„Die Mittel für den bereits beschlossenen Ausbau der Straßenbahnlinien 1 und 8 über Huchting hinaus in die niedersächsischen Nachbargemeinden Stuhr und Weyhe werden freigegeben, wenn dafür Baurecht vorliegt.“ So hat es am Dienstag der Senat beschlossen. Doch was bedeutet das? Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Björn Tschöpe ist die Sache klar: „Es ist ein Sperrvermerk“, sagte er dem WESER-KURIER. Kein Geld vorerst für die geplante Verlängerung der beiden Linien. Nichts tun, was dazu führen könnte, das umstrittene Projekt unumkehrbar zu machen.
Ralph Saxe, Grünen-Chef und klar auf der Seite der Befürworter, liest den Beschluss anders: „Zunächst mal ist es eine Selbstverständlichkeit, dass erst gebaut werden kann, wenn es eine rechtliche Grundlage dafür gibt“, sagt Saxe. Doch die könne es irgendwann auch isoliert für eine der beiden Linien geben. Im Klartext: Mit der Linie 1 in Huchting schon mal anfangen, wenn Gelegenheit dazu ist. Und die Linie 8 folgen lassen, sobald der aktuelle Streit vor den Gerichten beendet ist. Saxe: „Nur wenn beides kommt, fließen die Mittel von Bund, andernfalls könnten wir den Ausbau nicht finanzieren.“
Fortführung der Linie 8 verursacht Probleme
Seit Monaten wird hinter den politischen Kulissen hart gerangelt, wie es mit dem 100 Millionen Euro teuren Gesamtprojekt weitergehen kann. Die Fortführung der Linie 8 auf einer knapp zehn Kilometer langen Strecke vom Roland-Center in Huchting über Moordeich, Stuhr und Brinkum bis nach Weyhe ist weitgehend unstrittig, doch gerade sie verursacht die meisten Probleme. Grund ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg vom August vergangenen Jahres. Demnach ist der neue Abschnitt in Niedersachsen auf falscher Grundlage geplant worden, nach dem Eisenbahnrecht und nicht nach dem Personenbeförderungsgesetz, wie es notwendig gewesen wäre.
Das Gericht hat gegen die Entscheidung keine Revision zugelassen. Die Folge wäre, dass das gesamte Planverfahren neu aufgerollt werden müsste. Es gingen Jahre ins Land, bevor gebaut werden könnte. Um das zu verhindern, haben unter anderen die Gemeinden Stuhr und Weyhe im November beim Bundesverwaltungsgericht eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie wollen erreichen, dass eine Revision gegen das Urteil doch noch möglich ist.
Prestigeobjekt steht auf dem Spiel
Die Angelegenheit ist juristisch so verzwickt, wie sie politisch heikel ist. Ein Prestigeprojekt von Rot-Grün steht auf dem Spiel – der Ausbau des ÖPNV in das niedersächsische Umland hinein, wie es in der Vergangenheit bereits mit der Verlängerung der Linie 4 nach Lilienthal passiert ist. Gegensätze gibt es nicht nur zwischen den beiden Koalitionsparteien, wie an den Reaktionen auf den Senatsbeschluss vom Dienstag abzulesen ist. Es gibt sie auch innerhalb der beiden Fraktionen. Wer als Abgeordneter in Huchting gewählt werden will, egal für welche Partei, ist gut beraten, sich nicht für den Ausbau der Linie 1 einzusetzen. Der Stadtteil hat sich stark gegen das Projekt aufgestellt.
Die oppositionelle Linken-Fraktion in der Bürgerschaft hatte sich unlängst noch einmal klar gegen die Pläne in Huchting positioniert. „Die Linie 1 braucht kein Mensch, weder in Huchting noch in Niedersachsen“, sagte Fraktionschefin Kristina Vogt. Zum grundsätzlichen Nein kommt von ihr der Hinweis, dass ohnehin erst abgewartet werden müsse, bis Baurecht für die Verlängerung der Linie 8 bestehe.
Die Umweltschutzorganisation BUND hat für dieses Argument kein Verständnis. „So eine Verknüpfung möchte ich von den Politikern mal hören, wenn es um den Bau von Autobahnen geht. Da wird jedes Teilstück einzeln gebaut, selbst wenn es völlig in der Luft hängt und das nächste Stück noch nicht einmal planerisch begonnen wurde“, erklärt BUND-Geschäftsführer Martin Rode. Der Streit um die Trassenwahl in Huchting sei entschieden. „Wer jetzt noch argumentiert, es müsse mit der Kirchhuchtinger Landstraße doch noch eine bessere Trasse gewählt werden, will in Wahrheit die Straßenbahn verhindern.“