Beleidigungen, Bedrohungen, Körperverletzungen ... – seit August 2017 gibt es in Bremen sowohl für die Berufsfeuerwehr als auch für die Freiwillige Feuerwehr einen Meldebogen, der Einsatzkräften helfen soll, körperliche oder psychische Gewalt anzuzeigen und zu dokumentieren. Die Zahl der seither abgegebenen Meldungen ist jedoch überschaubar, reicht von fünf im Jahr 2017 (ab August) bis elf im vergangenen Jahr. 2018 und 2019 waren es neun beziehungsweise zehn Meldungen – bei rund 75.000 bis 80.000 Einsätzen im Jahr.
Angekreuzt wurden auf den Bögen in der Regel mehrere Übergriffe auf einmal, sodass die Zahl der Vorfälle höher ist als die der abgegebenen Meldungen. So wurden auf den elf Meldebögen 2020 insgesamt 25 Vorfälle dokumentiert.
„Jede Einsatzkraft entscheidet selbst, ob sie nach einer Bedrohungssituation eine Meldung erstattet oder nicht“, heißt es hierzu in einer Zusammenstellung der Zahlen, die auf Anfrage der Grünen am Donnerstag in der Innendeputation vorgestellt wird. Hierbei handele es sich um das subjektive Empfinden und die Wahrnehmung der jeweils betroffenen Einsatzkraft. „Aus diesem Grunde sind die Voraussetzungen sehr unterschiedlich, da die Einsatzkräfte solche Situationen sehr unterschiedlich werten.“
Im März hatte Christian Patzelt, Mitarbeiter der Pressestelle der Feuerwehr, im Gespräch mit dem WESER-KURIER darauf hingewiesen, dass von einer hohen Dunkelziffer auszugehen sei. Im Einsatz seien die Rettungskräfte aufs Retten fokussiert. Pöbeleien oder Schubsereien würden deshalb oft kaum wahrgenommen und folglich auch später nicht gemeldet. Andererseits gebe aber durchaus auch Kollegen, die vor allem durch tätliche Angriffe regelrecht traumatisiert würden.

Nach Tatbeständen sortiert rangierten Beleidigungen und Bedrohungen an erster Stelle der gemeldeten Vorfälle, wobei die Zahl der Bedrohungen von zwei im Jahr 2017 auf zuletzt zehn anstieg. Registriert wurden außerdem auch Nötigungen, Sachbeschädigungen und Behinderungen.
Eine weitere Kategorie in dem Meldebogen lautet „Körperverletzungen/schwere Körperverletzungen“. Hiervon stehen für die vergangenen gut drei Jahre insgesamt zehn Fälle zu Buche. Die Innenbehörde betont jedoch, dass die Straftatbestände „Körperverletzung“ und „schwere Körperverletzung“ in derselben Zeile des Bogens stehen und deshalb nicht präzise angekreuzt werden können. Tatsächlich habe es sich bei den gemeldeten Körperverletzungen um Schubsen, Stoßen und leichtes Schlagen mit der Hand gehandelt. Zu behandlungsbedürftigen Verletzungen oder Folgeschäden sei es nicht gekommen.
Die Entscheidung, ob bei Übergriffen Anzeige bei der Polizei erstattet wird, obliegt der Einsatzkraft selbst. 2017 erfolgte direkt am Einsatzort eine polizeiliche Anzeige durch die betroffenen Feuerwehrbeamtinnen/beamten. 2018 waren es drei, 2019 zwei, wobei eine davon durch die Amtsleitung der Feuerwehr erstattet wurde. Im vergangenen Jahr wurden sieben Vorfälle angezeigt. Zur Frage der Grünen, was aus diesen Anzeigen wurde, musste die Innenbehörde passen. Es seien nur wenige Rückmeldungen an die Ersteller der Anzeige gegeben worden, und wenn überhaupt, habe es sich um die Mitteilung gehandelt, dass das Verfahren eingestellt wurde.
Ungeachtet der niedrigen Zahl ausgefüllter Bögen, sagt die Innenbehörde, „dass der Meldebogen sowie das Meldeverfahren bei den Einsatzkräften zunehmend angenommen werden“. In einem nächsten Schritt sei beabsichtigt, eine zentrale Ansprechstelle für das Meldeverfahren “Gewalt gegen Einsatzkräfte“ bei der Polizei Bremen zu benennen. Damit könnten die Verfahren der Anzeigenerstattungen und der Rückkopplungen zum Verlauf der erstatteten Anzeigen optimiert werden. Im Rahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung werde zudem auf die Existenz des Meldeverfahrens hingewiesen, sodass das Verfahren bei entsprechenden Straftatbeständen möglichst umfassend zum Einsatz kommt.
Auch in Niedersachsen ein Thema
In Niedersachsen gibt es einen Meldebogen nach Bremer Muster nicht bei der Feuerwehr. Auch konkrete Zahlen zu Entwicklung gewalttätiger Übergriffe auf Einsatzkräfte der Feuerwehr in den vergangenen Jahren gibt es nicht, sagt Svenja Mischel, Sprecherin des Niedersächsischen Innenministeriums. Den Niedersächsischen Feuerwehren werde allerdings durch das Land das zentral beschaffte Feuerverwaltungsprogramm FeuerON zur Verfügung gestellt, mit dem eine Erfassung auch zu dieser Problematik künftig möglich sein soll.
Dass Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffen auf Feuerwehrkräfte auch in Niedersachsen ein Thema sind, zeigt eine Umfrage der Feuerwehr-Unfallkasse unter den freiwilligen Feuerwehren des Landes. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer gab an, bereits Erfahrungen mit Gewalt gegen Einsatzkräfte gemacht zu haben. Bei der deutlich überwiegenden Anzahl der Nennungen handelte es sich um Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen. Tätliche Angriffe blieben die Ausnahme.