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Lohnt sich der Tarifwechsel? Bremer Energieberater warnen vor Risiken bei dynamischen Stromtarifen

Die Waschmaschine anschmeißen, wenn die Strompreise günstig sind: Ab 2025 müssen Energieversorger dynamische Tarife anbieten. Lohnt sich der Wechsel?
03.01.2025, 05:30 Uhr
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Bremer Energieberater warnen vor Risiken bei dynamischen Stromtarifen
Von Lisa Schröder
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Das Angebot klingt verlockend: Wenn die Strompreise besonders günstig sind, lässt sich davon direkt profitieren. Für viele Haushalte kann es sich lohnen, auf einen solchen dynamischen Stromtarif zu wechseln, der ab diesem Jahr von den Energieversorgern angeboten werden muss. Der Bremer Energieberaterin Inse Ewen zufolge wird damit ein „flexibles Verbrauchsverhalten“ belohnt. Der richtige Umgang mit dem Tarif sei sehr wichtig: „Ansonsten kann es teuer werden.“

Wie funktioniert der Tarif?

Die Stromkosten sind dabei an den Börsenpreis gekoppelt. Somit entsteht ein Anreiz für die Haushalte, ihren Energieverbrauch möglichst in die Zeit zu verlagern, wenn die Strompreise niedrig sind. Die Steuerung kann helfen, das Stromnetz optimal auszulasten. Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelte werden unverändert in voller Höhe fällig. Die Strompreise können sich laut Ewen stündlich oder gar viertelstündlich ändern.

Was hat das mit der Energiewende zu tun?

Die zunehmende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne führe zu stärker schwankenden und auch niedrigeren Börsenpreisen. „Bisher profitieren Verbraucher nicht direkt von diesen niedrigen Preisen“, sagt Ewen. Es gebe beispielsweise keinen Vorteil, wenn die Waschmaschine genutzt werde, wenn gerade viel erneuerbarer Strom erzeugt werde.

Die dynamischen Stromtarife zahlen aus Sicht des Oldenburger Energieversorgers EWE positiv auf die Energiewende ein. „So kann ein Kunde, wenn viel regenerativer Strom im Netz ist, diesen sehr günstig nutzen.“ Es sei natürlich immer sinnvoll, möglichst Strom von Erneuerbaren zu nutzen, sagt Sprecher Dietmar Bücker.

Welche Haushalte können besonders profitieren?

Energieberaterin Ewen zufolge können allein Haushalte mit Elektroauto, Batteriespeicher oder Wärmepumpe einen entscheidenden Teil ihrer Last überhaupt verlagern – also den Verbrauch steuern. Für diese Haushalte seien dynamische Tarife sinnvoll, weil ein relevanter Teil des Stromverbrauchs verschoben werden könne. „Für ‚normale‘ Haushaltskunden überwiegt das Risiko steigender Preise die Vorteile bei Weitem.“

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„Der Kunde hat es selbst in der Hand, sein Verbrauchsverhalten am Börsenpreis auszurichten“, heißt es von der EWE. Ein Risiko bestehe dabei: Manchmal werde die Energie womöglich zwingend benötigt, selbst wenn der Strom gerade sehr teuer sei. Zudem lässt sich ein Basisverbrauch kaum steuern – etwa die Energie für den Kühlschrank. „Im Mittel bietet der dynamische Stromtarif für Kunden aber sicherlich preisliche Vorteile“, sagt der EWE-Sprecher. Gerade für E-Auto-Fahrer mit Wallbox eigne er sich.

Welche Voraussetzungen gibt es?

Wer einen dynamischen Tarif nutzen möch­te, braucht dafür ein intelligentes Messsystem. „Das ist die Kombination aus einer modernen Messeinrichtung und einem Smartmeter Gateway“, so Bücker von der EWE. Netzbetreiber seien ab dem 1. Januar dazu verpflichtet, ein solches System auf Kundenwunsch zur Verfügung zu stellen. Energieversorger müssen bei den Tarifen in der Lage sein, Preise und Verbrauchsdaten nahezu in Echtzeit zu nutzen und zu übermitteln.

Wie fällt das Interesse aus?

EWE Vertrieb bietet seit 2022 einen dynamischen Stromtarif an. Das Produkt sei monatlich kündbar. Die Nachfrage nach dem Angebot steige stetig. Die SWB beobachtet das noch nicht. „Wir haben den Eindruck, dass das Interesse derzeit eher zurückhaltend ist“, teilt die Sprecherin des Bremer Energiekonzerns Angela Dittmer mit. Eine Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands zeigte unlängst, dass viele Haushalte mit den Stromtarifen nicht vertraut sind.

Wo liegt das Risiko?

„Es gibt keinen Preisdeckel“, sagt Energieberaterin Ewen. „An Tagen mit viel Wind und Sonne können die Preise recht niedrig sein und an Tagen mit wenig Wind und Sonne sehr hoch.“ Zudem beeinflussten weitere Faktoren das Preisniveau: etwa ein zu geringes Angebot an Gas oder auch ein zu geringes Stromangebot im Ausland. Die Verbraucher trügen das Risiko hoher Preise an den Strombörsen – während das „Beschaffungsrisiko“ sonst bei den Stromlieferanten liege.

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Vom Bremer Versorger SWB heißt es ebenfalls: Die Verantwortung liege allein beim Kunden: „Da sowohl Nachfrage, Nachfragezeiten, Kraftwerkskapazitäten und auch das Wetter Einfluss auf die Preise an der Strombörse nehmen, ist eine Deckelung nach oben nicht zu realisieren und steht auch gegen die Idee, das persönliche Verbrauchsverhalten intelligent anzupassen.“

Welche Gefahr bergen Dunkelflauten?

Gerade im Winter und Herbst sind Dunkelflauten ein Problem. Windräder und Solaranlagen liefern an diesen Tagen kaum Energie. Das sorgt zeitweise für hohe Preise: Im Dezember soll das Phänomen für einen Rekordstrompreis gesorgt haben. Die SWB kann Preisspitzen nach Angaben von Sprecherin Dittmer mit günstiger beschafften Strommengen ausgleichen. Über das ganze Jahr werde Strom eingekauft. Verbraucher mit einem dynamischen Stromtarif profitieren davon nicht mehr.


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