„Eigentlich“, sagt der Mann, der seinen Wagen gerade im absoluten Halteverbot vor der Grundschule Rablinghausen abgestellt hat, „eigentlich fahre ich ja immer mit dem Fahrrad, um meine Tochter abzuholen.“ Doch heute sei das nicht möglich gewesen, also: Auto. „Es geht nicht anders, mein Kind muss über die Stromer Straße, doch das ist zu gefährlich.“ Dort sei zwar Tempo 30 vorgeschrieben, „doch sie fahren dort viel schneller.“
Derweil kommt Bewegung in den sonst recht beschaulichen Dorfkampsweg, kurz vor 13 Uhr. Die Autos rollen an, stehen wie selbstverständlich im Halteverbot, teilweise mit laufendem Motor – und warten. „Das geht schon gut los“, sagt dazu Christian Ochmann von der benachbarten Kita Charlotte Niehaus. Auf der Straßenseite der Kita herrscht absolutes Halteverbot und das nicht ohne Grund: „Es geht darum, dass hier alles zugeparkt wird und Kinder die Straße überqueren. Jetzt haben sie zwar noch einen freien Blick, aber wenn da noch zwei, drei Autos mehr stehen, werden die Kinder nicht mehr gesehen.“
Eltern, die ihre Kinder abholen. Das hört sich erst einmal löblich an, kann aber problematisch werden. So ist es nicht nur gefährlich, wenn durch die vielen Autos die Kinder nicht mehr beim Überqueren der Straße gesehen werden. Zudem lernen die Kinder dadurch nur unzureichend, sich auf die Herausforderungen des Straßenverkehrs einzustellen, wenn ihnen eigenständige Erfahrungen vorenthalten werden. Außerdem trägt der tägliche Bewegungsmangel nicht dazu bei, die Gesundheit der lieben Kleinen zu fördern.
Stadtteilübergreifendes Problem
Das Elterntaxi-Problem ist aber beileibe nicht auf Rablinghausen beschränkt – auch in Schwachhausen, Walle, Horn, Hemelingen und anderen Stadtteilen in Bremen ist dieses Phänomen altbekannt, doch eine Lösung scheint auch dort nicht in Sicht. „Wer selber geht, der ist schon groß!“ heißt da zum Beispiel eine zum Start des Schuljahres 2022/23 initiierte Aktion mit der Bildungssenatorin Sascha Aulepp als Patin. Diese Aktion soll nicht nur dazu dienen, die Selbstständigkeit der Kinder im Straßenraum zu erhöhen, sondern auch die Bekanntheit von Schulexpress-Haltestellen zu steigern. An diesen Haltestellen können sich Kinder treffen, um dann gemeinsam zur Schule zu gehen.
Eine konkrete Lösung hat Christian Ochmann parat: Er schlägt eine sogenannte „Kiss and Go“-Zone vor, die am Ende des Dorkampsweges an der Stromer Straße eingerichtet werden könnte – dort, wo auch der Bibliotheksbus hält. Aber ob diese Lösung dann auch genutzt wird? „Es gab Elternbriefe, Elternabende, Mails, persönliche Ansprachen, Schilder, die hochgehalten und Flugblätter, die verteilt wurden“, erzählt Simone Lammers, Schulleiterin der Grundschule Rablinghausen. „Aber das machen wir nicht mehr, weil die Kolleginnen und Kollegen nicht mehr beschimpft werden möchten.“

Viele Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder 100 Meter zu Fuß gehen, sagt Simone Lammers, Leiterin der Grundschule.
Straßensperrung als Option
Viele Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder 100 Meter zu Fuß gehen. „Sie haben Angst, dass den Kindern auf dem Weg zur Schule etwas passiert. Dabei tut den Kindern das Laufen doch so gut!“ Lammers schlägt eine temporäre Straßensperrung vor, die es gerüchteweise auch in Walle vor der Melanchthonstraße geben soll, was allerdings seitens des Ortsamtes West nicht bestätigt werden konnte. Das Verkehrsministerium Nordrhein-Westfalen hingegen hat nun mittels eines Erlasses den Kommunen die Möglichkeit gegeben, sogenannte „Schulstraßen“ einzurichten, sie also auch durch Schranken oder versenkbare Poller zeitlich begrenzt zu sperren. Anwohner sollen jedoch durch eine Ausnahmegenehmigung weiterhin zu ihren Häusern gelangen können, heißt es in dem Erlass.
In Bremen hingegen ist man noch nicht so weit: „Morgens und mittags ist es sehr unübersichtlich“, sagt Christian Ochmann, und bei Regen und Sturm seien es gar doppelt so viele Autos, fügt Simone Lammers hinzu – „eine Einbahnstraße würde bereits helfen, dann hätten wir nicht mehr den Stau durch entgegenkommende Autos“, meint sie. Zwar stehe ab und an auch die Kontaktpolizei vor Ort, aber: Personalmangel, so Christian Oschmann, „sie haben zu wenig Zeit, um hier eine nachhaltige Wirkung zu erreichen.“
Ob die unlängst veranstaltete Planungskonferenz des Woltmershauser Beirates helfen kann, in der das Thema „Elterntaxi“ behandelt wurde, ist ungewiss. Oliver Engelhardt vom Polizeirevier Woltmershausen sagte dort, Kops seien regelmäßig vor Ort – „dann sind aber keine Verstöße feststellbar. Vielleicht könnte eine Hochpflasterung oder ein Zebrastreifen helfen?“ Eigentlich sei ein Zebrastreifen bei Tempo 30 nicht notwendig, antwortete daraufhin Mara Hartwig vom Amt für Straßen und Verkehr (ASV) - „und bei einer Querung müssten wir vorher wissen, wo genau die Probleme und die Gefahrensituationen liegen.“ Zumindest beim Zebrastreifen gebe es Ausnahmen bei besonders Schutzbedürftigen – „was bei einer Kita der Fall wäre. Doch auch das müssten wir genau prüfen.“