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Untersuchungsbericht Bremer Feuerwehr in Erklärungsnot

Der Bericht der Sonderermittlerin zu den Vorwürfen gegen die Bremer Feuerwehr listet nicht nur die Bereiche auf, in denen es Verfehlungen gab. Er nennt auch mögliche Gründe für deren Zustandekommen.
04.06.2021, 11:11 Uhr
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Bremer Feuerwehr in Erklärungsnot
Von Ralf Michel

Seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die Berufsfeuerwehr Bremen im Herbst vergangenen Jahres hat die ehemalige Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Karen Buse, als Sonderermittlungen die disziplinarrechtlichen Untersuchungen gegen mehrere beschuldigte Feuerwehrmänner geführt. Ihr Abschlussbericht umfasst 41 Seiten. Die wesentlichen Ergebnisse:

Die Vorgehensweise: Nach Bekanntwerden der Vorwürfe installierte die Innenbehörde ein Hinweistelefon und eine E-Mail-Adresse, unter denen sich  Feuerwehrmänner und -frauen melden konnten. Es gab zwölf anonyme Meldungen und sechs unter Nennung des Namens. 33 Personen baten um ein persönliches Gespräch. Zur Einordnung der mitgeteilten Vorgänge und Wertungen bat Buse nach eigenen Angaben weitere 38 Personen - Führungskräfte der Feuerwehr und im Rettungsdienst tätige Notärzte Bremer Krankenhäuser – um Gespräche. 33 von ihnen kamen der Bitte nach. Von den insgesamt 66 befragten Personen waren 20 in der Feuerwehr tätige Frauen. 

Rassismus: Unisono gaben die Befragten an, dass im Einsatz kein Feuerwehrmann und keine Feuerwehrfrau Unterschiede im Hinblick auf Nationalität, Hautfarbe oder Religion eines Hilfebedürftigen machen würde. Trotzdem könne das Thema Rassismus nicht abgeschlossen werden, so Buse mit Blick auf den Umgangston innerhalb der Berufswehr. So würden Menschen mit Migrationshintergrund  als "Kanaken", "Kameltreiber" oder "Ölaugen" bezeichnet. Was nach Einschätzung einiger Befragter aber nicht auf Hass gegen diese Menschen beruhe, sondern eine Reaktion auf den Umstand darstelle, dass Einsatz- und Rettungskräfte von bestimmten Gruppen häufig beschimpft, bespuckt oder körperlich angegriffen würden. Mehrfach wurde geäußert, dass derartige Formulierungen von Vorgesetzten wie etwa den Leitern der Wachabteilungen hingenommen wurden.

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Rechtsextremismus: "Entsetzt, erschrocken und völlig überrascht" hätten die Befragten auf Medienberichte über rechtsextreme und menschenverachtende Chats in der WhatsApp-Gruppe einer Wachabteilung reagiert. Einigkeit habe in der Verurteilung solcher Botschaften geherrscht. Die Frage, ob es in der Bremer Feuerwehr Rechtsextremismus oder sogar ein rechtes Netzwerk gibt, sei einhellig verneint worden. "Diese Aussage ist nach jetzigem Kenntnisstand nicht zu widerlegen", sagt Karen Buse. Damit sei aber nicht ausgeschlossen, dass es einzelne Personen in der Feuerwehr gibt, die über rechtsextremistisches Gedankengut verfügen. Zur Frage, wie es zu solchen WhatsApp-Chats kommen konnte, habe Erklärungsnot bestanden. "Am häufigsten wurde vermutet, die Kollegen hätten ihre Posts als schwarzen Humor angesehen und zunehmend jedes Maß verloren."

Sexismus: Der Anteil der Frauen in der Bremer Feuerwehr beträgt vier Prozent, 24 von 544 Beamten. Die Befragten fühlten sich überwiegend akzeptiert. Einige der Frauen hätten von sexistischen Übergriffen durch männliche Kollegen berichtet. Gemeinsam sei den Vorfällen, dass sie von der Feuerwehrleitung formal und inhaltlich unzureichend behandelt wurden. Die Opfer hätten keinerlei Zuwendung oder Schutz erhalten, während sich um die Täter mit einiger Fürsorge bemüht worden sei. Trotz offensichtlichem Dienstbezug seien die Vorfälle tendenziell als „privat“ eingestuft worden. 

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Homophobie: Die Auffassung, die ausnahmslos aller Befragten zu diesem Thema äußerten, fasst Buse mit folgendem Zitat zusammen: “Ich bin mir sicher, dass niemand in der Feuerwehr etwas gegen lesbische Frauen hat. Genauso sicher bin ich mir aber, dass sich in den nächsten zehn Jahren kein homosexueller Mann in der Feuerwehr outen wird.“

Mobbing: In den Gesprächen wurden übereinstimmend verschiedene Mobbing-Fälle geschildert, berichtet Buse. Es handelte sich dabei um wiederholte, gezielte, regelmäßige und systematische Angriffe gegen eine Person, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten. Deutlich ausgesprochen werden müsse, "dass die Vorgehensweise von Menschenverachtung und großer Gefühlskälte zeugt, die eklatant dem nach außen propagierten Selbstverständnis der Feuerwehr als kameradschaftlicher Gemeinschaft mit großem sozialen, ja familiären Zusammenhalt widerspricht". 

Führung: Buse spricht von einer "rückständigen, autoritären, und angstbesetzten Führungskultur". Besonders viele Beamtinnen und Beamte hätten bei der Beschreibung der Führungskultur von „Angst und Schrecken“ gesprochen. Bei Problemen habe es keine ernsthafte Unterstützung durch Vorgesetzte gegeben, stattdessen seien häufig Strafversetzungen als Universalwerkzeug und Druckmittel angewendet worden. 

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Wertschätzung und Fehlerkultur: In Zusammenhang mit Aussagen zur Führungskultur wurde auf allen Hierarchieebenen oft das Fehlen jeglicher Form von Wertschätzung beklagt. Außerhalb der Wachabteilungen vermissten die Beamten und Beamtinnen "von den Führungskräften als Mensch wahrgenommen zu werden". Hinzu komme die mangelnde Kritikfähigkeit. Es würde immer ein Schuldiger gesucht, ein Fehler im System sei nahezu ausgeschlossen.

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