Offene Fragen gibt es noch viele, aber die Tendenz ist klar: Besitz und Konsum von Cannabis sollen in Deutschland legal werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zufolge könnte es 2024 so weit sein. Ein Eckpunktepapier mit konkreten Vorschlägen stieß zuletzt auf unterschiedliche Reaktionen. Gegen eine Legalisierung sprach sich zum Beispiel der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte aus. Die Leser und Leserinnen des WESER-KURIER bewerten die Legalisierungspläne überwiegend positiv – sie hatten sich über das Internetportal an einer Umfrage beteiligen können.
In den Bremer Suchtberatungsstellen spielt die mögliche Legalisierung eine kleinere Rolle, als man vielleicht denken mag. Einen Ansturm von Betroffenen erwarten Melanie Borgmann und Thomas Preusser-Griep nicht. Borgmann leitet die Fachambulanz Suchtprävention und Rehabilitation bei der Caritas Bremen; Preusser-Griep arbeitet als Sozialpädagoge und Suchttherapeut bei der Ambulanten Suchthilfe (ASH).
Hoffnung auf mehr Geld für Präventionsangebote
Borgmann verweist auf positive Aspekte einer möglichen Legalisierung, die auch von Befürwortern aus der Politik häufig genannt werden. Eine Entkriminalisierung könne dazu führen, den Schwarzmarkt einzudämmen. Wenn Konsumenten in offiziellen Abgabestellen kaufen würden, ließe sich die Qualität des Cannabis kontrollieren. Ähnlich äußerte sich zuletzt zum Beispiel Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.
Borgmann erhofft sich laut eigener Aussage auch eine Stärkung der Präventions- und Beratungsarbeit – nicht zuletzt finanziell. Das Geld dafür, so die Pläne der Bundesregierung, könnte auch aus Steuereinnahmen durch den legalen Verkauf gewonnen werden. Ob und wie stark der Beratungsbedarf in den Suchthilfestellen durch eine Legalisierung wirklich steigen würde, könne man nur spekulieren, sagt Borgmann. Wichtig sei es, die Entwicklungen gerade in der Anfangszeit genau zu beobachten.
Ein klares Bekenntnis für oder gegen die Legalisierung gibt Preusser-Griep nicht ab. Auch er verweist auf positive Effekte – vor allem für diejenigen, die mit ihrem Konsum kein Problem hätten und zukünftig keine Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung mehr haben müssten. Der Suchtexperte betont aber: "Cannabis ist keine harmlose Droge." Zu diesem Ergebnis kommt auch die 2018 veröffentlichte Capris-Studie, die den internationalen Forschungsstand zusammengefasst und bewertet hat. Cannabiskonsum erhöhe zum Beispiel das Risiko für psychische Störungen, heißt es darin.
Suchtberater erwarten keine großen Auswirkungen auf ihre Arbeit
Rein statistisch ist klar: Steigt die Anzahl der Cannabis-Konsumenten, nimmt der Beratungsbedarf zu. So sieht es auch Preusser-Griep, der aber laut eigener Aussage bezweifelt, dass mit der Legalisierung ein deutlicher – und vor allem dauerhafter – Konsumanstieg einhergehen würde. Erfahrungen aus anderen Ländern sprächen dagegen. Preusser-Griep und Borgmann betonen gleichermaßen, dass sie keine großen Auswirkungen auf ihre inhaltliche Arbeit erwarten.
Beide sind sowohl in der Beratung als auch in der Therapie tätig. Der Unterschied dabei: Die Beratung ist ein unverbindliches, bewusst niedrigschwelliges Angebot. Nicht immer sei Abstinenz der Wunsch, sagt Preusser-Griep, der eine wöchentliche Gruppensitzung leitet. Durchschnittlich zwölf bis 15 Personen nehmen ihm zufolge daran teil. Das Angebot richte sich an Erwachsene – für Minderjährige gebe es das FreD-Programm, das die ASH in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz betreibe. In der Beratung formulierten Teilnehmer eigene Ziele – zum Beispiel könne es darum gehen, nur noch am Wochenende zu konsumieren. Bei einer Therapie hingegen sei die Abstinenz gleichermaßen Eingangsvoraussetzung und Ziel, so Preusser-Griep. Dabei gehe es auch um Fragen der Kostenübernahme.
Bei der Caritas werde individuell beraten, sagt Borgmann, die darauf hinweist, dass Cannabis-Konsumenten lediglich eine Minderheit in der Suchtberatung bildeten. Überwiegend kämen die Menschen wegen Alkoholproblemen. Die Zahl der Cannabis-Konsumenten, die die Suchthilfe der Caritas aufsuchen, habe sich ihrer Ansicht nach in den vergangenen Jahren kaum verändert. Preusser-Griep sieht durchaus einen Anstieg – vor allem in der Therapie. Allerdings liege das auch daran, dass die Menschen mittlerweile eher bereit seien, sich Hilfe zu suchen. Borgmann hofft laut eigener Aussage, dass die Suchtberatung ihr Stigma zukünftig noch stärker verliert – möglicherweise auch durch Präventionsprogramme im Zuge einer Legalisierung. "Die Leute sollen lieber zu früh als zu spät kommen", sagt sie.