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Autoumschlag in Bremerhaven "Wir können das Terminal nicht als billigen Parkplatz benutzen"

Der Präsident des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe, Frank Dreeke, hofft auf eine Lösung im Tarifstreit. Warum der BLG-Chef einen Umbau des Autoterminals in Bremerhaven für zwingend hält.
27.07.2022, 05:00 Uhr
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Von Lisa Schröder

Herr Dreeke, seit mehr als vier Jahrzehnten hat es nicht einen solchen Arbeitskampf in den Häfen gegeben. Für 48 Stunden ist der Warenfluss in Hamburg, Bremerhaven, Bremen, Emden, Wilhelmshaven und Brake ausgebremst worden. Warum haben sich die Tarifverhandlungen derart zugespitzt?

Frank Dreeke: Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe hat ein sehr vernünftiges Angebot vorgelegt – und ist damit an die Schmerzgrenze der Unternehmen gegangen. Eine Einigung ist aber schwierig, wenn eine Partei kontinuierlich auf Maximalforderungen besteht. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir im Moment eine besondere Situation haben. Wir wollen dem auch – soweit es wirtschaftlich möglich ist – Rechnung tragen. Insofern hoffen wir, dass die nächsten Termine wirklich genutzt werden, um sich zu einigen. Wenn das nicht passieren sollte, müssen wir uns eines Schlichters bedienen. Manchmal ist es besser, dass ein Dritter die Wogen zu glätten versucht, wenn man nicht weiterkommt.

Die Verhandlung geht an diesem Mittwoch in die achte Runde. Woher schöpfen Sie Hoffnung, dass es bald eine Lösung geben wird?

Ich glaube einfach, dass es an sich genug Punkte geben müsste, wo man sich einig ist. Und die, die noch offen sind, kann man sehr konstruktiv besprechen. Da geht es sicherlich um die Laufzeit. Die Unternehmen brauchen bei einem solchen Tarifabschluss eine gewisse Sicherheit. Ich bin sehr optimistisch, dass man sich einigen kann, wenn man es will. Bei uns ist der Wille da.

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Welche Folgen hatten die Streiks?

Der volkswirtschaftliche Schaden ist schon groß. Die Lieferketten waren vorher bereits vor allem durch die Null-Covid-Politik in China eingeschränkt. Wenn dann die Häfen plötzlich in einen solchen Warnstreik gehen, ist das für uns als Unternehmen nicht gut. Es schadet dem Ruf der deutschen Seehäfen. Und es gibt sicherlich Häfen in Europa, die das Ganze sehr interessiert betrachten und daraus möglicherweise ihren Profit schlagen wollen.

Wie sieht die Situation in den Häfen derzeit aus?

Die Situation hat sich etwas entspannt. Wir sind zumindest bei den deutschen Häfen auf einem vernünftigen Weg. Als Unternehmen haben wir natürlich alles getan, um die Staus so schnell wie möglich wieder abzubauen. Aber das hat schon Spuren hinterlassen.

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Was heißt das konkret für die BLG?

Wenn Sie zwei Tage nicht arbeiten, dann können Sie zwei Tage kein Geld verdienen. Das hat natürlich finanzielle Auswirkungen.

Das Autoterminal der BLG in Bremerhaven steht vor einem Umbruch. Sie reagieren damit auf einen deutlichen Rückgang des Umschlags auf 1,7 Millionen Fahrzeuge 2020 und 2021 – ein Fünftel weniger als vor der Krise. Warum ist die Neuaufstellung notwendig? Rechnen Sie nicht mit einer Erholung der Automobilindustrie?

Was auf dem Autoterminal in Bremerhaven passiert, ist eine logische Konsequenz aus den Marktveränderungen in der Automobilindustrie in den letzten beiden Jahren. Die Volumenproduktion, so wie wir sie kennen, findet einfach nicht mehr statt. Wir haben weiterhin einen immensen Chipmangel in der Automobilbranche und insgesamt einen Teilemangel auch in anderen Bereichen. Der Markt hat sich noch nicht erholt und darauf müssen wir bei einem Terminal dieser Größenordnung reagieren. Wenn man weniger Autos umschlägt, müssen operative Prozesse optimiert werden. Uns geht es um eine Strategie für die nächsten Jahre.

Haben Sie Ihre Autokunden direkt gefragt: Was haben wir eigentlich zu erwarten in den nächsten Jahren?

Wir stehen in einem ständigen Kontakt mit unseren Kunden. Er könnte gar nicht enger sein. Die Verlässlichkeit der Zahlen ist aber nicht da – auch nicht bei unseren Kunden. Die Autohersteller können immer noch nicht einschätzen, wann der Mangel an Teilen endet, wann die Nachfrage sich wieder erholt. Das ist eine der größten Herausforderungen: Wir müssen das Terminal ohne klar planbare Zahlen für die Zukunft aufstellen. Im Moment sind die Vorhersagen, dass der Umschlag zunächst nicht wieder steigt.

Die Produktivität des Terminals hat auch wegen Corona gelitten. Ist das weiter ein Problem?

Wir haben bis heute eine sehr hohe Krankheitsquote – zum Teil von 17 bis 22 Prozent. Das ist außergewöhnlich hoch. Wir wollen natürlich nicht damit planen – das will keiner. Doch wir müssen uns darauf einstellen.

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Elf Millionen Euro betrug der Verlust fürs Autoterminal – was erwarten Sie für dieses Jahr? Der Umschlag bewegt sich bisher auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie in den beiden Vorjahren.

