Im Keller von Enno Fricke und Denis Kapieske hängt die frisch gewaschene Wäsche zum Trocknen auf dem Ständer. Gleich daneben steht ein Aquarium, das in etwa die Größe eines Umzugskartons hat. Doch statt Gold- oder Anemonenfischen schwimmt hier etwas durchs Wasser, bei dem Restaurantköchen sofort mehrere Rezepte einfallen würden. Denn die Tilapias, die auch Buntbarsche genannt werden, sind Speisefische, die ursprünglich vom Nil stammen und eigentlich warme Gewässer zwischen 22 und 30 Grad mögen. Hier im WG-Keller in der Bremer Neustadt hat das Wasser aber nur 20 Grad. Enno Fricke sagt: „Damit sie nicht so schnell wachsen, weil wir nicht genug Platz haben.“
So nutzen er und Kapieske in dem Stadthaus jeden Platz, der dafür möglich ist. Auch den Fahrradschuppen haben die zwei jungen Unternehmensgründer kurzerhand zur Zuchtanlage umfunktioniert. Auf dem Boden neben einigen Rädern steht ein großer Tank mit Zander – allerdings mit einem dunklen Tuch abgehängt, da die Fische es gerne dunkel mögen. Der Tank ist wiederum mit einer grünen Plastiktonne verbunden, dem sogenannten Second Tank. Dieser sichert den PH-Wert der Anlage. Dafür wird das Wasser darin mit Kalk versetzt. Daran hängt nochmals ein weiteres Plastikfass. In diesem sind Bakterien, die die Ausscheidungen der Fische in Nitrit und Nitrat, und somit in Nährstoffe für Pflanzen umwandeln.
Denn Fricke und Kapieske züchten mit ihrem Start-up Watertuun Fische und Pflanzen. Das wollen die Gründer dort züchten, wo die Fische verzehrt werden sollen. Und das Gemüse soll ohne Pestizide oder künstliche Düngemittel wachsen. Zum Gründerteam der Bremer gehören Anne Brünner und Lucas Lansing. Ihr Verfahren nennt sich Aquaponik: Es verbindet die Aufzucht von Fischen mit der Kultivierung von Pflanzen, indem beide in einem geschlossenen Kreislaufsystem wachsen können.
Daher wird das Wasser aus dem Tank im Fahrradschuppen auf das Dach gepumpt, nachdem es alle Stationen durchlaufen hat. Dort befindet sich der Garten. Die Pflanzen wurzeln in Plastikbechern, die in Plastikrohren stecken. „Die Rohre sind durch die Wurzelmatten der Pflanzen ausgefüllt. Dadurch wird das Wasser gefiltert, ehe es zurück in den Fischtank gelangt“, sagt Fricke, der Meeresbiologe ist.
Ein Wassergarten ohne passenden Standort
Watertuun ist Plattdeutsch und bedeutet Wassergarten. Mit ihrer Geschäftsidee haben die Gründer im vergangenen Jahr den Wettbewerb „Ideen für Bremen“ gewonnen, bisher kam das Projekt aber noch nicht richtig ins Rollen. Nicht weil die Gründer es sich mittlerweile anders überlegt haben, sondern weil sie noch keinen passenden Standort gefunden haben. „Wir würden uns mit einer Außenfläche begnügen. Dort könnten wir Container und ein Gewächshaus aufstellen. Das einzige, das wir dann noch bräuchten wären Wasser und Strom“, sagt Enno Fricke.
Zunächst haben sie nach einer Halle mit Grundstück gesucht. Das sei allerdings schwer zu finden, weshalb die Unternehmensgründer ihre Suchkriterien mit der Zeit angepasst haben. So haben sie schon viele Gespräche geführt. Hatten sie aber einen ihrer Meinung nach geeigneten Standort gefunden, scheiterte es bisher an den notwendigen Baugenehmigungen. Denis Kapieske, der gerade seinen Master zum Umweltingenieur macht, sagte: „Bisher ist leider noch nichts Spruchreifes dabei gewesen. Wir hoffen trotzdem, dass wir diesen Winter mit dem Bau beginnen können.“ Ebenso könnten er und seine Kollegen sich eine Kooperation mit Supermärkten oder Brauereien vorstellen: „Wir könnten beispielsweise die Abwärme der Kühlhäuser nutzen und unsere Farm auf dem Gebäudedach installieren. Dann müssen die Kooperationspartner ihre Abwärme nicht gleich in die Umwelt blasen.“ Ziel sei, dass der eine Partner vom anderen profitiert.
Die Bandbreite, was auf den Dächern wachsen könnte, sei groß. Neben Blattgemüse wären Auberginen, Paprika, Chilis, Pak Choi oder auch Kohlrabi kein Problem. Das bedeutet also einen Anbau vor Ort, was wiederum in den plattdeutschen Unternehmensnamen „Watertuun“ hineinspielen soll. Kapieske und Fricke sprechen zwar kein Platt, aber einen englischen Namen wollten sie ihrem Projekt auch nicht geben. „Es geht schließlich um regionale Lebensmittel. Da hat Plattdeutsch am besten gepasst“, sagt Fricke.
Sobald die Standort-Frage geklärt ist, möchten die Gründer loslegen. „Ich denke, man kann unsere Produkte vom Preisrahmen in die Bio-Ecke einordnen“, sagt Kapieske. Für eine Bio-Zertifizierung ist diese Art des Anbaus vom Gesetz her nicht möglich. Denn die Bestimmungen für Bio verlangen, dass das Gemüse in der Erde wachsen muss. Allerdings sei Aquaponik auch in Verbindung mit Erdanbau möglich. Doch nun geht es vorerst mit der Standortsuche weiter. Wenn die erfolgreich gewesen ist, dann können die jungen Unternehmensgründer auch solche Fragen angehen.