Das Land Bremen und seine Hafengesellschaft Bremenports haben am Freitag im OTB-Verfahren vor dem Bremer Verwaltungsgericht noch einmal mit Vehemenz für den Bau des geplanten Offshore-Terminals in Bremerhaven (OTB) geworben. Der Schwerlasthafen biete für den Standort unüberbietbare Vorteile – auch heute noch, nachdem in den vergangenen Jahren Offshore-Firmen abgewandert sind. Gleichzeitig startete die Bremer Seite auf ungewöhnliche Weise einen Angriff auf die Umweltschützer des BUND, die gegen den OTB klagen. „Weil wir diese Infrastruktur bisher nicht schaffen konnten, sind Hunderte von Arbeitsplätzen verlorengegangen“, erklärte Bremenports-Chef Robert Howe, „der Kläger muss sich überlegen, welchen Anteil er daran hat.“
Howe bezeichnete den OTB als „Schlussstein“ des sogenannten Windenergie-Clusters in Bremerhaven. Der Mix aus Gewerbe, Logistik, Dienstleitung und Terminal mit einer Entwicklungsfläche von 270 Hektar sei einmalig in Europa, wenn nicht in der Welt. „2010 waren wir Marktführer, und das wollen wir wieder werden“, so der Geschäftsführer.
Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts hatte am zweiten Verhandlungstag den Blick in die Gegenwart gelenkt. Eigentlich befassen sich die Richter allein mit der Situation im Jahr 2015, als der Planfeststellungsbeschluss für den OTB erlassen wurde. Seitdem haben sich die Chancen für Bremerhaven grundlegend geändert, weil es dort mit Senvion nur noch eine Firma für Windenergieanlagen gibt. Adwen ist eine Tochter von Siemens geworden und hat die Produktion eingestellt. Weserwind und Power Blades sind pleite.
„Was soll dieser OTB jetzt noch?“, fragte der Vorsitzende Richter Peter Sperlich, „das ist die Frage, die uns auf den Nägeln brennt.“ Auch Senvion stecke in Schwierigkeiten, es habe Kurzarbeit gegeben, die Beschäftigungsgarantie gelte nur noch bis Endes des Jahres. „Wozu der Hafen, wenn es keinen richtigen Anbieter mehr gibt?“, fragte Sperlich noch einmal, „ist das am Ende ein Obermissgriff?“
Klimaziele nur mit radikalen Ausbau der erneuerbaren Energien zu schaffen
Neben Howe hielt auch Nils Schnorrenberger, Chef der Wirtschaftsförderer in Bremerhaven, bei solchen Zweifeln oder auch nur Fragen massiv dagegen. Die international vereinbarten Klimaziele seien nur mit einem radikalen Ausbau der erneuerbaren Energien zu schaffen. „Offshore wird in diesem Bereich in den nächsten zwölf Jahren die höchsten Zuwächse erzielen“, sagte Schnorrenberger.
Trotz des Abzugs von Firmen bleibe in Bremerhaven immer noch ein starker Schwerpunkt für Windenergie übrig, zum Beispiel mit der industrienahen Forschung des Fraunhofer-Instituts. „Im Auftrag von Senvion suchen wir gerade einen Standort für den Prototypen einer Zehn-Megawatt-Anlage. Dort geht es weiter“, ist der Wirtschaftsförderer optimistisch.
Der Anwalt des BUND betonte, dass überhaupt nicht strittig sei, welchen Wert Offshore für die Klimaziele hat und dass es für diese Art der Energiegewinnung noch ein großes Potenzial gibt. Nur werde dafür nicht der OTB benötigt. „Hier geht es allein um die Förderung eines regionalen Wirtschaftsstandorts.“ Dem aber messen die Umweltschützer im Bereich Offshore keine großen Aussichten mehr bei. „Das ist verzweifelte Hoffnung, mehr nicht“, sagte der Anwalt.
Speziell bei der Turbinenproduktion sei es vollkommen unrealistisch, dass sich außer Marktführer Siemens noch ein anderes Unternehmen in Deuschland wirksam auf dem Markt durchsetze. „Wenn die Aussichten wirklich so prächtig wären, hätten sich private Firmen um Bau und Betrieb des OTB bemüht. Haben sie aber nicht.“ Nach einer erfolglosen Ausschreibung sprangen Bremenports als Hafenbauer und die BLG Logistics Group als Betreiber ein.
Beide Unternehmen werden durch eine Mehrheitsbeteiligung von der öffentlichen Hand geführt. Für den Bau des OTB waren bislang 180 Millionen Euro veranschlagt. Howe sprach vor Gericht erstmals von 180 bis 200 Millionen Euro. „Und wenn noch lange geklagt wird, wird er doppelt so teuer.“
Beide Prozessparteien waren sich einig, dass die Windkraftanlagen auf hoher See rasant größer werden und an Leistung zunehmen. Mit der Folge, dass weniger davon produziert und umgeschlagen werden müssen. Für den Schwerlasthafen war mit einer Zahl von 120 Anlagen pro Jahr geplant worden. Der BUND schätzt, dass es unter den neuen Bedingungen deutlich weniger sein würden, 30 bis 35.
Noch ein Beleg für die Umweltschützer, dass der OTB wegen mangelnder Auslastung nicht solche regionalwirtschaftlichen Effekte verspricht, wie von den Planern erwartet. Jedenfalls nicht solche, dass dafür am Weserufer in geschützte Natur eingegriffen werden dürfe.
"Der Standort hat null Chancen ohne den OTB"
Das Gericht bezeichnete die Wachstumsprognosen im Zusammenhang mit dem OTB als „sehr optimistische Annahmen“. Die Vertreter der Planungsbehörde widersprachen: „Der Umstand, dass es in Bremerhaven immer düsterer aussieht, sagt nichts über die Substanz der Prognosen aus.“ Wenn man in einem Gewerbegebiet die versprochene Straße nicht baue, dürfe man sich nicht wundern, wenn die angesiedelten Firmen wieder wegzögen, hieß es zum Vergleich. „Der Standort hat null Chance ohne den OTB. Dann werden noch mehr Firmen abwandern.“
Das Verfahren wird am 7. Februar mit dem Urteil abgeschlossen. Danach könnte es, wie schon im Eilverfahren, das einen Baustopp brachte, zur nächsthöheren Instanz gehen.