Ob er in dieser Höhe ausfallen wird? Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Wir sind erst im Juli. Es ist aber damit zu rechnen, dass wir in diesem Jahr noch keine schwarzen Zahlen schreiben.

Für das Terminal gibt es einen Beschäftigungssicherungsvertrag. Der schließt betriebsbedingte Kündigungen in den nächsten zwei Jahren aus. Für die Mitarbeiter gibt es jedoch Einbußen. Wie sehen die aus?

Es geht beispielsweise um Zeitzugeständnisse oder auch Zuschlagszugeständnisse. Der Beschäftigungssicherungsvertrag, der mit dem Sozialpartner vereinbart wird, war dringend notwendig – darüber muss man bei elf Millionen Euro Minus nicht reden.

Es geht also etwa um mehr Arbeit ohne Lohnausgleich?

Es wurde ein Gesamtpaket verhandelt. Die Mitarbeitenden bringen im Wesentlichen Arbeitszeit ein. Gleichzeitig sind aber auch Wahlmöglichkeiten für die Einbringung geschaffen worden. Im Gegenzug gab es umfangreiche Zusagen zum Schutz der Arbeitsverhältnisse.

Was bedeutet nun die Restrukturierung für die mehr als 1600 Beschäftigten?

Die Beschäftigten werden weiterhin ein sehr leistungsfähiges Terminal mitgestalten können. Ein Punkt ist sicherlich die Reduzierung der Krankheitsquote. Wenn uns das gelingt, brauchen wir nicht unbedingt Kräfte von außen beschäftigen. Das sichert Arbeitsplätze. Wir unternehmen außerdem viele vertriebliche Anstrengungen in Bereichen, in denen wir Wachstum sehen, wie etwa dem High-and-Heavy-Umschlag.

Erwarten Sie einen Rückgang der Arbeitsplätze, wenn der Umschlag nicht wieder zulegt?

Es könnte Verschiebungen hin zum High-and-Heavy-Umschlag des Terminals geben. Das müssen wir abwarten. Wir werden uns auch die Entwicklung der Weltwirtschaft ansehen. Das spielt ja eine nicht ganz unerhebliche Rolle für das Terminal.

Spielt Tesla für Bremerhaven auch eine Rolle?

Wir stehen in engem Kontakt. Und wenn Tesla nach Übersee verladen will, dann kann das auch über Bremerhaven stattfinden. Wir sind in guten Gesprächen. Wir machen schon einige Inlandstransporte für Tesla. Im Umschlag ist das Unternehmen aber noch kein Kunde.

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Bremen muss bei der Digitalisierung der Häfen kräftig aufholen. Auf Hamburg, Rotterdam und Antwerpen soll der Rückstand nach einer Analyse mehrere Jahre betragen. Gibt es fürs Autoterminal ebenfalls Nachholbedarf?

Ein klares Nein. Insgesamt ist die BLG bei der Digitalisierung ganz hervorragend aufgestellt. Das Terminal selbst könnte im Moment nicht digitaler sein. Die Autos könnten bereits autonom fahren. Es fehlen aber noch die rechtlichen Grundlagen dafür. Wegen unseres Verhältnisses zu den Automobilproduzenten dieser Welt würde Bremerhaven sicherlich als Erstes für einen Testlauf genutzt werden. Darüber gibt es viele Gespräche, das ist aber noch nicht in Sicht.

Wie teuer ist die Restrukturierung?

Über solche Zahlen spreche ich nicht in der Öffentlichkeit. Es gibt einen neuen Geschäftsführer. Das Unternehmen Sandl Maritime, das bereits die Transformation bei Eurogate begleitet hat, berät uns. Wir sind einfach der Meinung: Es ist gut, wenn jemand Neutrales auf das Terminal schaut und 'out of the box' denkt und handelt.

Gibt es auch Zeichen der Hoffnung?

Hoffnung würde mir nicht reichen, denn das Terminal ist leistungsfähig. Wir müssen nur mit anderen Stückzahlen und Kostenstrukturen umgehen. Darüber müssen wir auch mit unseren Kunden sprechen. Auch wir haben höhere Energiekosten und höhere Lohnkosten. Wir können das Terminal nicht als billigen Parkplatz benutzen – um es klar zu sagen.

Das ist passiert?

Die Langsteher sind ein großes Thema. Wenn Autos nicht fertig sind und länger lagern als normal, dann ist das für ein Terminal schädlich. Das ist gerade während Corona passiert.

Der Begriff Restrukturierung dürfte einigen Beschäftigten auch Angst machen. Ist das Terminal in Gefahr?

Nein. Es ist nicht in Gefahr. Wir setzen eine Restrukturierung in Gang, weil wir an das Terminal glauben. Und weil wir auch an die Branche glauben.

Wann soll die Neuaufstellung abgeschlossen sein?

In einem Zeitraum zwischen eineinhalb und zwei Jahren.

Wenn wir also in zwei Jahren hier sitzen...

...dann gibt es schwarze Zahlen. Das ist das Ziel.

Das Gespräch führte Lisa Schröder.

Zur Person

Frank Dreeke

ist Vorstandsvorsitzender der Bremer BLG Logistics Group und zugleich Präsident des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe. Der gelernte Schifffahrtskaufmann und studierte Betriebswirt war zuvor unter anderem Deutschland-Chef der Containerreederei Maersk Line.

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