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Ortskern Alt-Stuhr Die nächste Hürde

Die geplante Sanierung des Ortskerns in Alt-Stuhr rückt näher. Der zuständige Ausschuss votierte nun für das Sanierungsgebiet.
18.11.2022, 16:39 Uhr
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Die nächste Hürde
Von Eike Wienbarg

Stuhr. Die Planungen für die Sanierung des Stuhrer Ortskerns haben die nächste Hürde genommen. Am Donnerstag votierte der Ausschuss für Bauen und Ortsteilentwicklung einstimmig für die Festlegung des Sanierungsgebietes. Das Gebiet soll das Areal rund um das Stuhrer Rathaus zwischen der Stuhrer Landstraße im Osten, der Bahnstrecke im Süden, der ersten Häuserreihe an der Blockener Straße im Westen und dem Gelände der Kirche und des Friedhofes im Norden umfassen.

Zentrales Ziel der Sanierung sei es, den Ortskern zu stärken, berichteten Annika van Bebber und Verena Andreas-Jäger vom Fachdienst Stadtplanung der Gemeindeverwaltung. Vorausgegangen waren bereits eine Untersuchung des Gebiets und die Erarbeitung eines sogenannten integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzeptes (Isek). Darin wurden diverse Missstände im Ortskern identifiziert. Zu den "Substanzschwächen" zählen der Modernisierungsbedarf der Gebäude, Leerstände und die hohe Verkehrsbelastung. Als "Funktionsschwächen" wurden die fehlende Wahrnehmung als Ortskern, die Nicht-Erfüllung als Mittelzentrum, die städtebaulich ungeordneten Bereiche um das Rathaus, der hohe Versiegelungsgrad, die unübersichtliche Parkplatzlage, die defizitäre Freiraumgestaltung, die mangelnden Wegeverbindungen inklusive Sicherheitsdefizite für den Fuß- und Radverkehr sowie die fehlende Barrierefreiheit identifiziert.

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Für das Konzept wurde die Öffentlichkeit "umfangreich beteiligt", so Andreas-Jäger. In Online-Verfahren und an einem Marktstand wurden Ideen und Anregungen gesammelt. "Es gab ein großes Interesse der Stuhrerinnen und Stuhrer – über alle Altersklassen hinweg", freute sie sich. Die Missstände würden eine Sanierung rechtfertigen. Die Einstufung als Sanierungsgebiet sei auch mit dem öffentlichen Interesse und der Notwendigkeit zum Grunderwerb und den zu erwartenden Bodenwertsteigerungen zu rechtfertigen. Außerdem seien "keine negativen Auswirkungen für Betroffene" zu erwarten.

Als Ziel der Sanierung wurde die Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität festgeschrieben. Dazu seien Neuordnungs-, Aufwertungs- und Umstrukturierungsvorhaben notwendig, die "ein attraktives, zusammenhängendes Freiraumgefüge rund um das Rathaus mit Aufenthaltsangeboten" schaffen sollen. Auf den Hauptstraßen sollen die Durchgangsgeschwindigkeiten reduziert werden und die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer verbessert werden. Dazu seien "barrierearme, durchgängige und sichere Wegeführungen" nötig. Das Parkangebot soll neu geordnet werden genauso wie das Rathausumfeld. Auch die Ortseingänge sollen attraktiver gestaltet werden. "Stadtbildprägende Gebäude", von denen 14 im Ortskern identifiziert wurden, sollen ebenfalls erhalten und modernisiert werden.

Aus dem Sanierungsverfahren ergeben sich auch Besonderheiten. So sind im Areal Vorhaben wie die Veräußerung eines Grundstücks, die Bestellung oder Verlängerung eines Erbbaurechts oder Miet- und Pachtverträge mit einer Dauer von über einem Jahr Laufzeit genehmigungspflichtig. Außerdem erhält die Gemeinde ein Vorkaufsrecht bei Grundstücksverkäufen und es herrscht eine Preisbindung an den Verkehrswert. Damit sollen Spekulationen vermieden werden.

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Nach Abschluss der Sanierung sind Grundstückseigentümer verpflichtet, die sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung ihrer Grundstücke auszugleichen. Die Zahlungsverpflichtung von Erschließungsbeiträgen entfällt aber. Die Gemeinde sei dazu verpflichtet, diese Ausgleichsbeträge zu erheben. Diese gehen als Einnahmen zurück in die Sanierungsvorhaben. Die Beträge werden für jedes Grundstück individuell ermittelt. Private Vorhaben anlässlich der Sanierung können auf den Beitrag angerechnet werden. Eigentümer profitieren außerdem von erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten bei der Einkommensteuer, wenn Modernisierungs- und Instandsetzungsvorhaben vorgenommen werden.

Zu den genauen Vorgaben plant die Gemeinde eine Infoveranstaltung im Februar, zu der alle Eigentümer eingeladen werden. Im Januar ist auch eine Parkraumerhebung vorgesehen. Im kommenden Jahr erfolgt auch die Beauftragung eines Sanierungsträgers. Immer wieder solle die Bevölkerung eingebunden werden. So zum Beispiel mit einer Aktion zum Tag der Städtebauförderung im Mai, der als offizieller Starttermin für die Sanierung genutzt werden soll, so van Bebber.

Als Gesamtvolumen der Sanierung rechnet die Gemeinde mit rund 5,6 Millionen Euro. Aus Fördermitteln des Programms "Lebendige Zentren" werden 3,8 Millionen Euro erwartet. Rund 1,8 Millionen Euro werden als Eigenanteil benötigt.

Kristine Helmerichs (Grüne) merkte an, dass das Verfahren für Eigentümer schwer nachzuvollziehen sein könnte. Genau aus diesem Grunde solle es die Infoveranstaltung geben, betonte van Bebber. Der Gemeinde sei daran gelegen, die Eigentümer zu beraten, damit sie alle Möglichkeiten der Sanierung ausschöpfen können, ergänzte ihre Kollegin Andreas-Jäger. Finn Kortkamp (CDU) betonte die "Chance, Fördergelder für den Ortskern zu akquirieren". Die Ausgleichsbeträge und Genehmigungspflichten seien aber "auch nicht ganz ohne". Insgesamt sei die Sanierung aber die Gelegenheit, einen attraktiven Ortskern zu schaffen.

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Für Gerd-Wilhelm Bode (Besser) stand die Verkehrssituation im Fokus. Vor allem der Schwerlastverkehr müsse aus dem Ortskern raus. Stuhrs Erste Gemeinderätin Bettina Scharrelmann betonte, dass die Gemeinde gerade auch durch die Gewerbesteuereinnahmen, die mit einer guten verkehrlichen Anbindung zusammenhängen, lebe. Nichtsdestotrotz gehe es um die Reduzierung des Verkehrs. Mit der angedachten Verlegung des Radverkehrs auf die Straße oder der vermehrten Ausweisung von Tempo-30-Zonen könnten einige Probleme angegangen werden. Für den Schwerlastverkehr gebe es die Möglichkeit einer Umgehung. Die Frage sei aber, "wollen wir die?", so Scharrelmann. Mit dem Ausbau der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer solle begonnen werden. Auch von der Linie 8 verspreche sie sich eine Reduzierung des Individualverkehrs. Die Verkehrssituation sei auch weiterhin eine Frage der Rahmenplanung und eine Arbeitsgruppe werde sich damit beschäftigen, ergänzte Verena Andreas-Jäger.

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