Für Liebhaber von Seelachsbrötchen und modischen Halbschuhen dürfte der Bremer Hauptbahnhof in den vergangenen Monaten an Attraktivität verloren haben: Die Schuhkette Görtz hat ihren Laden aufgegeben, die Imbiss-Kette Nordsee ist ebenfalls raus. Eine Abwanderungswelle, wie man sie deutschlandweit vor allem an kleineren Bahnhöfen beobachten kann? Mitnichten, betonen die Verantwortlichen. Zuständig für den Bahnhof und die Geschäfte ist die Deutsche Bahn. Dass in Bremen bald verbarrikadierte Türen und zugeklebte Fenster den Bahnhof prägen werden, ist eher unwahrscheinlich.
"Der Bremer Hauptbahnhof ist nach wie vor ein sehr attraktiver Standort für Einzelhandelstreibende", erklärt eine DB-Sprecherin. Leerstände gebe es lediglich vorübergehend – die Geschäfte seien bereits neu vermietet und würden in den nächsten Monaten nach und nach wiedereröffnet. Angaben zu den Nachmietern macht die DB nicht. Dass sich der Bremer Hauptbahnhof verändert, räumt das Unternehmen ein. "Es gab viel Bewegung in den letzten Jahren", so die Sprecherin. Die Rede ist von "Konzeptwechseln" und der "Modernisierung von Bestandskonzepten".
Vieles bleibt vage, aber bekannt ist, dass die DB einen Nutzungsmix anstrebt. Zudem passt man sich auch den Wünschen der Kunden an – mittlerweile sind zum Beispiel in den Bahnhöfen deutlich mehr vegetarische und vegane Speisen als noch vor einigen Jahren erhältlich. Manchmal müssen etablierte Geschäfte auch gegen ihren Willen weichen, was zu Konflikten führen kann. Im Dezember 2021 verließ der Trendy-Shop den Bremer Hauptbahnhof – dort hatten Kunden viele Jahre lang Werder-Fanartikel, Souvenirs, Reiseware und allerlei Nippes kaufen können. Dem Auszug war ein Rechtsstreit zwischen dem Betreiber und der Deutschen Bahn vorausgegangen, die den Mietvertrag bereits zum Januar 2019 gekündigt hatte.
Auch Nordsee ist nicht freiwillig ausgezogen, wie das Unternehmen auf Anfrage des WESER-KURIER mitteilt. Der Mietvertrag sei vonseiten der Deutschen Bahn nicht mehr verlängert worden. "Wir hätten diesen Standort sehr gerne weiter betrieben", sagt Firmensprecherin Jana Alfke. Anders lief es bei der Schuhkette Görtz. Das Unternehmen hatte sich finanziell sanieren müssen und deswegen einige Filialen aufgegeben, darunter auch die im Bremer Hauptbahnhof.
Neuzugang aus Bayern
Neben den Abgängen verzeichnet der Bahnhof auch einen Neuzugang: Seit Mai ist die Bäckerei- und Imbisskette Yormas mit einer Filiale vertreten. Das bayrische Unternehmen konzentriert sich auf Bahnhöfe und gehört dort deutschlandweit zu den umsatzstärksten Gastronomie-Ketten. Mit dem Start in Bremen sei man bislang sehr zufrieden, sagt Yormas-Sprecherin Tamara Eberl. Grundsätzlich habe die Branche aber auch mit Problemen zu kämpfen – beispielsweise werde es immer schwieriger, Personal zu finden. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, konnten Reisende vor allem im Winter während der Corona- und Grippezeit beobachten. Insbesondere kleinere Bahnhofsgeschäfte mussten wegen Personalmangels mitunter tageweise schließen beziehungsweise ihre Öffnungszeiten verkürzen.
Die Deutsche Bahn sieht ihre Großstadtbahnhöfe längst nicht mehr als reine Ankunfts- und Abfahrtsorte, sondern als Einkaufsbahnhöfe. Die Menschen sollen dort verweilen und shoppen, in Restaurants und Cafés sitzen. Auch der Bremer Hauptbahnhof ist als Einkaufsbahnhof klassifiziert. Im Vergleich zu anderen Bahnhöfen ist dieser Charakter in Bremen aber weniger stark ausgeprägt. Zum Vergleich: Der Leipziger Bahnhof hat ein ähnliches Passagieraufkommen, aber viermal so viele Geschäfte und Gastronomiebetriebe.
In Bremen setzt die Deutsche Bahn laut eigener Aussage auf "innovative Konzepte", um den Hauptbahnhof attraktiver zu machen. Für November und Dezember seien beispielsweise Events mit E-Sports-Spielern von Werder Bremen sowie ein italienischer Markt im Bahnhof geplant. Auch die vielfach diskutierten Probleme im Bahnhofsumfeld haben Einfluss darauf, wie der Bahnhof selbst wahrgenommen wird. Die Bahn verweist auf die vor einigen Jahren geschlossene Partnerschaft "Attraktiver Bahnhofsvorplatz und Umfeld", mit der die Aufenthaltsqualität gesteigert werde.