Der Abend beginnt mit Spundekäs und Beck’s. Bärbel Schäfer ist sich ihrer Sache sicher und serviert die gewürzte Frischkäsecreme mit Crackern. Doch Fritzi Jasna Bauer weiß es besser, wie so oft an diesem Abend. „Normalerweise isst man das auf kleinen Bretzelchen“, sagt die in Wiesbaden geborene Schauspielerin über die traditionelle Käsezubereitung aus Rheinhessen. Beim Beck’s kann dann hoffentlich nicht viel schiefgehen. „Beck’s? Das ist meine einzige Verbindung zu Norddeutschland“, wirft sie kurzerhand hinterher. Als Ermittlerin beim „Tatort“ Bremen stimmt das wohl nicht so ganz, aber was bei diesem WESER-Strand-Talk gespielt, gemeint oder improvisiert ist, verschmilzt sowieso zu einer großen Show. Das Publikum hängt an den Lippen der beiden Frauen – der unterhaltsame Schlagabtausch hätte für viele auch noch etwas länger gehen können.
Jasna Fritzi Bauer darf zunächst an einem eigens für sie eingerichteten Tatort Platz nehmen. Spuren rund um das bekannte Ledersofa sind bereits gesichert und mit Nummern versehen, Bauer schenkt ihnen kaum Beachtung, denn Schäfer legt gleich los. Ehrensache, dass die Moderatorin zunächst die bemerkenswerte Karriere der jungen Schauspielerin anspricht, um dann gleich das Thema Burn-out aufzugreifen. Bauer gehörte in jungen Jahren bereits zum Ensemble des Wiener Burgtheaters. Im Kinofilm „Ein Tick anders“ überzeugte sie als Jugendliche, die am Tourettesyndrom leidet, und erhielt dafür den „New Faces Award“. An der Seite von Nina Hoss war sie in Christian Petzolds preisgekröntem DDR-Drama „Barbara“ zu sehen. Und nun mit 33 Jahren „Tatort“-Kommissarin. Wie bekomme sie das alles so gut hin, fragt Schäfer? Das geht nicht immer gut, antwortet Bauer und schildert eine Phase in ihrem Leben, als die Stimmbänder versagten und ihr „Bettruhe im Dunklen“ verordnet wurde. Etwas Gutes hatte es: „Ich habe gelernt zu entspannen.“ Entspannen heißt bei ihr wiederum: „Mich von coolen Leuten inspirieren lassen.“
Gekonntes Rollenspiel
An Coolness mangelt es Bauer nicht, dazu tragen vor allem die zahlreichen ironischen Pointen bei. Der angezogene Mundwinkel, die gehobenen Brauen. Ein leicht spöttischer Ausdruck – man kennt ihn aus dem Fernsehen. Er macht alles, was Bauer erzählt, noch einen Ticken lustiger und er macht, dass man sie immer etwas weniger ernst nimmt. Ihre kürzlich bestandene Führerscheinprüfung nach dem dritten Versuch, eine Rechts-Links-Schwäche und das Geständnis, eine miserable Textlernerin zu sein. Schäfer gibt viele Vorlagen und Bauer stilisiert sie gekonnt zu lustigen Anekdoten. Dafür erntet sie viele Lacher und kann dabei doch am meisten über sich selbst lachen. Das Publikum ist begeistert. Mit wem haben wir es hier zu tun? Der souveränen Überfliegerin, die ihr Leben im Griff hat, oder der leicht tollpatschigen jungen Frau, die gerade erst ihren Führerschein gemacht hat? Bauer beherrscht das Rollenspiel perfekt.
Im Bremer „Tatort“ spielt Bauer die aus Bremerhaven stammende Hauptkommissarin Liv Moormann. In der ersten Folge stößt sie frisch zu einem Ermittlerteam der Mordkommission dazu. Behaupten muss sie sich nicht nur dort, sondern auch bei Bärbel Schäfer im WESER-Strand-Talk und dem Bremer Publikum. Los geht es mit einer Reihe von Fahndungsfotos – schuldig oder nicht? Bauer errät drei von vier richtig, wobei vom letzten Foto ihr breit lächelnd die Moderatorin höchstpersönlich entgegenblickt. Schwieriger wird es dann, als sie den um sie herum verteilten Nummern die ursprünglich drapierten Gegenstände wieder zuordnen soll, denn die sind plötzlich verschwunden. „Leute, ich habe echt kein gutes Gedächtnis.“ Bauer runzelt die Stirn, streicht sich über die Nase: „Es ist schwierig, wenn man nicht mehr dreht, dann geht alles bergab.“ Damit meint sie die dicht getakteten Drehtage beim Fernsehen, das sei ein „betreutes Leben“. Und: Eine Rolle bleibt eben eine Rolle.
