- Warum fehlt Personal?
- Welche Rolle spielen die Patienten?
- Welche Folgen hat der Mangel?
- Wie soll das Problem gelöst werden?
- Was fordern die Ärzteverbände?
- Sind Anwerbungen aus dem Ausland denkbar?
Bremer Ärzten geht zunehmend das Personal aus: Jede dritte Praxis in Bremen und Bremerhaven hat ihre Tätigkeit bereits eingeschränkt, weil medizinische Fachangestellte fehlen. Das geht aus einer Befragung hervor, die die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) in Auftrag gegeben hat. Von den 282 teilnehmenden Ärzten und Psychotherapeuten gaben rund 78 Prozent an, bei der Besetzung von Stellen Schwierigkeiten zu haben. Teilweise gebe es auf ausgeschriebene Stellen gar keine Bewerbungen. "Viele Praxen würden gerne mehr versorgen, sie können aber nicht, weil ihnen schlicht das Personal für administrative Arbeiten und medizinische Hilfsaufgaben fehlt", erklären die KVHB-Vorstände Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans.
Warum fehlt Personal?
Aus Sicht der Ärzte ist die Tätigkeit in Krankenhäusern oder vergleichbaren Einrichtungen für die potenziellen Bewerber häufig attraktiver. Zwei von drei Befragten nannten außerdem eine schlechte Bezahlung in den Arztpraxen als Grund für den Bewerbermangel. Die Nachbesetzung von Stellen sei auch deshalb schwierig, weil die Kandidaten und Kandidatinnen häufig nicht ausreichend qualifiziert seien – mehr als die Hälfte der befragten Ärzte kommt zu dieser Einschätzung. Defizite gebe es zum Beispiel bei den IT-Kenntnissen. Auch die Corona-Pandemie spielt eine Rolle: Abwanderung von Personal – zum Beispiel in die Impfzentren – sieht rund ein Drittel der Befragten als Problem.
Welche Rolle spielen die Patienten?
Fast zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass "destruktives Patientenverhalten" den Beruf unattraktiver macht. Wie berichtet, haben Pöbeleien gegenüber Praxispersonal und Ärzten während der Corona-Pandemie in Bremen zugenommen. Die Teilnehmer der KVHB-Befragung halten ihr Personal für grundsätzlich nicht genug wertgeschätzt, obwohl die medizinischen Fachangestellten laut Rochell und Josenhans "das Rückgrat der Praxen" seien. Auch Hans-Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbands, spricht von mangelnder Wertschätzung, bezieht sich dabei aber auch auf einige seiner Kollegen. Mancherorts würden die Fachangestellten immer noch als Sprechstundenhilfen verstanden, obwohl sich das Berufsbild komplett gewandelt habe.
Welche Folgen hat der Mangel?
Einschränkungen äußern sich zum Beispiel in verkürzten Sprechstunden. Auch er habe für den Sommer darüber nachgedacht, sagt Mühlenfeld, der eine Praxis in Woltmershausen betreibt. Etwa 17 Prozent aller Befragten der KVHB-Erhebung denken wegen des Personalmangels über eine Praxisaufgabe nach. Mühlenfeld sieht die Ergebnisse der Befragung kritisch: Es sei klar, dass sich vor allem diejenigen beteiligten, die besonders große Probleme hätten. Die Online-Befragung, die vom 21. April bis zum 9. Mai lief, war laut KVHB allen Mitgliedern zugänglich – etwa 15 Prozent haben demnach teilgenommen.
Wie soll das Problem gelöst werden?
Eine bessere Bezahlung der medizinischen Fachangestellten betrachten die Befragten als wesentlichen Schritt. Drei von vier Ärzten gaben an, bereits Gehaltsanreize zu schaffen. Zu hören ist auch der Wunsch nach höheren Honoraren für die Ärzte selbst, damit diese ihrerseits mehr Geld anbieten könnten. Die Praxen wollen zukünftig außerdem verstärkt selbst ausbilden und attraktivere Berufsbedingungen schaffen. Für Mühlenfeld sind vor allem die Arbeitszeiten ein Aspekt, der überdacht werden müsse. Die verbreitete Praxis eines zweigeteilten Arbeitstages mit einer langen Mittagspause schrecke viele Bewerber ab, so der Verbandsvorsitzende. Hier gelte es, neue Lösungen zu finden.
Was fordern die Ärzteverbände?
Einig sind sich die Verbände und Mühlenfeld in ihrem Wunsch nach externer Anerkennung: Sie fordern eine staatlich finanzierte Corona-Prämie für medizinische Fachangestellte, wie es sie zum Beispiel für Pflegekräfte in Krankenhäusern gibt. "Ein Coronabonus wäre ein starkes Zeichen der Anerkennung für die beispielhafte Leistung der MFA (medizinische Fachangestellte, d. Red.). Dass die Politik dies ignoriert, ist nur schwer zu ertragen", heißt es von der KVHB.
Sind Anwerbungen aus dem Ausland denkbar?
Dem Personalmangel mit Kräften aus dem Ausland entgegenzuwirken, wie es zum Beispiel in der Pflege oder der Gastronomie passiert, lehnt Mühlenfeld vor allem mit Verweis auf die Sprachbarrieren ab. Es komme im Gespräch mit den Patienten auf Kommunikation an; teilweise gehe es um Feinheiten zwischen den Zeilen, die auf Probleme hindeuten könnten. Mit einer besseren Bezahlung und angepassten Arbeitsbedingungen sei es möglich, den Beruf auch hierzulande wieder attraktiver zu machen. Ohnehin sieht Mühlenfeld einen "Strukturmangel im System" als eigentliches Problem: Prinzipiell gebe es genug Kapazitäten und auch ausreichend Ärzte, die aber teilweise durch unnötige Untersuchungen ausgelastet würden. Es sei ja bekannt, so Mühlenfeld, dass die Deutschen überdurchschnittlich oft zum Arzt gingen. Würde man sich auf die notwendigen Untersuchungen beschränken, könnte auch das medizinische Hilfspersonal entlastet werden.