Wie sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland und der Welt weiter entwickelt, ist unklar. Was für Stuhrs Bürgermeister Stephan Korte allerdings klar ist: "Die Belastung für künftige Haushalte kann Stuhr bei jeder wirtschaftlichen Entwicklung gut tragen." Das sagte er beim 19. Stuhrer Wirtschaftsforum am Donnerstagabend im Ratssaal vor rund 130 geladenen Gästen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kommunalpolitik. Bevor der Hauptredner, der neue Zweite Gemeinderat Peer Beyersdorff, ans Pult trat, blickte Korte noch auf aktuelle Entwicklungen.
Die Infrastruktur sei in Stuhr auf einem guten Stand. "Wir investieren viel", sagte Korte. Der Betrag nehme jährlich zu, um die Lebens- und Wohnqualität, aber auch die wirtschaftliche Attraktivität zu steigern. In den vergangenen zwei Jahren war noch nicht viel zu sehen im Ortskern Brinkum. Ende November solle aber das Baufeld eins westlich des zukünftigen Marktplatzes angegangen werden. Ende 2026, Anfang 2027 solle alles fertig sein.
In diesem Jahr wiederum ist die Erweiterung der Lise-Meitner-Schule in Moordeich konkreter geworden: Im Sommer 2026 soll planmäßig die Fertigstellung erfolgen. In Sachen Schwimmbad soll die Entwurfsplanung im Dezember fertig sein, sodass die Ausschreibungen wohl im Januar starten können.
In der vergangenen Woche war mit dem ersten Spatenstich für die Linie 8 ein ÖPNV-Projekt gestartet, "das seinesgleichen sucht". Mit der Straßenbahn sollen auch die Gewerbegebiete Brinkum-Süd und Stuhrbaum angesteuert werden – sicher auch ein attraktives Angebot für viele Arbeitnehmer, wie Korte betonte. Neue Gewerbegebiete gilt es ebenfalls zu entwickeln. Beim Areal Birkenweg in Groß Mackenstedt könne die Gemeinde wohl im Sommer in die Vermarktung gehen. In Brinkum-Süd sollen zudem vier Hektar Gewerbefläche entwickelt werden.
Viel Geld für Straßensanierung
Die Sanierung der Gutenbergstraße in Stuhrbaum werde demnächst abgeschlossen. Auch der Haushalt 2025 soll wieder einen hohen Betrag für die Instandsetzung von Straßen vorsehen. Sorge bereite allerdings der Blick nach Bremen, sagte Korte. Dort steht die Sanierung sämtlicher Weserbrücken an – das könnte auch zur Belastung für Stuhrer Straßen werden. Dass die Kommunikation mit der Bremer Verkehrsbehörde besser läuft als früher, freute den Stuhrer Rathauschef jedoch.
Im Jahr 2026 könnte Stuhr schuldenfrei werden – was aber nur kurz anhalten werde, denn allerhand Investitionen stehen an. Stuhr könne stets auf seinen besonderen Branchenmix setzen, der Verwaltung und Politik Planungssicherheit gebe. Bei der Anzahl an Beschäftigten in Stuhr, die auch in der Gemeinde leben, gebe es stets einen "deutlichen Zuwachs". Zudem habe Stuhr einen deutlichen Einpendler-Überschuss. Darüber hinaus überwiege der Anteil an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen.
Korte betonte, dass ihm die Verabschiedung des langjährigen Wirtschaftsförderers Lothar Wimmelmeier in den Ruhestand (wir berichteten) in den vergangenen Jahren "am meisten Bauchschmerzen bereitet" habe. "Deshalb haben wir überlegt, wie wir eine attraktive Stelle ausschreiben können." Daraufhin seien "sehr viele, sehr gute Bewerbungen" eingegangen. Die Wahl war letztendlich auf Peer Beyersdorff gefallen. "Für mein Dafürhalten haben wir den Allerbesten erwischt", sagte Korte. Beyersdorff ist Leiter des neuen Fachbereichs Wirtschaftsförderung, Finanzen und Liegenschaften und somit auch Wirtschaftsförderer und gleichzeitig Kämmerer.
