- Was ist Glyphosat?
- Welche Gesundheitsrisiken gibt es?
- Welche ökologischen Probleme gibt es?
- Was bedeutet der Kommissionsvorschlag?
- Was sagen unabhängige Fachleute?
„Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“ So steht es im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung, so hat es das Bundesumweltministerium bislang verfolgt. Doch dann kam es anders. Zum einen macht sich schon länger die FDP entgegen der Absprache dafür stark, das umstrittene Pflanzenschutzmittel weiter zu genehmigen.
Zum anderen hat auch die EU-Kommission überraschend im September dieses Jahres einen Vorschlag vorgelegt, die Zulassung um zehn Jahre zu verlängern. Vergangene Woche Freitag hat der EU-Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel die Entscheidung vertagt.
Was ist Glyphosat?
Glyphosat ist der Wirkstoff vieler Breitbandherbizide und wurde in den späten 1970er-Jahren von der Firma Monsanto auf den Markt gebracht. Es wird in der Landwirtschaft, in der kommunalen Grünflächenpflege oder auch von Privathaushalten genutzt. Besonders populär wurde Glyphosat in einigen Ländern mit der Entwicklung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen, die gegen Glyphosat resistent sind. Damit konnten Landwirte das Pflanzenschutzmittel großflächig ausbringen, ohne auf die Anbaukultur Rücksicht nehmen zu müssen. Weltweit werden heute jährlich rund 800.000 Tonnen des Herbizids ausgebracht. Etwa vier Tonnen entfallen auf Deutschland.
Welche Gesundheitsrisiken gibt es?
Vor einigen Jahren diskutierten Fachleute intensiv darüber, ob Glyphosat krebserregend ist. Die Internationale Agentur für Krebsforschung hatte die Chemikalie als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Seitdem kamen Studien und Behörden zu unterschiedlichen Bewertungen. Mehrheitlich lautete das Fazit, dass die in Lebensmitteln enthaltene Menge an Glyphosatrückständen unbedenklich sei. Bei regelmäßigen Anwendern jedoch erhärten sich die Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Leukämie.
Kaum Beachtung fand in der Debatte die Problematik, dass die meisten Herbizide neben Glyphosat weitere Wirkstoffe enthalten und Lebensmittel oft mit mehr als einem Pflanzenschutzmittel belastet sind. Wie diese Chemikalien in Kombination wirken, ist kaum untersucht. Als sicher gilt, dass sie giftiger sind als Glyphosat alleine – doch das ist nicht zulassungsrelevant.
Ein noch weniger diskutiertes Problem ist die antibiotische Wirkung von Glyphosat. Die massenhafte Anwendung des Wirkstoffs fördert, dass sich Mikroorganismen ausbreiten, die dagegen resistent sind. Dazu gehören Krankheitserreger wie Clostridien, Salmonellen, Fusarien und Heliobacter. Nützliche Mikroben, die anfällig gegen Glyphosat sind, verringern sich. „Folge sind häufig Dysbiosen, aus dem Gleichgewicht geratene Mikrobiome, zum Beispiel in der Darmflora, aber auch andernorts“, erläutert Maria Finckh, Agrarökologin an der Universität Kassel. Im EU-Text findet sich dazu keine Silbe, weshalb Finckh kritisiert, dass „die vielfältigen Daten, die aufzeigen, wie die selektive antimikrobielle Wirkung von Glyphosat die Gesundheit von Tieren, Menschen und Pflanzen beeinträchtigt, schlicht ignoriert werden“.
Dass inzwischen auch Wechselwirkungen von Glyphosat mit zellulären und subzellulären Komponenten nachgewiesen wurden – etwas, das dem offiziellen Wirkmechanismus zufolge ausgeschlossen sein müsste – ignoriert die EU-Kommission.
Welche ökologischen Probleme gibt es?
Die EU-Kommission begründet ihren Vorschlag unter anderem mit Wissenslücken im Bereich der umweltschädigenden Wirkung. Das widerspricht dem in der EU üblichen Vorsorgeprinzip, ignoriert aber auch vorhandenes Wissen etwa um die antibiotische Wirkung. Diese sei der wichtigste Grund, dass Glyphosat ein Problem darstelle, da dieses Antibiotikum flächendeckend oft jedes Jahr dem Boden zugeführt werde, betont Finckh.
Neben dieser Wirkung, die beispielsweise auch die Gesundheit von Bienen betrifft, gibt es Nachweise über Gewebeschädigungen bei Fischen. Oftmals handelt es sich bei Glyphosat um Probleme, "die nicht über Standardtests in der ökotoxikologischen Risikobewertung nachgewiesen werden können", berichten Rita Triebskorn und Heinz Köhler vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen.
Dass so manches Pflanzenschutzmittel noch viel schlimmer ist, lassen die meisten Ökologen nicht gelten: "Glyphosat ist zwar von den Risiken her gesehen ein Leichtgewicht, aber es ist ein großer Treiber bei den ausgebrachten Mengen", resümiert etwa Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung der Universität Göttingen.
Nicht zuletzt trifft sich die Landwirtschaft mit Glyphosat selbst: Das Mittel schädigt Knöllchenbakterien, die im Boden Pflanzen mit Stickstoff versorgen, und begünstigt zugleich Fusarien, die Wurzelfäule verursachen.
Was bedeutet der Kommissionsvorschlag?
Die EU stützt sich auf ihre zuständige Behörde EFSA, die im Juli die Auswertung von 2400 Studien vorgelegt hat. Allerdings entstammen lediglich 700 dieser Studien der veröffentlichten Fachliteratur, denn die Hersteller halten ihre eigenen Studien oft geheim. Die Begründung der weiteren Zulassung sieht einige Bedingungen und Einschränkungen vor, etwa Höchstwerte für giftige Verunreinigungen und den Schutz von Land- und Wasserpflanzen vor der sogenannten Sprühdrift bei der Ausbringung.
Am Feldrand sollen mindestens fünf Meter nicht besprüht werden, und eine Behandlung kurz vor der Ernte soll gänzlich untersagt werden. In Deutschland ist das bislang zumindest in Ausnahmen noch möglich. Belastungen der Verbraucher durch Rückstände auf Nahrungsmitteln sollen ebenso beobachtet werden wie negative Folgen für die Artenvielfalt, insbesondere über die Nahrungskette.
Was sagen unabhängige Fachleute?
„Die genannten Bedingungen und Beschränkungen sind unserer Meinung nach nicht ausreichend, um den Wirkstoff gefahrlos in die Umwelt zu entlassen beziehungsweise die zunehmende Akkumulation der Substanz in Mensch und Umwelt sowie die Gefährdung exponierter Organismen zu begrenzen“, urteilen Triebskorn und Köhler. Eine Zulassung für weitere zehn Jahre sei „wissenschaftlich unbegründet und vollkommen unangemessen“.
Ähnlich kritische Töne kommen aus unserem Nachbarland: „Der Vorschlag der EU-Kommission offenbart ein systematisches Leugnen des dramatischen Rückgangs der Biodiversität und der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Glyphosat dazu beiträgt“, moniert Johann Zaller von der Universität für Bodenkultur in Wien. Auswirkungen auf Bodenorganismen und Bodengesundheit würden im Vorschlag nicht einmal erwähnt, obwohl evident sei, dass die Böden in ganz Europa mit Glyphosat kontaminiert sind. Er sehe im EU-Entscheid „eine Verhöhnung der ökologischen Wissenschaften“.