten Sicherstellungsauftrag der Vereinigung berufen, der aber nur begrenzte Finanzierungsmöglichkeiten bietet. Aus Fox' Sicht müssen die Kommunen und das Land erkennen, dass sie im Rahmen der Daseinsvorsorge ebenfalls Pflichten haben – und sich darum an der Schaffung von Anreizen beteiligen müssen anstatt sie den Kassenärztlichen Vereinigungen zu überlassen.

Wagner ist es im Grunde egal, wer hilft. Nur schnell muss es gehen. Der Vegesacker Kinderarzt findet, dass er und seine Berufskollegen sofort Unterstützung brauchen. Der Andrang in seiner Praxis ist inzwischen so groß, dass die langen Wartezeiten noch einmal länger geworden sind. Er meint, sich nicht daran erinnern zu können, dass sie schon einmal so lang waren wie jetzt: Wer sein Kind bei ihm für eine Vorsorgeuntersuchung anmeldet, kann frühestens in acht Wochen kommen. Die beiden Blumenthaler Kinderärzte Schlage und Mühlig-Hofmann kommen wegen der vielen Anfragen auf eine noch ganz andere Zeitspanne, die sich Eltern gedulden müssen, ehe ihr Kind drankommt. Die nächsten Vorsorgetermine haben sie im Juni frei. 

Dass zu wenige Kinderärzte auf zu viele Kinder kommen, haben die Blumenthaler Beiratsfraktionen immer wieder kritisiert. Jetzt machen sie etwas anderes: Zahlen einfordern. Seit vergangener Woche wollen sie von der Gesundheitsbehörde wissen, wie viele Mediziner für Kinderheilkunde es in Blumenthal noch gibt und wie viele Allgemeinmediziner. Wie viele Kinderarzt- und Hausarztpraxen einen Aufnahmestopp haben. Und wie viele Kinder und Erwachsene mittlerweile ohne festen Mediziner sind. Vor allem aber wollen sie vom Ressort erfahren, was es unternimmt, um die Versorgungslage zu verbessern. Für die SPD hat sie sich kontinuierlich verschlechtert.

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