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Methadon statt Heroin Zwanzig Jahre auf Drogen

Stefan Kreger war 20 Jahre lang drogenabhängig. Er hat Ecstasy und Kokain getestet, bei Heroin ist er hängen geblieben. Mittlerweile ist er im Methadon-Programm und versucht, seine Sucht zu besiegen.
04.08.2017, 17:52 Uhr
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Zwanzig Jahre auf Drogen
Von Jan-Felix Jasch

Früher freute sich Stefan Kreger* auf den Feierabend. Weil es nach einem langen, anstrengenden Tag dann eine Feierabend-Nadel gab. Zur Entspannung. Um runterzukommen. So nennt er es heute. Der 35-Jährige war insgesamt 20 Jahre seines Lebens drogenabhängig, zehn davon heroinsüchtig. Davon kommt er nicht mehr los. Mal konsumiert er mehr, mal weniger.

Seit drei Jahren nimmt Kreger an einem Methadon-Programm teil. Dabei wird die Droge durch ein Medikament ersetzt und schrittweise reduziert. Zwischenzeitlich flog er aus der Therapie – „wegen Beikonsum“, sagt der 35-Jährige. Neben der Behandlung hatte er Koks genommen.

Das ist verboten und wird bei einer Urinkontrolle aufgedeckt. Doch es gelingt ihm, wieder in das Programm aufgenommen zu werden. Kreger bekommt täglich zwölf Milliliter Methadon, meistens am Morgen, manchmal mittags. Die Dosis muss den Tag über reichen. Nicht einfach. „Deswegen habe ich nebenbei konsumiert.“

Mit 14 Jahren begann der Konsum

Aber mittlerweile geht es – auch wenn es am Abend manchmal schwierig wird. „Dann werde ich ab und zu hibbelig und unruhig.“ Schon vier bis fünf Milliliter Methadon sind tödlich für einen Erwachsenen, der keine Drogen gewöhnt ist. Seine Drogenkarriere beginnt mit 14 Jahren.

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„Meine Eltern waren zerstritten und ließen sich scheiden“, erzählt Kreger. Über Freunde kommt er zum Cannabis-Rauchen. „Auf Partys, in der Gemeinschaft ging häufig ein Joint rum“, sagt er. Aber dabei bleibt es nicht, die Feiern werden häufiger, die Abende länger. Um durchzuhalten, muss er zu Härterem greifen.

Er versucht Ecstasy und Kokain. Irgendwann reicht auch das nicht mehr. „Ich habe angefangen, Heroin zu schniefen.“ Also durch die Nase zu ziehen. Erst später, mit Mitte 20, beginnt er mit dem Rauchen und dem Spritzen. „Der Körper braucht das Heroin irgendwann“, erzählt er.

Positives Loslassen vom Alltag

Manchmal sei es nur die Psyche, dann fühle es sich wie Hunger an. Aber es gebe auch die körperlichen Symptome. „Es beginnt wie eine Erkältung. Um die zu kurieren, nimmst du dann mehr.“ Bei der vermeintlichen Erkältung bleibt es längst nicht. Schmerzen in den Gliedern, im Kopf kommen hinzu.

Nur das Heroin kann seine Leiden lindern. Es führt zum Kontrollverlust, zum „positiven Loslassen vom Alltag“. Aber auch zum Ausfall der Körperbeherrschung. „Man kann ohne das Heroin nicht aufstehen.“ Die Umgebung, in der er die Droge konsumiert, werde ihm egal – Hauptsache, er bekomme den nächsten Schuss.

Mehrmals wacht Kreger wegen Überdosen im Krankenhaus auf. Manchmal rufen seine Freunde den Krankenwagen, mehrmals sind es Passanten, die ihn regungslos auf der Straße finden. Eines Morgens wacht er auf. „Ich habe bemerkt, dass ich völlig vollgepisst war“, erzählt er.

Nicht bereit für einen Beruf

Die Erkenntnis kommt: „Ich musste was ändern, ich hatte Angst um mein Leben“, sagt er. Aufstehen kann er trotzdem nicht – der Antrieb fehlt. „Ich brauchte erst einen Schuss, ehe ich zum Arzt gehen konnte.“ Dieser vermittelt ihm den Platz im Methadon-Programm. Einen Beruf hat Kreger im Moment nicht.

„Dafür bin ich noch nicht bereit“, sagt er. Meistens hänge er in der Nähe des Bahnhofs rum, verkaufe Zeitungen oder schnorre Passanten an. Aber er will unbedingt wieder arbeiten. Was, ist ihm eigentlich egal. „Auf dem Bau oder in einem Lager.“ Nach der Schule hatte Kreger eine Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker begonnen, beendete sie aber nicht. Wegen der Drogen. Er hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, arbeitete als DJ in verschiedenen Diskotheken. „Beschaffungskriminalität hat es bei mir kaum gegeben“, sagt er. Nur hin und wieder musste er „Geschäfte machen“.

Kreger ist fest entschlossen, clean zu werden – auch wenn er immer wieder Rückfälle hinnehmen musste. Er will wieder in eine eigene Wohnung, raus aus dem betreuten Wohnen. Und er will seine Erfahrungen weitergeben. „Es wäre schön, wenn andere Kraft aus meiner Geschichte ziehen könnten.“ Einen Zeitplan hat Kreger nicht, aber er ist sicher. Sicher, dass er sein Leben wieder auf die Reihe bekommt.

* Name von der Redaktion geändert.

Hilfe für Abhängige illegaler Substanzen Menschen, die abhängig von Heroin, Kokain oder auch Cannabis sind, können sich bei der Ambulanten Suchthilfe Bremen beraten lassen. Je nach konsumierter Droge gibt es verschiedene Angebote. Ein Standort der Suchthilfe ist an der Bürgermeister-Smidt-Straße 35, ein weiterer ist in Bremen-Nord an der Bermpohlstraße 23a. Die Comeback GmbH unterstützt und berät Drogensüchtige. Das Unternehmen hat seinen Sitz am Bahnhofsplatz 29. Dort findet montags und mittwochs bis freitags eine offene Beratung von zehn bis 15 Uhr statt. Dienstags ist zwischen 14 und 16 Uhr geöffnet. Telefonisch ist der Betrieb unter (0421) 4600 600 zu erreichen.

Dieser Artikel ist Teil unserer Wochenserie zum Thema Sucht.

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