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Millionenprojekt Speicher-Quartier in Vegesack: Welche Arbeiten jetzt anstehen

Erst wurde oben alles abgerissen, jetzt geht es unten weiter. Der Boden des Haven Höövt wird fürs Speicher-Quartier tragfähiger gemacht – mit so vielen Pfählen, dass die Arbeiten Monate dauern werden.
18.10.2022, 18:00 Uhr
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Speicher-Quartier in Vegesack: Welche Arbeiten jetzt anstehen
Von Christian Weth

Die Baustelle sieht wie das Becken eines Bades aus: Überall ist Land unter – im früheren Bereich der Brandmeldezentrale, des Lagers, der Tanks. Projektleiter Hauke Schiller schätzt, dass es 1000 Kubikmeter Regenwasser sind, die sich angesammelt haben. Und nun abgepumpt werden müssen, damit die Arbeiter zu ihrem nächsten Arbeitsplatz können. In den Keller des abgerissenen Haven Höövt, zu den Bodenplatten und Betonpfählen darunter. Alles muss verstärkt werden, damit mehr als ein Einkaufszentrum am Vegesacker Hafen stehen kann. Das Speicher-Quartier. 

Schiller war dabei, als das mehrgeschossige Geschäftsgebäude entkernt wurde. Als Bagger es abrissen und ein Betonbrecher es kleinmachte. Jetzt macht der Ingenieur auch bei der zweiten Bauphase des 120-Millionen-Euro-Projektes mit: bei den Erdarbeiten, die er Gründung nennt – ein Bau unterm Bau, wenn man so will. Er wird gebraucht, um Lasten besser zu verteilen, wenn der Boden allein sie nicht halten kann. Das Haven Höövt wurde quasi auf Sand gebaut – und auf Pfählen und Pfahlbalken, die das Gewicht in tiefere und tragfähigere Erdschichten ableiten. Und von diesen Pfählen und Pfahlbalken braucht es jetzt mehr.

Es gibt einen Plan, der zeigt, wo sie im Boden sind – und einen anderen, der deutlich macht, was verändert werden muss. Artur Braun hat ihn entworfen. Auch er ist Ingenieur. Auch er gehört zur Projektgruppe. Der Tragwerksplaner sagt, dass 802 Stahlbetonpfähle im Boden sind und noch mal 641 hinzukommen, damit auf dem Gelände am Hafen nicht bloß ein einzelner Komplex stehen kann, sondern ein Quartier. Sechs Baufelder mit genauso vielen Gebäuden sieht der Entwurf vor. Nach Brauns Rechnung können die neuen Pfähle bis zu 1500 Kilonewton tragen. Ein Kilonewton entspricht der Gewichtskraft von 100 Kilo.

Sechs Monate hat es gedauert, bis der Tragwerksplan fertig war. Und Projektleiter Schiller soll jetzt innerhalb der gleichen Zeit dafür sorgen, dass er umgesetzt wird. Der Ingenieur steht am Rand der Kellergrube und schaut hinab ins Wasser. Eine Woche hat er fürs Abpumpen einkalkuliert und acht fürs Heraustrennen von Bodenplatten. Ihm zufolge müssen so viele weg, dass die Arbeiter am Ende den Beton auf einer Länge von vier Kilometern aufgeschnitten haben werden. Und weil das viel ist, kommen mehrere Fugenschneider, die wie Rasenmäher über die grauen Flächen geschoben werden, zum Einsatz.

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Die Platten müssen weg, um Platz zu schaffen für die neuen Pfähle. Auf der Karte von Tragwerksplaner Braun kann man sehen, wo der Boden aufgeschnitten werden muss – und wo die neuen Stahlbetonträger hinsollen. Und wie tief sie in die Erde kommen. Mal geht es um 15 Meter, mal um acht. Mal sind die neuen Pfähle in einer Reihe angeordnet, mal stehen sie separat. Von oben sieht der Plan wie die Schablone eines Mosaiks aus, bei dem der Grundriss des Haven Höövt durchscheint: hier die Rotunde, die den früheren Kuppelbau am Eingang beschreibt, dort das lang gezogene Viereck, in dem ein Großteil der Einkaufsetagen war.

Es sind noch andere Muster zu erkennen. Sie lassen erahnen, wo die neuen Gebäude stehen werden: das Polizeikommissariat, die Seniorenwohnanlage, das Hotel, die Kita, der Wohn- und Geschäftskomplex. Macht zusammen eine Fläche von fast 10.000 Quadratmeter, die künftig mehr tragen muss als bisher – und knapp 600 Kubikmeter an Betonplatten, die aus dem Boden müssen, damit 2300 Kubikmeter an neuen Bodenplatten hineinkönnen. Und die zusätzlichen Pfähle. Die Arbeiter wollen sie weder rammen noch mittelst Vibrations- oder Bohrtechnik in Position bringen. Diese Pfähle werden gedrückt.

Tragwerksplaner Braun nennt sie deshalb Verdrängungspfähle. Er sagt, dass Rammen und Vibrieren wegen benachbarter Bauten wie den Alten Speicher und das Kontor-Gebäude nicht infrage kommen – und Bohren nicht, weil im Hafengebiet auch Altlasten im Boden sind. Und die sollen nicht nach oben kommen. Darum wird in den nächsten Monaten, wenn das Team von Projektleiter Schiller einen Teil der Bodenplatten entfernt hat, ein spezielles Kettenfahrzeug mit einem meterhohen Turm gebracht, in dem die Stahlbetonpfähle mit der Kraft von 120 Tonnen in den Boden gepresst werden.

Später kommt dann noch mal der Betonbrecher und macht mit den herausgeschnittenen Bodenplatten, was er schon mit den Mauern und Wänden des Haven Höövt gemacht hat: alles klein. Die Betonbrocken werden als Füllmaterial für den Keller gebraucht. Auch der Kieselberg, der vom früheren Einkaufszentrum übrig geblieben ist und seit Monaten auf dem Gelände zu sehen ist, soll dann im Boden verschwinden. Schiller sagt, dass allein der auf 5000 Kubikmeter Steine kommt. Er geht davon aus, dass beides zusammen – der Berg und der neue Betonbruch – nahezu ausreichen werden, um die Gründungsgrube zu schließen.

Im März soll es so weit sein. Dann beginnt für die Teams die letzte Etappe beim Speicher-Quartier: der Hochbau. Anders als beim Abriss des Haven Höövt, bei dem sie sich von hinten nach vorne durchs Gebäude gearbeitet haben, ist die Reihenfolge beim Aufbau umgekehrt. Die Handwerker beginnen direkt an der Friedrich-Klippert-Straße, wo das neue Kommissariat stehen wird. Spätestes Ende 2025 soll es fertig sein.

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