Fachwörter fehlen beim Verhör
Wie gut sie die wechseln kann, zeigt sich bei der letzten Aufgabe: Einen Tatverdächtigen vernehmen. Sie setzt sich einem Mann gegenüber, sein Gesicht verschwindet hinter einer großen Kapuze. Die Situation: Am Sielwall gibt es zwei Tote, einen Mann und eine Frau. Tatwaffe ist eine kaputte Glasflasche. Der Verdächtige – sein Rollenname ist Ben Schmitt – wurde mit blutigen Fingern am Tatort aufgegriffen. Zwar sucht Bauer anfänglich nach wichtigen Begriffen wie KTU, also Kriminaltechnische Untersuchung, und Spurensicherung, doch in kürzester Zeit ist sie wieder Liv Moormann und das Publikum schaut ihr dabei zu, wofür sie bekannt ist – dem Verhör. „Verarschen kann ich mich selber. Von wem ist das Blut?“, schreit sie dem Schauspiellaien ins Gesicht. „Was ist passiert?“, brüllt sie weiter und haut auf den Tisch. Ben Schmitt knickt ein – aus Versehen hat er seine Freundin umgebracht. Bauer erhebt sich triumphierend und ruft ihm im Weggehen zu: „Ich finde das total dumm, dass du das ohne Anwalt gestartet hast.“ Getöse im Publikum.
Und nun, „wie ist es eigentlich so, eine Polizistin zu spielen?“, fragt Bärbel Schäfer. „Ich würde nie gerne eine Polizistin sein,“ gibt Bauer zu. Dankbar sei sie trotzdem, dass Bremer Streifenpolizisten beim „Tatort“ selber mitspielen: „Ich kann immer fragen, wie ich eigentlich die Waffe halten muss.“ Das überrascht Moderatorin wie Zuschauer. „Bekommen die dafür Urlaubstage?“, fragt Schäfer nach. Auf jeden Fall ein Komparsengehalt, weiß Bauer.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Arbeitsgeber
Bauers Erzählen gewinnt an Fahrt. Zu Beginn waren ihre Antworten kurz, sie kommentierte, wartete ab. Schäfer will nun ans Eingemachte: Bauers aktueller Arbeitgeber. Untreue und Vorteilsnahme – die Öffentlich-Rechtlichen stehen momentan im Rampenlicht der Skandale. Der Fall Schlesinger: „Regt dich das auf?“, fragt Schäfer. „Schwierig“ findet Bauer, wie die „Zeitung mit vier Buchstaben“ das Thema heiß mache, aber geahndet werden sollte das auf jeden Fall. Könnte sich das auch bei Radio Bremen bemerkbar machen?, fragt Schäfer. „Nö, Bremen hat ja kein Geld“. Wahr sei auch, dass sie drei Monate auf ihr Gehalt warten musste. Zur ARD-Weihnachtsfeier würde sie trotzdem gerne mal eingeladen werden.
Am Ende wird es noch einmal ernst. Schäfer will das Phänomen – weibliche Rollen im Film – kritisch hinterfragen. Bauer kennt das gut. Eine Zeit lang sei sie zu alt gewesen, um noch Teenagerrollen zu spielen, aber zu jung, um Erwachsenenrollen zu bekommen. Die Rolle der Kommissarin sei nun ein Durchbruch. Auch für den ARD-„Tatort“ an sich, der gerne an alteingesessenen Ermittlern festhält. „Solidarität“ verspüre Bauer vor allem mit älteren Frauen in der Filmbranche, die ab 40 kaum noch interessante Rollen bekommen würden. Der Grund dafür: „Viele Drehbücher werden immer noch von älteren Männern geschrieben.“ Auch schwarze und queere Menschen sollten ihrer Meinung nach mehr Sichtbarkeit im Fernsehen erhalten: „Deutschland lässt sich viel Zeit“, sagt Bauer.
Der Abend endet mit einem Lied, „Don‘t rain on my parade“. Schon wird ein Mikrofon für Jasna Fritzi Bauer hereingetragen, schon ertönen die ersten Liedtakte. Bauer erhebt sich, singt und versprüht ganz den Glanz, den sich das Publikum erhofft hat.