In diesen Tagen, den Tagen mit den höchsten Inzidenzen seit Ausbruch der Pandemie, stehen die Ungeimpften im Fokus: Sind sie schuld, wenn es wieder mehr Einschränkungen gibt, nutzen sie die Solidarität der Geimpften aus? Oder liegt es in ihrer eigenen Verantwortung, sich gegen die Immunisierung und damit möglicherweise auch gegen den Museums- und Kneipenbesuch zu entscheiden? In Bremen sind fast 79 Prozent der Menschen geimpft, durch Impfmobile und Angebote in den Stadtteilen soll die Quote weiter steigen. Was sind die Gründe dafür, dass Menschen sich jetzt impfen lassen – fast vier Monate, nachdem die Impfungen frei verfügbar wurden? Der WESER-KURIER hat bei einer Impfaktion nachgefragt.
Jennifer Poppe und Philipp Kalthoff

Jennifer Poppe hat schon viel Geld für Tests ausgegeben.
Jennifer Poppe und Philipp Kalthoff haben sich an diesem Tag als zwei der ersten die Spritze geben lassen. "Wir ziehen nach München", erzählt das junge Paar, "und weil es da mit den Bestimmungen immer schlimmer wird, haben wir uns impfen lassen." Seit Dienstag gilt in Bayern die höchste Pandemie-Warnstufe, für Veranstaltungen bedeutet das eine 2G-Regelung, für den Arbeitsplatz 3G. Sie fühlten sich gezwungen, der Impfung zuzustimmen, sagen die beiden. Der Druck nehme zu.
Am Arbeitsplatz werde sie immer häufiger gefragt, warum sie sich nicht impfen lassen wolle, berichtet Poppe. Und seitdem die Corona-Tests nicht mehr kostenlos sind und zugleich häufiger als Zugangsnachweis gefordert werden, hätten sie und ihr Partner schon einiges investiert: "Ich glaube, wir haben jetzt schon 700 Euro für Tests ausgegeben." Kalthoff findet: "Es ist schlimm, dass man so ausgegrenzt wird." Auf Dauer könnten sie sich das nicht leisten. Den Aufwand hätte sie schon auf sich genommen, sagt seine Freundin, aber wenn dann auch noch die teureren PCR-Tests verlangt würden, sei das einfach zu viel.

Phillip Kalthoff will bald nach München umziehen.
Sie seien auf keinen Fall Corona-Leugner, ihnen sei klar, dass es sich um eine schlimme Krankheit handele, sagt Poppe, dass Menschen daran sterben. Aber sie habe auch die Schweinegrippe überlebt, sei immer gesund gewesen, deshalb habe sie bisher keine Notwendigkeit für eine Impfung gesehen.
Helga und Udo Teiwes
"Ich bin nach wie vor nicht ganz davon überzeugt, dass das gut ist für meinen Körper", sagt Helga Teiwes, die sich gerade zusammen mit ihrem Mann Udo in die Impfschlange eingereiht hat. Sie sei grundsätzlich gegen Impfungen, und damit in ihren knapp 70 Lebensjahren bislang gut zurechtgekommen. Was der Impfstoff wohl in ihrem Körper bewirken werde, in drei Jahren, in zehn, das frage sie sich schon.

Helga Teiwes ist bei Impfungen grundsätzlich skeptisch.
Die Entscheidung zur Impfung hat das Paar vor einer Woche gefällt, weil es das Gefühl hat, dass ihr Leben ohne Impfung eingeschränkt wird. Ihr sei inzwischen unwohl, wenn sie ins Fitnessstudio gehe, sagt Helga Teiwes – wegen der vielen geimpften Leute dort, die ohne Maske und ungetestet herumlaufen. "Ich lasse mich laufend testen, ich weiß eigentlich besser, was in meinem Körper los ist", sagt sie. Dass Ungeimpfte von Geimpften angeschaut werden, als seien sie giftig oder gefährlich, ist in ihren Augen eine verdrehte Perspektive: Sie müsse doch Angst haben, dass sie angesteckt werde, nicht die anderen. Tests für alle, und zwar regelmäßig, das sei die beste Lösung für die aktuelle Situation.

Udo Teiwes hat keine Lust mehr auf Diskussionen.
Dass sie nun hier stehen, um sich die lange abgelehnte Spritze geben zu lassen, begründet Udo Teiwes mit Resignation und dem Wunsch nach Ruhe. "Um aus der Schusslinie zu kommen", so drückt er es aus, um den Diskussionen endlich zu entgehen. "Wir wollen uns auch dem solidarischen Gedanken nicht entziehen", sagt er. Aber wie eine ganz freiwillige Entscheidung, ergänzt seine Frau, fühle sich das nicht an.
Adriana Lange

Adriana Lange ist zufällig auf die Impfaktion gestoßen.
Sie habe schon einmal die Gelegenheit zur Impfung gehabt, erzählt Adriana Lange, aber dann habe sie doch arbeiten müssen und konnte nicht hin. Danach habe sie sich nicht weiter darum gekümmert. Sie habe zwischendurch sogar im Impfzentrum gearbeitet, aber dort habe man ihr keine Impfung angeboten, sie habe auch nicht danach gefragt. "Meine ganze Familie ist geimpft und mein Vater ist sehr sauer, dass ich noch nicht geimpft bin. Wir streiten viel deswegen", sagt die junge Frau. In ihrem Freundeskreis sehe es anders aus: Ihre Freundinnen seien alle ungeimpft, weil sie Sorge hätten, dass sie sonst keine Kinder mehr bekommen könnten. Die Männer hätten sich alle immunisieren lassen.
Dass Lange jetzt in der Schlange steht, ist eher dem Zufall geschuldet. Beim Gassigehen habe sie die Werbung für die Impfaktion gesehen und direkt ein Foto davon gemacht. "Da ich direkt hier wohne und heute frei habe, dachte ich, ich nutze die Chance. Sonst hätte ich es, glaube ich, nicht gemacht."
Inzwischen werde ein negativer Test immer häufiger verlangt, auch bei der Arbeit, sagt sie. Deswegen habe sie eigentlich immer einen Schnelltest dabei: "Meistens habe ich Glück, dann kann man vor Ort einen machen." Sonst werde es teuer. Lange sieht auch andere Vorteile: Im nächsten Jahr will sie im Krankenhaus anfangen, da sei eine Impfung sicher von Vorteil. Weil sie Biontech gespritzt bekommen will, wird sie wiederkommen müssen. "Ich hoffe, dass ich den zweiten Termin dann auch wahrnehmen kann, es kommt ja schnell was dazwischen", sagt Lange. "Für mich ist es besser ohne Termin."