Neue Herausforderung gesucht
Die Gelegenheit, sich einmal genauer vorzustellen, nutzte Beyersdorff sogleich. Ganz leicht sei es ihm nicht gefallen, nach nur acht Wochen im Amt eine Rede vorzubereiten, gab der 57-Jährige zu. Der gebürtige Hamburger war in einer Kleinstadt nahe der Hansestadt aufgewachsen, hatte zunächst die Realschule und dann das Wirtschaftsgymnasium besucht. Nach Bundeswehr und Zivildienst ging es fürs Betriebswirtschaftsstudium an die Freie Universität Berlin. Später wechselte er nach Bremen, wo er Wirtschaftswissenschaften studierte und als Diplom-Ökonom abschloss. Von 2000 bis 2006 war er zunächst Wirtschaftsförderer des Landkreises Osterholz. Beyersdorff ist verheiratet und hat zwei Söhne – der ältere Sohn studiert ebenfalls Wirtschaftswissenschaften und der jüngere hat in diesem Jahr sein Abitur abgelegt.
"Ich hatte Lust auf Veränderung und neue Herausforderungen", berichtete er über seinen Berufswechsel. Denn zuvor hatte er über 18 Jahre das Netzzentrum für innovative Technologie Osterholz geleitet. Seit 2008 war er zudem Geschäftsführer des Breitbandkompetenzzentrums Niedersachsen-Bremen. Als er 2006 Geschäftsführer des Gründer- und Technologiezentrums wurde, fuhr dieses sechsstellige Verluste ein. Das sollten Hallenflächen ändern, die jungen Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. 2011 wurde mit vier Segmenten mit Meisterbüro gestartet. 2015 folgte die zweite Halle mit Förderung durch die N-Bank. 2021 kam dann die dritte Halle mit 8000 Quadratmetern dazu. Zwischenzeitlich gab es 13 Hallensegmente, die nie leer standen, so Beyersdorff. Auch seine bundesweit führende Rolle in der Breitband-Thematik erfüllt ihn mit Stolz. Dennoch hätten sich die Themen irgendwann wiederholt, sodass die Stellenanzeige in Stuhr ihn sofort angesprochen habe.
Besonders freute sich Beyersdorff über den herzlichen Empfang an seinem ersten Tag im Rathaus. "Das ist nicht normal, so empfangen zu werden", sagte er. Manchmal rauche ihm abends der Kopf ob der vielen neuen Informationen. "Aber das macht Spaß", sagte er. So manches Mal habe er bei Verwaltungen gedacht, "das könnte schneller gehen", in seinem Fachbereich aber bestätigte sich dies nicht.
Ökonomisch vorbildlich
Während die Wirtschaftsweisen jüngst bemängelt hatten, dass die Politik zu wenig Projekte priorisiere und angehe, sei Stuhr ein gutes Gegenbeispiel. "Wir investieren zum Beispiel in die Linie 8. Genau das, was die Wirtschaftsweisen fordern, das machen wir hier." Die Nachfrage, die durch Bauprojekte wie die Brinkumer Ortskernsanierung erzeugt werde, solle auch örtlichen Firmen zugutekommen. Die Sanierung der Lise-Meitner-Schule zeige für Beyersdorff: "Investitionen in die Ressource Mensch sind die besten Investitionen, die wir tätigen können". Beim Glasfaserausbau in Seckenhausen sei derzeit eine Vermarktungsquote von 13,5 Prozent erreicht. Bis Mitte Dezember braucht es aber 33 Prozent. Beyersdorff rief dazu auf, weiter die Werbetrommel zu rühren. Auch Löcher im Mobilfunknetz gebe es noch – diese möchte er identifizieren, um sie schließen zu können.
Beim Thema kommunale Wärmeplanung ist auch das Fernwärmenetz in Briseck ein wichtiger Faktor. Dieses bietet sogar noch Kapazitäten. Vor Kurzem seien 14 Unternehmen angeschrieben worden, bei denen die Gemeinde Abwärmepotenzial sieht. Derzeit ist Stuhr auf Platz 13 der Kreis-Kommunen, was die PV-Abdeckung angeht. "Das kann man deutlich verbessern", sagte Beyersdorff. Daher sollen nun öffentliche Gebäude geprüft werden.
Die Nachfrage nach Gewerbeflächen in Stuhr ist groß, hat der Zweite Gemeinderat rasch festgestellt: "So viele Anfragen wie hier in acht Wochen hatte ich in Osterholz nicht in drei Monaten." Daher rief er die anwesenden Unternehmer dazu auf, sich bei ihm zu melden, falls sie Flächen kennen, die nicht mehr aktiv genutzt werden. Überhaupt bot Beyersdorff an, die Stuhrer Unternehmen zu besuchen. Wer daran Interesse hatte, konnte seine Visitenkarte in einer Box am Ausgang hinterlassen. Nach der Veranstaltung, die musikalisch von der Band Blue Note Bach um Jens Schöwing begleitet wurde, gab es bei einem Büfett noch Gelegenheit zum persönlichen Gespräch.